
In den Hügeln lebten die Ameisen. In diesem Land der Vulkane und Lavafelder, der geschmolzenen Gletscher, der überschwemmten Küstenlandschaften und der sich ausweitenden Spalte zwischen den Kontinentalplatten. Die Ameisen hatten in den Hügeln riesige, ausgeklügelte Wohnstätten für ihre Völker errichtet. Sie waren auch um vieles größer als ihre Vorfahrerinnen. Wäre jemand da gewesen um diese Entwicklung zu beobachten und zu analysieren, hätte er sich wohl gewundert, dass die Ameisen bei so geringem Nahrungsangebot so groß geworden waren. Bis dieser fiktive Beobachter von den Würmern erfahren hätte.
Sie krochen durch die neu entstandenen Landschaften sobald die Lava einigermaßen verfestigt war. Ihre Haut war so hitzebeständig, wie es bei einem Lebewesen nur möglich war, hornig, undurchlässig, mit einem grünen Schimmer. Die Würmer gab es hier schon länger als die großen Ameisen. Der fiktive Beobachter hätte vielleicht eine gewisse Ähnlichkeit mit manchen Reptilien aus dem Anthropozän festgestellt oder auch zu den mythischen, feuerspeienden Drachen.
Nachdem die Intelligenz von Einzelwesen in eine evolutionäre Sackgasse und zur extremen Erhitzung des Planeten geführt hatte, war es lange sehr still gewesen auf dieser vulkanischen Insel im Nordatlantik, bis zum Auftauchen der beinahe feuerfesten Würmer, die sich – wie unser Beobachter mit Staunen feststellen würde – großteils von erkalteter Lava ernährten. Noch mehr staunen würde er bei der Erkenntnis, dass die Würmer auch Photosynthese betrieben und somit ein Zwischenglied zwischen Tieren und Pflanzen darstellten.
Wie die Ameisen nicht nur überlebt sondern sogar groß geworden waren, hing auch mit den Würmern zusammen. In den Kellerräumen der Ameisenpaläste unter den Hügeln wurden die gefangenen Würmer zerlegt. Die sehr großen und starken Mandibeln der Ameisen konnten die feuerfeste Haut der Würmer ebenso wie den Rest ihrer Körper in kleine Teile zerlegen mit denen sie Königinnen und Brut fütterten. Unter den jungen Ameisen waren jene mit besonders starken Mandibeln im Vorteil.
Auf älteren Lavafeldern erschienen da und dort wieder Pflanzen, die die immer noch große Hitze ertrugen und das üppige Angebot an Kohlendioxid in der Luft nutzen konnten.
Gespenstisch waren die Landschaften schon den Menschen erschienen. In der Nacht wurden die bizarren Formationen der Lavafelder zu allem möglichen, je nach Phantasie der Betrachter. Aber menschliche Betrachter gab es schon sehr lange keine mehr.
Auf der obersten Etage eines Ameisenpalastes, knapp über dem Bodenniveau des Hügels standen mehrere junge Königinnen mit aufgerichtetem Oberkörper, ihre Fühler berührten einander. Sie schauten in die gleiche Richtung und bewegten sich koordiniert. Das Gehirn jeder einzelnen Ameise war immer noch klein und begrenzt, doch wenn sich Gruppen zusammenschlossen, so wurden die Sinneseindrücke jeder einzelnen stärker.
Die Gruppe der Königinnen schaute in Richtung des aktiven Vulkans Eyjafjallajökull, der am Horizont dominierte, um den immer ein schwacher roter Schimmer zu sehen war. Die Emotion, die noch verschwommen und schwach durch ihre sich entwickelnden Gehirne strömte, hätten Menschen als Ehrfurcht oder gar Anbetung bezeichnet. Sie begannen zu summen, die Königin in der Brutkammer summte auch und mit ihr die gerade geschlüpften Ameisen.