Schlagwort: Literaturweltreise

84. Station meiner Kunst- und Literaturweltreise – Congo Brazzaville -.-

Zu Kolonialzeiten gab es den Kongo-Kinshasa, den Privatbesitz des belgischen Königs Leopold II, der 1960 unabhängig wurde und ab 1965 eine Zeit lang Zaire hieß und seit 1997 wieder Demokratische Republik Kongo. Und dann gab es den Kongo-Brazzaville, der heute einfach Republik Kongo heißt.

Gastineau Massamba stammt aus der Republik Kongo und lebt heute in Frankreich. Ich finde seinen Materialmix: Farbe und Kreide und auch seinen Stilmix eindrucksvoll.

Quelle: Auszug aus dem Katalog „The African Portraiture

83. Station meiner Literaturweltreise – Peru

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Das siebente Jahr betreibe ich nun schon diese Weltreise durch Literatur und Kunst und finde sie nach wie vor sehr interessant. Noch ist es ja ohne größeren Aufwand möglich literarische Werke oder Bildende Kunst zu verschiedenen Ländern zu finden. Schwieriger wird es gegen Ende werden, das liegt aber noch in ziemlicher Ferne.

Derzeit „arbeite“ ich an Südamerika und so bin ich gelandet in

PERU

Über den Autor konnte ich nicht besonders viel ausfindig machen außer, dass er 1975 in Lima geboren wurde und somit Zeiten großer Konflikte und Gewalt erlebt hat und dass er in Peru und in den USA lateinamerikanische Literatur studiert hat. Daraus kann man autobiografische Züge des Romans vermuten, denn der Protagonist ist Peruaner und studiert ebenfalls in Boulder an der University of Colorado lateinamerikanische Literatur.

Ich habe sehr lange gebraucht um in den Text hineinzufinden. In einem sehr langen ersten Teil diskutieren die handelnden Personen stark mäandernd über die Frage, ob Boulder eine richtige Stadt ist oder ein vergrößerter Campus der dortigen Universität. Der Text plätschert dahin, ohne Absätze und ich fand ihn mühsam zu lesen. Erst langsam kristallisiert sich heraus, dass der Protagonist ein Fellow der Uni aus Lateinamerika ist, der sich noch nicht wirklich akklimatisiert hat und seine Kollegen interessiert beobachtet.

Zu diesem Zeitpunkt der Lektüre ist mir klar geworden, dass mein Problem mit dem Text darin bestand, dass ich von Kulturschocks zwischen den USA und lateinamerikanischen Ländern im allgemeinen nicht viel Ahnung habe und mir daher wahrscheinlich viele Feinheiten des Textes entgingen.

Der gesamte Roman spielt an einem Abend bzw einer Nacht, in der die Gruppe der Studenten um den Protagonisten in wechselnder Besetzung durch verschiedene Lokale zieht und verschiedene andere Personen trifft bzw kennenlernt. Für mich, die ich Ortsbeschreibungen an und für sich sehr gerne lese, waren die Beschreibungen der Lokale und der gesamten studentischen Szene in Boulder leider nicht sehr interessant. Charakterisierungen von Personen, die vom beobachtenden Protagonisten aus deren Aussehen und Auftreten abgeleitet werden dagegen, fand ich sehr gelungen.

Eigentlich habe ich das Buch nur deswegen weitergelesen, weil ich an dem betreffenden Wochenende nichts anderes mithatte. Aber ab der Mitte des Romans wurde er für mich dann interessanter. Endlich erfährt man aus welchem Land der Protagonist stammt und damit wird der Teil des Textes eingeleitet, in dem wir von seinem Leben erfahren.

Zwei Aspekte des Lebens in Peru treten hervor. Einerseits die überall herrschende Gewalt und – damit auch im Zusammenhang stehend – die soziale Ächtung von allem, was als „andino“ bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um die Indio-Bevölkerung Perus, zu der der Protagonist auch gehört.

Der peruanische Student trifft eine junge Frau, die ihm ihre Lebensgeschichte erzählt und erzählt ihr dafür die „Geschichte eines Freundes“, von der die Leserin vermutet, dass es wohl seine eigene ist. Es geht um eine Beziehung mit einer Studentin aus der peruanischen Oberschicht, die damit endet, dass er von den Leibwächtern ihres Vaters halb tot geschlagen wird. Nachdem ich ja bei diesem Projekt lese um etwas über die jeweiligen Länder zu erfahren, hätte mich gerade diese Geschichte näher interessiert

Am Ende erklärt sich auch der Titel des Buchs „animales luminosos“ also in etwa „leuchtende Tiere“, der wahrscheinlich auch eine Anspielung auf den „sendero luminoso“ ist, der Peru in den 1980er Jahren mit Gewalt überzogen hat und der vom Protagonisten als Grund genannt wird warum er sein Land verlassen hat. Er hat eine Form einer Angststörung, die ihm bei manchen Lichtphänomenen Panik beschert. So auch bei der Betrachtung der Stadt von oben, bei der Lieblingsaussicht der jungen Frau, die er kennengelernt hat und mit der sich möglicherweise eine Liebesbeziehung anbahnt.

Der Text hat einen Rhythmus, in den ich nicht wirklich hineinfinden konnte, das Ausgleiten am Ende, mit einem hoffnungsvollen Unterton, aber ohne weitere Informationen über das zukünftige Geschehen fand ich aber sehr stimmig.

Fazit: Ja, naja … streckenweise und in manchen Aspekten hat mir der Roman gut gefallen, aber er wird nicht der Grund werden warum ich lateinamerikanische Literatur plötzlich mehr schätze als zuvor. Was natürlich ein persönliches Vorurteil ist an dem ich arbeite …

79. Station meiner Literatur- und Kunstweltreise – Kamerun

Kamerun wurde 1960 unabhängig von der französischen Kolonialherrschaft also fast dreißig Jahre bevor der Maler Jean David Nkot geboren wurde.

Dieses Bild ist aus 2021 und beschäftigt sich mit der Ausbeutung der Rohstoffe in Kamerun. Kamerun ist ein autoritär regiertes Land. Dennoch ist Nkot im Gegensatz zu vielen seiner Malerkollegen aus afrikanischen Ländern nicht ausgewandert.

Dieses Bild von drei Minenarbeiterinnen heißt „les reines“ , die Königinnen. Den Hintergrund des Bildes bildet eine sogenannte „Molekül-Landkarte“ , inspiriert von dem Schweizer Künstler Thomas Hirschhorn.
Schon bevor ich darüber gelesen habe, hat mich dieses Eindringen des Hintergrunds fasziniert. Es ist ein Stilelement, das sowohl auf der emotionalen Ebene des ersten Eindrucks als auch auf der Ebene der rationalen Aussage sehr stark ist.

„Landschaft und Identität lassen sich nicht voneinander trennen, da Landschaften kulturelle und auch ontologische Kennzeichen aufweisen. (…)
Für Nkot, der früheren Künstlergenerationen Respekt zollt, ist dies mehr als eine künstlerische Geste oder eine abstrakte kunsthistorische Referenz. Wie die Erzählungen eines Griot ist die Geschichte in den Menschen lebendig.“ S106 des Katalogs der Ausstellung „The new African Portraiture“ Kunsthalle Krems 2022

77. Station meiner Literatur- und Kunstweltreise – Rwanda und Burundi

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Schon vor einer Weile habe ich dieses Buch fertig gelesen. Ich hatte es zwischen die chassidischen Juden in Brooklyn und die neuesten Forschungsergebnisse über Neandertaler eingeschoben, weil ich sehr neugierig war.

Die Ich-Erzählerin ist eine Tutsi aus Rwanda, die schon als Jugendliche oder junge Erwachsene als Asylantin im Nachbarland Burundi lebt und dort eine Schule für Sozialarbeiterinnen besucht. Ihr Vater meint, wohl zurecht, dass eine Tutsi in Burundi nur über Schulbesuch, Bildung und den Erwerb eines Diploms überhaupt überleben kann und so finden wir zu Beginn der Erzählung die Protagonistin als eine von vielen Flüchtlingen aus Rwanda in Burundi.

Eine Kurzbiographie von Scholastique Mukasonga aus der für solche Zwecke unerreichten Wikipedia:


Mukasonga wurde 1956 in der damaligen Provinz Gikongoro in eine Tutsifamilie geboren. Sie musste schon in ihrer Kindheit die Gewalt und Demütigungen des ethnischen Konflikts in Ruanda erfahren. 1960 wurde ihre Familie mit anderen Tutsi nach Nyamata deportiert. Bevor sie 1973 nach Burundi ins Exil vertrieben wurde, ging sie ins Lycée Notre-Dame de Citeaux in Kigali, wo sie im Rahmen der Quote von 10 % für Tutsi aufgenommen wurde, und in eine Schule für Sozialarbeit in Kigali. Ihre Erlebnisse im Lycée spiegeln sich im Buch Die Heilige Jungfrau vom Nil. In Burundi schloss Mukasonga ihre Ausbildung zur Sozialarbeiterin ab und arbeitete dann für die UNICEF und die Weltbank. Sie heiratete einen Franzosen, ging mit ihm nach Dschibuti und 1992 nach Frankreich.[1] Ihre Zeit in Burundi, Dschibuti und den Beginn ihres Lebens in Frankreich schildert sie in dem autobiographischen Roman Un si beau diplôme! Sie lebt heute mit ihrer Familie in der Normandie. Ein Großteil ihrer Familie fiel dem Völkermord in Ruanda 1994 zum Opfer.

Vieles an diesem Roman, der eigentlich kein Roman ist sondern eine Art stark verlängerte Kurzgeschichte, hat mir zunächst nicht gefallen. Alle Figuren sind unglaublich flach, sie werden nur kurz aus den Schatten herausgeholt um ein paar Sätze über sie zu sagen, dann verschwinden sie wieder. Die einzige Ausnahme ist vielleicht der Vater. Die Mutter und die Geschwister ebenso wie der Ehemann und die Kinder, andere Verwandte, Freundinnen, sonstige Menschen, die in ihrem Leben vorkommen, bleiben unscharf umrissene Schatten. Dennoch habe ich den Text gern gelesen.

Es gibt nur einen Erzählstrang. die Geschichte der Ich-Erzählerin und ihres Diploms, das eine Art Leitmotiv ist, das im Laufe der Geschehnisse durch ein weiteres Diplom verstärkt wird. Die Handlung beginnt in ihrer Zeit als Schülerin in Burundi, überspringt dann sehr viel, setzt bei ihrem Leben in Frankreich und Dschibuti wieder ein und kommt schließlich zum emotionalen Höhepunkt der Erzählung: ihr(e) Besuch(e) in ihrem Heimatort in Rwanda nach dem Genozid, nachdem praktisch ihre ganze Familie und ihre Freunde ermordet wurden.

Der in ein Genozid mündende Konflikt zwischen Tutsis und Hutus war das Thema, das ich in diesem Buch erwartet habe und das natürlich auch vorhanden ist. Es wird aber auf eine sehr leise Art erzählt, in manchen kleinen Szenen und Nebensätzen bis es am Ende des Buchs gewaltig aufsteigt.

Das Buch beginnt mit dem Thema Diplom

„J´ai passé la moitié de ma vie à courir aprés un diplôme. Ce n´était pourtant pas une thèse de doctorat (…) mas un modeste diplôme d´assistante sociale“ p. 11″
Ich habe die Hälfte meines Lebens damit verbracht einem Diplom nachzujagen, nicht einem Doktorat sondern einem bescheidenen Abschluss zur Sozialarbeiterin.

Die Autorin erzählt, dass sie als Kind in der Schule täglich ein vom Lehrer verfasstes Lied singen musste, in welchem ein gewisser Fidèle Rwambuka geehrt wurde, ein lokaler Held, der als erster Einwohner seiner Ortschaft ein Diplom erworben hatte. Der Text des Liedes (in freier Übersetzung wie alle Textstellen) :

Fidèle Rwambuka!
Seien wir stolz auf ihn!
Feiern wir seinen Heldenmut!
Das schöne Diplom (idipolomi), er hat es in Gisaka erworben
und mit nachhause gebracht
Er ist der Sohn von Mihigo
er ist hier geboren, er ist von hier, aus Musenyi
Hurra, hurra, hurra
Sei unser Held für immer.

Aufgrund dieses Diploms – niemand weiß, um welche Art Diplom es sich da handelt- wird Fidèle Rwambuka Bürgermeister.
Die Autorin erzählt, wie stolz sie als Kind dieses Loblied gesungen hat, aber …

„Comment aurais-je imaginé qu´en1992 il serait le premier à organiser le massacre des Tutsis de Nyamata, prélude au génocide de 1994“ p.12 (Wie hätte ich ahnen können, dass er (Fidèle Rwambuka) 1992 der erste sein würde, der das Massaker der Tutsis in Nyamata organisierte, das Vorspiel zum Völkermord von 1994!

Nur in Nebensätzen erfahren wir doch einiges über das Genozid und die vorangegangene Situation in Rwuanda und Burundi. Zum Beispiel, dass auf den Personalausweisen TUTSI stand, wodurch für die Besitzer dieser Ausweise im besten Fall nur viele Türen verschlossen blieben.

Der Stil der Autorin ist, im Großen und Ganzen eher kühl und unemotional. Die Ausnahme ist ein sehr starkes Kapitel in dem beschrieben wird, wie die Erzählerin Jahre nach dem Massaker in ihren Ort, Nyamata zurückkommt. Sie sucht die Parzelle auf der das Haus ihrer Eltern stand und den Standplatz ihres Vaters auf einem Markt.

Kanzenze, cétait le nom que les autorités avaient attribué à Nyamata. Un témoin disait au journaliste "À Kanzenze les vivants sont le dixième des morts". Cela signifiait, traduisait le journaliste, que neuf personnes sur dix avaient été tuées. À la fin du mois de juin, une lettre m´apprendrait qu`à Gitagata c´était dix sur dix. p.169
(Kanzenze war der Name, den die Behörden Nyamata gegeben hatten. Ein Zeuge sagte zu einem Journalisten „In Kanzenze sind die Lebenden ein Zentel der Toten“ Was bedeutete, so übersetzte der Journalist, dass neun von zehn Menschen getötet worden waren. Ende Juni sollte ich einen Brief erhalten, der mir mitteilte, dass es in Gitagata zehn von zehn waren.“

Man erfährt, dass die Erzählerin mit einem in Rwanda lebenden und arbeitenden Franzosen verheiratet ist und mit ihm mindestens zwei Kinder hat. Auch das wäre ein interessantes Thema gewesen, wird aber zumindest in diesem Buch nicht verfolgt. Eine einzige Szene beschäftigt sich mit den Kindern. Die Autorin schreibt, dass ihre Kinder schließlich auch Tutsis seien und somit Anspruch hätten auf die besonders gute Milch der Rinderherden des Volks der Tutsis. Aus diesem Grund fährt sie mit ihrem Mann immer wieder illegal nachts über die Grenze nach Burundi zu einem der wenigen noch vorhandenen Tutsi-Rinderhirten und kauft bei ihm frische Milch. Der Freundeskreis des Paars findet diese Ausflüge geradezu selbstmörderisch gefährlich, findet aber kein Gehör.

Es gibt auch noch andere Abschnitte, die mich beeindruckt haben. Etwa die eher witzige Erzählung über die Ferienzeit, die die Autorin gemeinsam mit einer Freundin bei deren Bruder verbracht hat, der so eine Art Mädchen für alles bei einer europäischen Dame ist. Oder auch die Erzählung davon, wie in Frankreich ihr hochgeschätztes Diplom nicht anerkannt wird und sie nach zahlreichen Besuchen bei Behörden und Beratungsstellen erkennt, dass ihr nichts anderes übrig bleibt als die Sozialarbeiter-Ausbildung nochmals zu machen.

Dieses Buch ist für mich die Fortsetzung einer Reihe von Texten von afrikanischen Autor*innen, die ich – immer mit Dazwischenschalten anderer Lektüre- konsumieren werde.

76. Station meiner Kunst- und Literaturweltreise – Côte d´Ivoire (Elfenbeinküste)

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Es gibt unendlich seichte Comics und es gibt auch andere. Man denke an Persépolis von Marjane Satrapi, Comics aus denen man sehr viel über das Leben im Iran erfährt. Man kann sich auch mit Astérix und Obélix ins alte Gallien bzw ins Römische Reich begeben und das Comic, das ich gerade gelesen habe, spielt in Yopougon, einem Arbeiterbezirk von Abidjan, der Hauptstadt der Elfenbeinküste im Jahr 1978. Es ist keineswegs seicht sondern zeigt die gesellschaftlichen Strukturen der Elfenbeinküste aus dem Blickwinkel einer jungen Frau.

Im Grunde ist Comic eine ganz unpassende Bezeichnung für gezeichnete Geschichten dieser Art. Die französische Bezeichnung „bandes déssinées“ finde ich viel passender.

Wir sind also im Jahr 1978 und im Fernsehen der Elfenbeinküste läuft die erste große Werbekampagne. Es handelt sich um das im Land produzierte Bier, Solibra, das heftig beworben wird. Der Vater der Protagonistin, Aya, arbeitet für den Brauereibesitzer. Täglich um 19h läuft die Bierwerbung und die gesamte Familie und Nachbarschaft muss sich vor dem Fernseher versammeln.

Die ebenso paternalistische wie patriarchale Gesellschaftsstruktur der Elfenbeinküste wird recht gekonnt aufs Korn genommen. Die Diktatur des Vaters, die in den Familien herrscht und von der vor allem die jungen Frauen betroffen sind ebenso wie die Diktatur des allmächtigen Großbrauereibesitzers.

Hier sieht man einen Vater, der wie jeden Tag im Vollrausch nachhause kommt und, ebenfalls wie jeden Tag, die Anwesenheit aller seiner Kinder bzw Töchter kontrolliert. Zu diesem Zweck zählt er ihre Füße. Wie man sich leicht vorstellen kann, ist diese Kontrollmethode, wie auch andere, sehr leicht zu umgehen und tatsächlich treffen sich die Generationen in den diversen Tanz- und Trinklokalen. Es ist nicht selten, dass eine Tochter ihren Vater oder Onkel mit einer ihrer Freundinnen beim Tanzen antrifft.

Die Protagonistin, Aya, die gerne studieren möchte, was ihr Vater aber ablehnt, weil er die Investition in das Studium für eine Tochter für unnötig verprasstes Geld hält, soll nun verheiratet werden. Nicht mit irgendjemandem sondern mit dem Sohn des Großbrauerei-Besitzers für den ihr Vater arbeitet. Hier sieht man das Haus des Chefs, das gerade besichtigt wird. Aber es kommt alles anders als geplant.

Auch die Leben der Freundinnen von Aya werden erzählt. Was ich sehr interessant fand, sind die Wortschöpfungen, die im Französisch der Elfenbeinküste verwendet werden. Ein „génito“ zum Beispiel ist ein junger Mann mit Geld. Der „maquis“, der im europäischen Französisch den Aufenthaltsort von Guerilla-Kämpfern bezeichnet, ist an der Elfenbeinküste ein billiges Ess- und Tanzlokal im Freien. Als „gardienne“, Wärterin, bezeichnet man eine verheiratete Frau. Ich finde, dass schon allein diese drei Wörter viel über die Gesellschaft aussagen.

Am Ende des Bandes gibt es noch Ratschläge zum richtigen Schwingen von Hüften und Po und Rezepte für Speis´ und Trank.

Von „Aya de Yopougon“ gibt es sechs Bände, der erste von 2005, der sechste von 2010. Die Geschichte wurde in 15 Sprachen übersetzt und der Stoff verfilmt.

Ich weiß noch nicht, ob ich mir die weiteren Bände auch zulegen werde. Dieser war sehr aufschlussreich und witzig, auch gut gezeichnet…

75. Station meiner Kultur- und Literaturweltreise – Burkina Faso

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Ich habe in der Ausstellung nur ein Bild von Souleimane Barry fotografiert. Trotz des auch von ihm praktizierten Materialmix, der mir sehr gut gefällt, habe ich keinen Zugang zu seinen Bildern gefunden. Auch der Effekt der Begeisterung auf den zweiten Blick, den ich bei Atsoupé erlebt habe, ist hier nicht eingetreten.

Interessant fand ich den Hinweis darauf, dass der Künstler gerne angesichts seiner Bilder mit den Betrachter*innen spricht und immer wieder den Unterschied zwischen seiner eigenen Wahrnehmung von dargestellten kulturellen und religiösen Codes aus seiner Ursprungskultur und der Wahrnehmung des europäischen Publikums feststellt. Leider bot der Ausstellungskatalog dazu keine Beispiele an.

Als zwei der größten Künstler des 20. Jahrhunderts bezeichnet Barry Francis Bacon und Jean-Michel Basquiat. Zu letzterem gibt es in Wien gerade eine Ausstellung, die ich noch immer nicht gesehen, mir aber vorgenommen habe.

Die Texte, die man in Ausstellungen findet, sind nicht nur in durchaus unterschiedlichem Stil geschrieben, sie sind auch sehr unterschiedlich präzise in ihren Aussagen. Ich rätsele zum Beispiel, ob der letzte Satz dieser Beschreibung meint, dass Barrys Inspirationsquelle Bilder sind, die Menschen darstellen oder ob das irgendwie anders gemeint ist…

Einige Basics:
Burkina Faso, übersetzt Land des aufrichtigen Menschen, ist ein westafrikanischer Binnenstaat, Seine Unabhängigkeit erlangte das Land am 5. August 1960. Bis zum 4. August 1984 wurde der Name Republik Obervolta, den es in seiner Zeit als französische Kolonie erhielt, verwendet. Der panafrikanistisch-sozialistisch orientierte Präsident Thomas Sankara, der nach einer Phase politischer Instabilität 1983 durch einen Staatsstreich die Macht erlangt hatte, ließ das Land umbenennen.

Administrative und kulturelle Hauptstadt des rund 20,1 Millionen Einwohner zählenden Landes ist die zentral gelegene Millionenstadt Ouagadougou. Etwa die Hälfte der Burkiner zählt zur politisch dominierenden Ethnie der Mossi.

In Burkina Faso werden etwa 60 einheimische Sprachen gesprochen. Der Islam ist neben den traditionellen Glaubensvorstellungen die meist praktizierte Religion. Burkina Faso gehört seit langem zu den ärmsten Ländern der Welt, zeichnete sich aber nach der Revolution über längere Zeit durch eine gewisse Stabilität und das friedliche Miteinander der in der Bevölkerung vertretenen Ethnien aus. Regelmäßig wiederkehrende Dürreperioden sorgen oft für große Not der hauptsächlich als Bauern lebenden Bevölkerung.

Nach einem Putsch gegen die amtierende Regierung unter dem gewählten Präsidenten Roch Marc Kaboré am 24. Januar 2022 übernahm das Militär die Macht in Burkina Faso. Am 30. September 2022 kam es zu einem weiteren Putsch von rivalisierenden Militärs, die mit Russland sympathisieren. Teile des Landes stehen unter Kontrolle von Dschihadisten, die den Terrororganisationen Islamischer Staat oder al-Qaida angehören.

Montag 2. Jänner 2023 – entspanntes Nichts

Es ist um so vieles zu warm, dass es durchaus möglich ist mit dem Fahrrad auszufahren. Man kann bejubeln, dass es am Silvestertag 20 Grad und mehr hatte. Es ist aber eine extrem kurzsichtige Haltung, die viel zu hohen Temperaturen und ihre Auswirkungen zu bejubeln. Tatsächlich ist die Belastung sowohl für Menschen als auch für Flora und Fauna groß, von den Prognosen für den nächsten Sommer einmal ganz abgesehen. Löwenzahn und Gänseblümchen sind zu Ganzjahrespflanzen geworden. Sieht hübsch aus, ja,ja, aber …

Ich war also heute mit dem Rad unterwegs. Es war etwas weniger neblig, die Stimmung trotzdem recht gespenstisch. Die Donau träge und grau, das Panorama verschwommen. Ein Blick in den hiesigen, öffentlichen Bücherschrank, ein Stopp bei der uralten Linde um deren gewaltigen Stamm eine Art Adventkranz gelegt ist, aus Stroh und mit Kerzen und Sonstigem geschmückt. Sieht auch hübsch aus, aber die Kombination von Kerzen und Stroh ist doch etwas gewagt.

Sehr genieße ich in PB den Mangel an Menschenmassen und Ereignissen. Für mich Stadtpflanze ist es schon durchaus ein Erlebnis quer durch den Ort zu den Altglascontainern zu gehen und mit völlig fremden Menschen kurz zu plaudern. Auf dem Silvesterpfad in Wien waren heuer weit über eine Million Menschen unterwegs, man hat sogar ein eigenes Ampelsystem entwickelt um die Massen zu dirigieren. Das ist eindeutig nicht meins, so schön ich den Silvesterpfad finde. In den ersten Jahren war ich dort, mit ein paar Tausend Menschen. Vor Corona waren es 800.000, ohnehin schon viel zu viel, heuer wurde diese Zahl weit überschritten. Da lobe ich mir den nebligen Pfad entlang der Donau.

Im kommenden Jahr läuft auf diesem Blog die Impulswerkstatt weiter, ebenso meine Literatur- und Kunstweltreise, die in nächster Zeit Fahrt aufnehmen wird. Die Impulswerkstatt hat den großen Vorzug, ein Gemeinschaftsprojekt zu sein, das mir selbst auch viel Freude macht und ich sehe keinen Anlass, es nicht weiter zu betreiben. Der F hat die Literaturweltreise als Inspiration für Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke genommen und ich habe einen Stoß interessanter Bücher aus Afrika und Lateinamerika aufgehäuft und lese schon mit großem Interesse. Wir haben auch beim gemeinsamen Bucheinkauf in drei verschiedenen Geschäften, zwei höchst kompetente, beratende Buchhändlerinnen kennengelernt.

Jetzt geht es lesemäßig nach Rwanda und zu einem sehr spannenden Artikel über Thor Heyerdahl.

74. Station meiner Literatur- und Kunstweltreise – Togo

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Ich lasse den Katalog und die Beschreibungen in der Ausstellung sprechen:

„Diese Mischung aus Offenheit und dumpfer Gewalt zieht sich durch das Werk der Künstlerin. Sie verleiht der Leinwandoberfläche, dem Untergrund, den Charakter einer Haut, die die Spuren der Vergangenheit trägt.

Während viele Köpfe wie wild durchlöchert oder von Rissen gezeichnet sind, wie Narben, (…) vertritt die Malerin zugleich eine Kunst der Widerstandsfähigkeit. Geduldig repariert und flickt sie ihre älteren Arbeiten (…) auf Grundlagen ihrer eigenen Malerei. Diese Art der Wiederaneignung von Verletzungen durch eine regelrechte ästhetische Umwandlungsarbeit steht im Zentrum von Atsoupés künstlerischem Ansatz“ Ausstellungskatlog „The New African Portraiture“ S64

Auch bei dieser Künstlerin sieht man den ungewöhnlichen Materialmix. Hier sind es Rasta-Zöpfchen, Spitzen und Gehäkeltes. Auf den ersten Blick hat mir dieses Bild nicht gefallen, aber tatsächlich entfaltet es seine Wirkung, wenn man es länger ansieht.

ZUR ERINNERUNG:
Seit dem 16. Jahrhundert war die togolesische Küste ein Teil der sogenannten „Sklavenküste“. 1884 wurde Togo zur Kolonie Deutschlands. 1914, zu Beginn des ersten Weltkriegs wurde das Gebiet von Großbritannien und Frankreich besetzt. 1957 schloss sich Britisch-Togoland an das nun unabhängige Ghana an. Der französische Teil erhielt 1955 von Frankreich Autonomie und schließlich 1960 die Unabhängigkeit.

General Gnassingbé Eyadéma, 1967 als Militärchef in Togo an die Macht gekommen, war Afrikas am längsten regierender Staatschef. Hinter der Fassade von freien Mehrparteien-Wahlen, die zu Beginn der 1990er Jahre eingerichtet wurden, blieb die Regierung stets unter starker Kontrolle General Eyadémas. Seine Partei Rassemblement du peuple togolais (RPT) hat ihre Macht seit 1967 fast durchgehend halten können.

Ihm folgte 2005 sein Sohn Faure Gnassingbé. Trotz massiver Proteste des togolesischen Volks und der internationalen Gemeinschaft wurde Faure Gnassingbé 2020 wiedergewählt.

73. Station meiner Literatur- und Kunstweltreise: Ghana 2

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Vor ein paar Tagen habe ich eine sehr interessante Ausstellung afrikanischer Maler aus mehreren Ländern gesehen. Etliche von ihnen sind aus Ghana, auch Amoako Boafo, von dem das Bild stammt, das auf dem Ausstellungskatalog zu sehen ist. Ich kann nicht sagen, ob das ein Zufall ist, ob es in Ghana besonders viele international bekannte Maler*innen gibt oder ob vielleicht der Kurator/die Kuratorin der Ausstellung dorthin besonders gute Beziehungen hat.

Ich habe mir jedenfalls vier Maler*innen aus Ghana ausgesucht.

Amoako Boafo geboren 1984 in Accra (Ghana). Lebt derzeit in Wien. Wird mit seinen charakteristischen Portraits gerade bekannt und hat einen interessanten Wikipedia-Eintrag.

James Mishio, geboren 1997 in Ghana, ein mixed-media Künstler, dessen ganz neue Portraits (2022) mir besonders gut gefallen haben

Afia Prempeh, geboren 1986 in Kumasi (Ghana). In ihren Bildern finde ich die Details aus dem Alltag ihrer Portraitierten besonders interessant

Cornelius Annor, geboren 1990 in Mamobi (Ghana) beschäftigt sich mit der Darstellung von Alltagsszenen aus Ghana. Seine Werke entstehen ebenso wie jene anderer Künstler*innen aus verschiedenen afrikanischen Länder in Mischtechnik.

Was mich an allen vier Künstler*innen richtiggehend inspiriert hat, ist der Materialmix mit dem sie arbeiten. Die Stoffe der Bekleidung etwa sind durchwegs nicht gemalt sondern aufgeklebt. Bei Cornelius Annor zB ist nicht nur die Bekleidung sondern sind auch die Wände bzw sonstige Hintergründe aus aufgeklebten Stoffen. Nicht irgendwelchen sondern eindeutig afrikanischen Stoffen.

Zu der Bedeutung der Portraitmalerei in Afrika,in Amerika, in Europa ließe sich viel sage, aber es geht hier ja nicht um Kunstkritik, es geht mir nur um Eindrücke.

Burundi – 72.Station meiner Literatur- und Kunstweltreise

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Ich wollte ein Buch über Burundi lesen. In diesem Buch geht es am Rande auch um Burundi, aber eigentlich auch wieder nicht, denn das Land wird nur als Ausgangspunkt für Betrachtungen über Diverses benützt.

Es könnte ein interessantes Buch sein, hätte es einen roten Faden und wäre es so geschrieben, dass man diesen roten Faden als Leser*in auch entdecken kann. Der Aufbau des Textes ist kaum durchschaubar, die Handlung zerhackt und die Sprache mühsam zu lesen. Ich fand es schwierig, mich zu motivieren immer wieder noch ein Stück weiter zu lesen.

Einige Stellen fand ich durchaus eindrucksvoll, etwa die Bilder von afrikanischen Flüchtlingscamps. Insgesamt war aber der Aufbau des Texts verwirrend und die Erzählung streckenweise langweilig. Ich habe nur bis etwa zur Hälfte und dann die letzten Seiten gelesen. Es könnte also sein, dass mir einiges entgangen ist. Ich habe die Gewohnheit ein Buch, das ich begonnen habe auch dann fertig zu lesen, wenn es mir nicht besonders gefällt. Bei diesem Buch hatte ich dazu einfach keine Motivation.

Die Protagonistin ist eine UNO-Angestellte, die abwechselnd in zeitlich schwer sortierbaren kurzen Abschnitten von ihrem Leben berichtet und über philosophische Fragen sinniert ohne zu klaren Aussagen zu kommen. Das zweite große Thema ist die UNO. Es hat mich sehr gestört, dass die Leserschaft nirgends darüber informiert wird, ob die Autorin die Kenntnisse und Erfahrungen über die sie verfügen muss um aus einer Insiderposition über die UNO zu schreiben überhaupt hat.

In die ohnehin schon beträchtliche Verwirrung ist auch noch eine Liebesgeschichte eingebaut, die ich recht verzichtbar finde, weil sie weder die Handlung voranbringt, noch inhaltlich etwas beiträgt. Die beteiligten drei Personen sind auch – zumindest in dem Teil des Buchs, den ich gelesen habe – kaum herausgearbeitet.

Über Burundi wollte ich lesen, aber leider weiß ich nach teilweiser Lektüre dieses Buchs nicht viel mehr als vorher.

69. Station meiner Literatur- und Kunstweltreise

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Kürzlich habe ich über meine Lektüre von „Die Schönheit der Differenz“ von Hadija Haruna-Oelker berichtet. KLICK. Einiges hat mir gefallen, anderes weniger. Durchgehend interessant fand ich aber die persönliche Geschichte der Autorin und ihr Verhältnis zum Heimatland ihres Vaters, Ghana. Nun ist dies kein Buch über Ghana, aber nachdem die Autorin mehrmals von ihrer Wurzelsuche in diesem Land spricht, erlaube ich mir „Die Schönheit der Differenz“ als Nummer 69 meiner Literaturreise hinzuzufügen.

68. Station meiner Literaturweltreise – Norwegen

ABKÜHLUNG

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Ich interessiere mich sehr für den „großen Norden“ wie die Franzosen sagen, habe vieles darüber gelesen und gesehen. An „Amundsens letzte Reise“ von Monica Kristensen konnte ich daher nicht vorbeigehen. Einmal ganz abgesehen davon, dass bei den derzeitigen Temperaturen das Lesen über Schnee und Eis gerade richtig kommt.

Die Autorin dieses Buchs aus dem btb-Verlag, Monica Kristensen, ist eine norwegische Glaziologin, Meteorologin und Schriftstellerin. Sie war die erste Frau, die eine Antarktisexpedition geleitet hat. Als Polarforscherin wurde sie 1989 mit der Founder’s Medal der Royal Geographical Society ausgezeichnet. Offenbar eine sehr vielseitige Frau, denn sie hat auch eine Krimireihe geschrieben, die in Svalbard spielt, einem Archipel zwischen dem Atlantischen und dem Arktischen Ozean.

Das Buch bewegt sich rund um das Jahr 1928. Die Vorgeschichte dazu:

„Die Zeiten der heroischen Expeditionen mit Fellkleidung, Hundegespannen und langen Jahren der Entbehrungen, Erfrierungen und Leiden waren vorüber. Roald Amundsen ergriff die Möglichkeiten, die sich ihm boten. 1925 führte er zusammen mit einer Mannschaft von fünf Teilnehmern, darunter auch Leif Dietrichson, einen Flug mit zwei Dornier Wal-Flugzeugen von Ny-Alesund auf Spitzbergen in den Norden durch. Das Ziel war der Nordpol: Sie landeten jedoch auf 88 Grad nördlicher Breite. Ein neuer Rekord, aber eben nicht der Pol selbst. 1926 erreichte Amundsen endlich sein persönliches Ziel. Auch dieses Mal war er der Erste. Das italienische Luftschiff „Norge“, gelenkt von dem Konstrukteur selbst, Umberto Nobile, erreichte am 12.Mai 1926 um 02.20 Uhr den Nordpol“ S.15

Nach dieser erfolgreichen Expedition trennten sich Amundsen und Nobile aber nicht im Frieden. Aus meiner Sicht war es ein Problem des Zusammenstosses von zwei überzeugten Alphamännern. Das schreibt allerdings nicht die Autorin, die eine große Bewunderin von Amundsen ist.

Am 23.Mai 1928 startete Nobile mit dem Luftschiff „Italia“ eine eigene Expedition zum Nordpol bei der auch die Inselgruppe östlich von Franz-Josef-Land kartografiert werden sollte. Damals hieß sie „Nikolaus-II-Land“, heute nennt man sie „Sewernaja Semlja“. Die „Italia“ kam am Nordpol an, umkreiste ihn zwei Stunden lang und setzte dort ein riesiges Kreuz und eine italienische Fahne ab. Beim Weiterflug wurden die Wetterbedingungen aber immer schwieriger, die letzte Funknachricht kam am Freitag, dem 25. Mai und schließlich stürzte das Luftschiff ab. Dabei sprangen einige der Expeditionsteilnehmer über dem Eis ab, einige wurden bei dem Absturz getötet und einige wurden mit dem Ballon des Flugzeugs mitgerissen.

Es wird nun die Suche nach den eventuellen Überlebenden dieses Absturzes insbesondere General Umberto Nobile selbst geschildert. Die Autorin hat bis in kleine Details recherchiert. Die zahlreichen Schiffe und Flugzeuge aus verschiedenen Ländern, Italien, Norwegen, Frankreich, Schweden, Finnland, Russland werden sowohl in ihren technischen Details als auch was die Besatzung betrifft, genau beschrieben. Für meine Begriffe etwas zu genau, denn die technische Beschreibung verschiedener Flugzeugtypen und die Aufzählung der Karriereschritte der Teilnehmer an diversen Expeditionen hat mich nicht so interessiert. Das kann man aber natürlich dem Buch nicht vorwerfen.

Sehr spannend dagegen fand ich, wie die vielen beteiligten Nationen mehr oder weniger diplomatisch miteinander umgingen und wie wichtig die Nationalität der Polarforscher genommen wurde. Es war alles nicht ganz einfach, weil die Besatzung nicht unbedingt aus demselben Land kam in dem die Flugzeuge und Schiffe gebaut worden waren und auch die Rechte der Verwaltung mancher Gebiete nicht restlos geklärt war.

Amundsen wollte sich aus Motivationen, die wir wohl nicht mehr erfahren werden unbedingt an der Suche nach Nobile beteiligen und nachdem ihn weder die norwegische noch die italienische Regierung mit der Organisation einer Expedition betraute, rüstete er auf eigene Faust eine private Rettungsexpedition aus und weihte auch niemanden in seine genauen Pläne ein. Dies wurde ihm zum Verhängnis, denn auch sein Luftschiff stürzte ab und er selbst und die Teilnehmer seiner Expedition konnten im Gegensatz zu Nobiles Expedition nicht mehr gefunden werden.

„Amundsens letzte Reise“ ist auch nicht als reines Sachbuch konzipiert. Die Autorin hat auch Passagen mit Beschreibungen des Überlebens der Nobile-Expedition, wobei sie darauf verweist, dass auch diese Schilderungen alle auf Fakten beruhen. Ziemlich schaurig ist die Beschreibung des Auffindens von zwei von drei Männern, die sich von Nobiles Zeltlager entfernt hatten und versuchten zu Fuß Land zu erreichen (Nobiles Zeltlager befand sich auf einer driftenden und immer weiter schmelzenden Eisscholle) Einer der ursprünglich drei Männer war unterwegs verstorben, von den beiden übrig gebliebenen war einer fast verhungert und fast nackt, während der andere gut genährt und mit beinahe allen vorhandenen Kleidungsstücken aufgefunden wurde.

Mich hat die Schilderung eines russischen Eisbrechers besonders beeindruckt, die gewaltigen Mengen an Kohle, die so ein Schiff verbrauchte und die enorme Umweltverschmutzung, die dadurch entstand aber auch die Kraft dieser Schiffe, die beim Einsatz der vollen Kraft der Maschinen das Eis buchstäblich brechen konnten. Letztlich – nach vielen Flügen und Schifffahrten war es so ein Eisbrecher, der die Überlebenden von Nobiles Zeltlager an Bord nahm, ebenso wie die beiden verbliebenen italienischen Offiziere, die sich zu Fuß aufgemacht hatten. Jene Männer der Nobile-Expedition, die mit dem Ballon weggerissen worden waren, konnten nicht gefunden werden, ebenso wenig wie Amundsen und die französische Besatzung seines ebenfalls französischen Luftschiffs.

Ein letztes Detail oder Indiz in dieser gewaltigen Suchaktion hebt die Autorin für das Ende des Buchs auf. Es lässt aufhorchen, Theorien wurden erstellt, aber trotz etlicher Indizien konnten keine Gewissheiten gefunden werden.

Nach Überblättern von für mich nicht so interessanten technischen Details und biografischen Anmerkungen zu sehr vielen Teilnehmern verschiedener (Such)Expeditionen fand ich das Buch spannend, informativ und sehr geeignet während einer Hitzewelle gelesen zu werden

Literarische Weltreise – Station 66 – Schottland

Ich habe Schottland zum eigenen Staat erhoben, was er vielleicht irgendwann auch wird. Tatsächlich spielt dieser Roman nicht auf dem schottischen Festland sondern auf den Shetland-Inseln

Hier ist meine Literaturweltreise zu finden

Wieder ein Glücksgriff aus dem Luchterhand Verlag, schon der dritte.

„Das Tal in der Mitte der Welt“ ist ein fließendes Buch. Es fließt im Rhythmus des Lebens in einem kleinen Tal auf den Shetland-Inseln. Der Roman beginnt an einem Tag, an dem eigentlich nichts besonderes passiert und endet mitten an einem Tag, an dem sich einiges verändern könnte. Ob dies aber geschieht, bleibt offen. Die Lebensgefährtin eines der Bewohner des Tals ist aufs Festland gezogen, am letzten Tag der Handlung kommt sie zurück, ob es allerdings bei einem Besuch bleibt, erfahren wir nicht.

Der ganze Roman ist so erzählt als würde man eine Kamera und einen Scheinwerfer auf einzelne Szenen richten und wieder ausschalten. Die Geschichte läuft immer weiter, kann aber von Lesern/Zusehern nicht immer beobachtet werden und bricht schließlich einfach ab.

Es gibt nur fünf Häuser und sechs bis acht Bewohner in diesem Tal in der Mitte der Welt. Für einige ist das Leben hart und monoton, andere haben sich bewusst zurückgezogen aus ihren vorherigen Lebensumständen.

Alice, zum Beispiel, eine sehr erfolgreiche Kriminalschriftstellerin hat sich nach dem dem Tod ihres Mannes ins Tal zurückgezogen und schreibt an einer völlig anderen Art von Buch. David wiederum hat sein ganzes Leben im Tal verbracht ohne jemals anderswohin gehen zu wollen. Der alkoholkranke Terry ist vor sich selbst und seiner Verantwortung auf der Flucht …

Im Tal geschieht einiges in der beschriebenen Zeitspanne von ungefähr einem Jahr, ein Tod, ein Brand, Umwälzungen im inneren und äußeren Leben der Bewohner. Doch der Autor behält seinen behäbigen, unaufgeregten Rhythmus bei. Malachy Tallack setzt in seinem Debütroman nicht auf Spannung dafür geht die Schilderung einiger seiner Personen in die Tiefe.

„Zu der Zeit dachte er, er wisse, wer er sei, wisse was für ein Leben er führen wolle. Freiheit war die Abwesenheit von Drama, von Angst. Er hatte in seiner Kindheit genug davon gehabt, wollte es nicht mehr . Also machte er sich unempfindlich für die zerstückelte Welt. Er machte sich fest und ganz. Oder zumindest glaubte er das.
Emma stellte diesen Gedanken in Frage. Sie war der erste Mensch, bei dem er je den Wunsch – das Bedürfnis – gehabt hatte, ein paar der Schutzschichten um sich herum abzuschälen“ S 122


Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und für mich hätte es noch ein paar hundert Seiten auf dem Lebensweg der Talbewohner weiter fließen und plätschern können.

62. Beitrag zu meiner Literatur-Weltreise – Irland

Nein, es geht hier weder um Dinosaurier noch um andere Planeten. Es geht um Menschen, die aus den verschiedensten Gründen nicht in die Schubladen des Durchschnittlichen passen, die sich und die Welt als fremdartig empfinden können.

Danielle McLaughlins Kurzgeschichten „Dinosaurs on Other Planets“ kamen als ihr Debütwerk 2015 heraus, ihr Erstlingsroman „The Art of Falling“ 2021 bei Random House. . Die deutsche Übersetzung stammt von Silvia Morawetz und ist im Luchterhand Verlag, der ebenfalls zur Random House Gruppe gehört, erschienen.

ihr Erstlingsroman „The Art of Falling“ 2021 bei Random House. Die irische Autorin begann erst mit vierzig Jahren zu schreiben, gewann aber bald mehrere angesehene Literaturpreise, darunter etwa den Windham-Campbell Preis. Sie lebt mit Mann und drei Kindern in Irland, wo ihre Kurzgeschichten auch spielen.

Was mir an diesen Kurzgeschichten besonders gefallen hat, ist, dass man als Leser*in mitten in die Geschichten hinein steigt. Weder die Personen noch die Vorgeschichte werden in mehr als ein paar Sätzen vorgestellt. Man ist plötzlich mitten in der Geschichte, lebt eine Weile mit und steigt dann wieder aus. So als würde man jemanden kennen lernen, eine Zeit an seinem Leben teilnehmen und sich dann wieder trennen.

Die Texte der Autorin sprechen mich sehr an: ihre fantasievollen Metaphern, ihre Kunst in wenigen Worten eine Atmosphäre zu schaffen. Ihre Kurzgeschichten sind äußerst originell ohne dass der Eindruck entsteht, sie hätte sich den Kopf zerbrochen um noch eine ungewöhnlichere Person oder Story zu erfinden.

Ein rundes Leseerlebnis und eine äußerst vielversprechende Autorin, die ich auf jeden Fall verfolgen werde.

59. Station der Literaturweltreise – Äthiopien

Meine Literatur- und Kunstweltreise
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Francesca Melandri ist eine 1964 in Rom geborene italienische Schriftstellerin. Die deutsche Übersetzung ihres Romans „sangue giusto“ der 2017 bei Rizzoli Libri in Mailand erschienen ist, wurde unter dem Titel „Alle außer mir“ bei btb in einer Übersetzung von Esther Hansen herausgegeben.

Es beginnt damit, dass vor der Tür von Ilaria Profeti, einer römischen Lehrerin in den 40ern ein junger Äthiopier steht. Er hat sich von Addis Abeba durch die Sahara, die Internierungslager Libyens, übers Mittelmeer, die Inseln Lampedusa und Sizilien bis nach Rom durchgeschlagen und ist der Enkel ihres Vaters, also ihr Neffe.

Mit diesem Paukenschlag beginnt der Roman, eine italienische Familiengeschichte, die vier Generationen der Familie Profeti umfasst. Die Erzählung beginnt im Sommer 2010, im Italien Berlusconis und spannt eine Brücke zu Italiens unaufgearbeiteter Faschismus- und Kolonialgeschichte.

Die zentrale Figur der Familiensaga, Attilio Profeti, ist zu Beginn der Erzählung 95 und ziemlich senil weshalb er von seinen Kindern über sein Leben nicht mehr befragt werden kann. Attilio Profeti war ein italienischer Lebemann der alten Schule und hat es mit allerlei mehr oder weniger krummen Geschäften zu Wohlstand gebracht. Als junges Mädchen erfuhr seine Tochter Ilaria, dass es neben ihren beiden älteren Brüdern noch einen deutlich jüngeren Halbbruder aus einer Parallelbeziehung des Vaters in Rom gibt. Dass der alte Herr aber als junger Mann in Äthiopien 1940 auch einen Sohn mit einer Afrikanerin zeugte, ist ihr neu. Der Sohn dieses Sohnes, steht nun vor ihrer Tür.

Die italienische Kolonialgeschichte, über die hier berichtet wird, ist um nichts weniger grausam und mörderisch als andere europäische Kolonialgeschichten. Der Faschismus unter Mussolini hatte auch eine starke rassistische Komponente, die das Regime in Nord- und Ostafrika prägte. Von ihren Kolonien Eritrea und Somalia aus marschierten die Italiener in Äthiopien (Abessinien) ein. Um den Widerstand der Abessinier zu brechen, setzen sie Senfgas ein. Tausende und abertausende Äthiopier werden während der nur fünfjährigen italienischen Herrschaft getötet.

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Die Doppelmoral des italienischen Kolonialismus propagiert strengste Apartheid, tatsächlich zeugten italienische Soldaten, Siedler und Schwarzhemden eifrig Kinder mit einheimischen Frauen. Mehr noch: in den Bordellen Italiens wurden Bilder nackter Äthiopierinnen aufgehängt, um die jungen Männer für den Einsatz in den Kolonien zu motivieren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte in Italien niemand etwas von den kolonialen Schandtaten wissen, ebenso wenig wie von den Massakern, die Mussolinis Truppen in Griechenland, Kroatien oder Slowenien verübt hatten. «Die zwei blutigen Jahre der deutschen Besatzung hatten es möglich gemacht, dass eine Mehrheit der Italiener sich in einer der beiden Hauptpersonen des nationalen Bilderreigens wiederfand, entweder in dem wehrlosen Opfer oder in dem Partisanen, dem Helden des Widerstands», schreibt Melandri.

Melandri springt geschickt zwischen Gegenwart und Vergangenheiten, nur gegen Ende wird sie vielleicht etwas zu weitschweifig. Nach den Gräueln der Kolonialgeschichte und der Korruption unter Berlusconi war mir die zuletzt folgende Lebensgeschichte von Ernani Profeti, Attilios Vater, der als Bahnhofsvorsteher mit geschmeidigem Opportunismus durch den ersten Weltkrieg kommt, etwas zuviel.

Was mir gefehlt hat, war der Blick der afrikanischen Frauen auf das Geschehen. Sie werden von außen betrachtet und kommen eigentlich nicht selbst zu Wort.

Insgesamt ein höchst lesenswertes Buch über ein nicht nur italienisches, sondern auch europäisches Thema. Allerdings ist es nicht einfach diese vier Generationen Geschichte quer durch Kriege, Massaker und Elend des zwanzigsten Jahrhunderts in einem durchzustehen. Für mich war die Geschichte thematisch ein wenig überfrachtet: zwei Weltkriege, die italienische Kolonialgeschichte, der Faschismus, der Rassismus, das komplizierte Privatleben Attilio Profetis mit seinen vier Kindern von drei Müttern in zwei Kontinenten, das schwierige Privatleben Ilarias, die mit einem Abgeordneten der Berlusconi-Partei liiert ist mit dem sie weltanschaulich kaum etwas verbindet, die Flüchtlingsthematik … Es ist ein bissl viel in einem Roman auch wenn er 600 Seiten hat.