Bei Christiane
Die Wörter sind diesmal von Werner Kastens
3 vorgegebene Wörter (siehe unten) in einen Text von 300 Wörtern unterbringen
„Dichterlesung“ hat bei mir eine alte Geschichte aus dem Fundus geholt. Die Protagonistin ist meine Kindergartenfreundin Sylvia (der Name ist das einzig Erfundene an der Geschichte), bekennende und praktizierende Exhibitionistin. In ihrem Wohnzimmer hängen Fotos von ihr in passenden Posen. „Nackte Leiche im Wald“. „Nackt auf dem Motorrad“ „Nackt mit Strapsen das eigene Wohnzimmer betretend“ usw
Die Gedichte vom X (italienischer Lyriker) bewundere ich schon lange und die Gelegenheit, dass er in Wien liest, wollte ich mir nicht entgehen lassen“
„Und, hat es dir gefallen?“
„Wie soll ich sagen? Ich erzähl dir, wie es war. Ich habe doch diesen Pelzmantel, Erbstück von meiner Großmutter und immer schon wollte ich nackt unter dem Pelzmantel durch die Kärntnerstraße gehen. Diese Lesung war eine gute Gelegenheit dafür. Das Stolzieren durch die Kärntnerstraße war zwar ein ziemlicher Umweg, aber ein umwerfendes Gefühl, das seidige Futter auf der Haut und gleichzeitig mit der Hand in den Pelz greifen, hunderte Leute rundherum.
Ich hab´ Wochen vorher den Platz in der ersten Reihe leicht schräg gegenüber dem Dichter ergattert. Genügsam und unsichtbar in der letzten Reihe zu sitzen ist nicht meins. Ich konnte lasziv die Beine übereinander schlagen und dabei den Mantel wie absichtslos leicht hinuntergleiten lassen. Davor hatte ich mich geräuspert damit er auch im richtigen Moment herschaut. Er hat hergeschaut, die Augen hat er leicht aufgerissen und ein Wort überlesen. Sonst habe ich nicht so genau zugehört, seine Gedichte kenne ich eh und das Gefühl nackt im Pelzmantel hat alles andere überlagert.
Mit einem Exemplar seines neuen Gedichtbands habe ich mich zum Signieren angestellt. Eine lange Schlange. Wenn ich mit einer plötzlichen Bewegung den Mantel … Du kannst ja leider nicht nachvollziehen, wie sich das angefühlt hätte. „Für ein anonymes Erlebnis“ habe ich ihn gebeten hineinzuschreiben. Was für ein Blick, was konnte man nicht alles hineindeuten! In dem Buch stand schon „im Café gegenüber des Ausgangs“. Er hatte durchaus die Chance nicht zu kommen.
Natürlich kam er und wir haben uns gegenseitig in sein Hotelzimmer abgeschleppt.“
„Und wie war´s dort?“
„Mittelprächtig, aber als Beginn einer neuen Serie ganz vielversprechend. Ich bin nicht auf das Verkuppeln durch andere angewiesen und gehe ohnehin gerne zu Dichterlesungen.
300 Wörter