Kategorie: ABC-Etüden

Pelzmantel und Gedichte – ABC-Etüden

Bei Christiane
Die Wörter sind diesmal von Werner Kastens
3 vorgegebene Wörter (siehe unten) in einen Text von 300 Wörtern unterbringen

„Dichterlesung“ hat bei mir eine alte Geschichte aus dem Fundus geholt. Die Protagonistin ist meine Kindergartenfreundin Sylvia (der Name ist das einzig Erfundene an der Geschichte), bekennende und praktizierende Exhibitionistin. In ihrem Wohnzimmer hängen Fotos von ihr in passenden Posen. „Nackte Leiche im Wald“. „Nackt auf dem Motorrad“ „Nackt mit Strapsen das eigene Wohnzimmer betretend“ usw

Die Gedichte vom X (italienischer Lyriker) bewundere ich schon lange und die Gelegenheit, dass er in Wien liest, wollte ich mir nicht entgehen lassen“

„Und, hat es dir gefallen?“

Wie soll ich sagen? Ich erzähl dir, wie es war. Ich habe doch diesen Pelzmantel, Erbstück von meiner Großmutter und immer schon wollte ich nackt unter dem Pelzmantel durch die Kärntnerstraße gehen. Diese Lesung war eine gute Gelegenheit dafür. Das Stolzieren durch die Kärntnerstraße war zwar ein ziemlicher Umweg, aber ein umwerfendes Gefühl, das seidige Futter auf der Haut und gleichzeitig mit der Hand in den Pelz greifen, hunderte Leute rundherum.

Ich hab´ Wochen vorher den Platz in der ersten Reihe leicht schräg gegenüber dem Dichter ergattert. Genügsam und unsichtbar in der letzten Reihe zu sitzen ist nicht meins. Ich konnte lasziv die Beine übereinander schlagen und dabei den Mantel wie absichtslos leicht hinuntergleiten lassen. Davor hatte ich mich geräuspert damit er auch im richtigen Moment herschaut. Er hat hergeschaut, die Augen hat er leicht aufgerissen und ein Wort überlesen. Sonst habe ich nicht so genau zugehört, seine Gedichte kenne ich eh und das Gefühl nackt im Pelzmantel hat alles andere überlagert.

Mit einem Exemplar seines neuen Gedichtbands habe ich mich zum Signieren angestellt. Eine lange Schlange. Wenn ich mit einer plötzlichen Bewegung den Mantel … Du kannst ja leider nicht nachvollziehen, wie sich das angefühlt hätte. „Für ein anonymes Erlebnis“ habe ich ihn gebeten hineinzuschreiben. Was für ein Blick, was konnte man nicht alles hineindeuten! In dem Buch stand schon „im Café gegenüber des Ausgangs“. Er hatte durchaus die Chance nicht zu kommen.

Natürlich kam er und wir haben uns gegenseitig in sein Hotelzimmer abgeschleppt.“

„Und wie war´s dort?“

„Mittelprächtig, aber als Beginn einer neuen Serie ganz vielversprechend. Ich bin nicht auf das Verkuppeln durch andere angewiesen und gehe ohnehin gerne zu Dichterlesungen.

300 Wörter

Einer zuviel – ABC-Etüde

Bei Christiane
Die Wörter sind diesmal von mir
3 vorgegebene Wörter (siehe unten) in einen Text von 300 Wörtern unterbringen

“ Es reicht, Schnitt, Schnitt, Schnitt !!“ schimpfte er vor sich hin, als er wieder im Flughafenbus saß. Es war wohl etwas zu laut, denn die anderen Passagiere musterten ihn teils interessiert, teils indigniert. Diese indiskreten Blick gab es in London einfach nie und so schimpfte er auch noch auf das Land, in das er geflogen war wegen seiner Mutter und wegen der blödsinnigen Idee einer Beichte nach ihrem Tod.

Der Notar beherrschte die Kunst der dramatischen Inszenierung: die Akte, die vor ihm lag, war rot. Unpassender wäre es kaum gegangen. Obwohl, in Anbetracht des Inhalts konnte man die Farbe doch ganz passend finden, blutrot wie bei frischen Verletzungen. „Wie Sie wissen, sind sie Alleinerbe“ sagte der Notar “ zu den Vermögenswerten kommen wir gleich. Ihre Mutter legte Wert darauf, dass sie zu allererst diesen Brief lesen, bevor wir über das Erbe sprechen.“

Nichtsahnend nahm er den Brief. Die Stichworte sprangen ihm entgegen. Zehn Jahre lang Leihmutter gewesen – Geld gut angelegt – Vermögen, von dem wir gelebt haben. Wie hätte ich mich entscheiden sollen? Ihr wart Zwillinge, die Auftraggeber wollten nur ein Baby, ich habe dich behalten. Er hörte die kühle Stimme seiner Mutter, die die Apokalypse sachlich zusammenfasste und nahm, wie betäubt, den Zettel entgegen auf dem ein Name und eine Adresse standen.

Das Treffen war ein Fiasko gewesen. Einer Kopie von sich selbst gegenüber zu stehen, der man aber nichts zu sagen hatte. Das genau gleiche Gesicht, Kleidung nach dem eigenen Geschmack. Ähnliche Eckdaten des bisherigen Lebens. Erschütternd genug. Von dem angeblich vorhandenen emotionalen Band zwischen Zwillingen keine Spur. Er wollte nur so schnell wie möglich wieder weg.

Sein Smartphone brummte, er hatte eine Nachricht bekommen, von dem anderen „Wollen wir die kleine Tür in der Mauer offen lassen?“ Eine neuerliche Achterbahn der Gefühle, in die andere Richtung. Er musste darüber nachdenken.

(300 Wörter)

Der Fluchtsieger – ABC-Etüden

Wie immer bei Christiane
Drei Begriffe (siehe oben) sollen in einen Text von 300 Wörtern verpackt werden
Die Wörter stammen diesmal vo
m Etüdenerfinder

Heiß war es in dem Gebirgsdorf und staubig. Es war Markttag aber die Stände waren halbleer, es gab kaum etwas zu kaufen. Geld hatten ohnehin nur jene, die ihre Kinder verkauft hatten. Alle wussten davon, aber es wurde nicht darüber gesprochen. In den letzten Tagen ging das Gerücht, dass Talibankämpfer unterwegs waren. Sollten sie die Mohnfelder niederbrennen oder abernten, war das Dorf verloren, dann konnten sich alle genauso gut gleich zum Sterben hinlegen.

Der Rat der Alten hatte einen Entschluss gefasst. Das Dorf würde das letzte Geld zusammenkratzen und einen jungen Mann nach Europa schicken. Die Alten hatten unter ihren Söhnen und Enkeln einen ausgewählt, der viel jünger aussah als er war und viel schlauer und zäher war als er aussah.

Als er erfuhr, dass er der Auserwählte war, freute er sich. Er würde die Einladung annehmen und es bis in das wunderbare Land schaffen, wo ihn ein Haus und ein Auto erwarteten und so viele Frauen wie im Paradies.

Tagelang hatte er nichts gegessen. Ein paar Tage lang hatte der Schlepper ihn und eine größere Gruppe Männer in einem Stall in der Nähe von Istambul untergebracht und immerhin minimal verpflegt dann war er verschwunden. Er hatte es wohl satt so viele durchzufüttern.

Überlebt.Viel hatte er unterwegs gesehen, viel hatte er in dem Land gesehen, das sein Ziel gewesen war nur nicht sein eigenes Haus und Auto und die vielen halbnackten Frauen gab es wohl, aber man sollte sie nicht anrühren. Er war unterwegs mit einem Freund, auf der Suche nach seinem Traumauto. Wenn sie eines sahen, würde der Freund ihn davor fotografieren und das Foto an den vertrauenswürdigen Verbindungsmann schicken, der auch das Geld für das Dorf erhalten sollte, dass er irgendwann überweisen würde. Vorläufig wusste zuhause niemand, dass er nicht der Fluchtsieger war für den er sich ausgab.

300 Wörter

ABC – Auch der Nepotismus hat seine Stolpersteine

Wie immer bei Christiane
Drei Begriffe (siehe oben) sollen in einen Text von 300 Wörtern verpackt werden
Die Wörter stammen diesmal von Ulrike (Blaupause)

Ärgerlicherweise werden beim Schreiben direkt auf dem Blog keine Wörter mehr gezählt. Dreihundert Wörer einzeln zu zählen, war mir zu blöd, so habe ich auf Word geschrieben und mir dadurch eine komplizierte Formatierung eingehandelt, die nicht so wirklich gelungen ist. In diesem Zusammengang zum Glück ändert sich auf WP ja immer wieder etwas und so wird das Wortzählen schon wieder auftauchen.

 

Leo war – ganz objektiv betrachtet – ein sehr attraktiver Mann und immer schon überzeugt, ein begnadeter Schauspieler zu sein, dem das Publikum zu Füßen liegen würde. Die Aufnahmsprüfung in eine Schauspielschule schaffte er zwar nicht, wurde aber dennoch in das Ensemble eines renommierten Theaters aufgenommen.

Dass der Theaterdirektor ein alter Freund seines Onkels war, verdrängte er sofort erfolgreich ebenso wie die halbherzige Begrüßung durch seine zukünftigen Kollegen am Theater.

Endlich sollte er nun belohnt werden für zwei Jahre dritte Besetzung ohne einen einzigen Auftritt. Den Romeo sollte er spielen, den Romeo! Den besten Romeo aller Zeiten würde er geben!

Dann die erste Probe. Auch beim besten Willen und mit sehr viel Nachsicht war sie einfach eine Katastrophe, ein absolutes Fiasko. Das Schlimmste daran die mitleidigen Blicke der Kollegen. Sie dachten wohl alle, dass sie es ja immer gewusst hätten. Schwalbe“ statt „Lerche“ war nicht einmal ein Detail am Rande.

Zunächst tröstete er sich damit, dass er den Text eben noch nicht gut genug beherrschte. Aber zwei Jahre Zusehen von hinter den Kulissen und bei den Proben der anderen hatten ihm gezeigt, was er nicht wahrhaben wollte: hölzerne, unglaubwürdige Bewegungen und Gesten, seine Textstellen klangen entweder heruntergeleiert oder übertrieben pathetisch rezitiert. Empört hatte er sich damals bei der Aufnahmsprüfung gezeigt über genau diese Beurteilungen. Vielleicht hatten sie doch recht gehabt?

Da kam ihm plötzlich die Erkenntnis: Theater war völlig überholt, der Film wartete auf ihn und er hatte es nicht gesehen! Seiner glänzenden Karriere, seinem  Durchbruch zu Reichtum und Ruhm stand nichts mehr im Weg.

Als er die Kündigung erhielt, lächelte der Theaterdirektor erleichtert. Er war gar nicht sicher gewesen, ob sein Plan funktionieren würde. Doch nun konnte er seinem alten Freund versichern, dass sein Neffe von sich aus gekündigt hatte, obwohl ihm die Rolle des Romeo zugedacht gewesen war.

(300 Wörter)

Wie Engel vom Regen in die Traufe kamen und was Napoleon damit zu tun hatte – ABC Etüde

Wie immer bei Christiane
Drei Begriffe (siehe oben) sollen in einen Text von 300 Wörtern verpackt werden
Die Wörter stammen diesmal von Monika

Und Grüße von Attila an Christiane

In den Bereichen des ewigen Lebens gab es aktuell ebenso wie auf Erden einige Probleme bei der Rekrutierung von Mitarbeitern.

Attila, der Hunnenkönig, auch als Etzel bekannt, ritt durch eine Steppe im Jenseits um seinem Lieblingspferd Bewegung zu verschaffen. Plötzlich sah er einen bizarren Gegenstand auf seinem Weg liegen und stieg ab um ihn zu begutachten. Eine Art Tisch war das, auf dem bunte Kugeln lagen und in den Ecken des Tischs gab es Löcher, in die die Kugeln verschwinden konnten.

Faszinierend dieses Möbelstück! Die eine Kugel könnte zum Beispiel für das oströmische Reich stehen, das er kurz in der Versenkung verschwinden ließ um mit den Weströmern ungestört zu verhandeln. Die rote Kugel könnte für die Gallier stehen, die sich als so schwierig zu erobern erwiesen hatten. Aha, und da lag noch ein Stock auf dem Tisch mit dem man die einzelnen Völker gegeneinander aufbringen und verschieben konnte. Die Gallier könnte er mit den Weströmern beschäftigen während er Italien besuchte. Mit einem eleganten Stoß könnten da Kugeln aneinander vorbei gebracht werden ohne dass sie zusammen stießen. oder aber im Gegenteil zum Zusammenstoßen gebracht werden. Konzentriert umkreiste Attila den Billardtisch. Die perfekte Methode zum dynamischen Gestalten von Eroberungsfeldzügen.

„Jaaaaaa“ rief Petrus und hieb auf den Tisch im Zentralregieraum „ja, den haben wir. Billard wird ihn ein paar hundert Jahre lang beschäftigen. “ Der neben ihm stehende Engel aus einer der Kompagnien, die Attilas diverse Verbündete und Feinde darstellen mussten, sah erleichtert aus. „Euch alle versetze ich zu Napoleon“ sagte Petrus, der hat auch einen enormen Bedarf an Statisten.“ „Und wo bitte soll da die Verbesserung sein“ beschwerte sich der Engel. Aber es half nichts, Petrus war der Chef.

300 Wörter

Das Lied der Regentonne – ABC-Etüde

Wie immer bei Christiane
Drei Begriffe (siehe unten) sollen in einen Text von 300 Wörtern verpackt werden

Die Wörter stammen diesmal von Nellindreams

Mein zweiter Beitrag zu diesem Durchgang

Das Eichenholz habe ich vom samstäglichen Treffen mit dem Tischler mitgenommen und „das Lied“ stammt vom Titel eines Buchs, das ich gerade ausgelesen habe. Immer interessant, wie sich Brocken und Assoziationen aus verschiedenen Ecken zusammenfinden

Endlich ist meine Regentonne angekommen, lange genug habe ich gewartet. Sie ist perfekt: Eichenholz, jahrelang abgelagert, glatt fügen sich die Dauben aneinander, auch die Metallringe haben keine Spitzen und Kanten, an denen man sich verletzen könnte. Man kann sie streicheln als wäre sie mit Seide überzogen. Zur Eingewöhnung fülle ich sie mit dem Gartenschlauch und freue mich, dass sich lustige, kleine Wellen auf der Oberfläche bilden.

Schon das ganz junge Fass war etwas Besonderes, es wurde von Georg Binder gebaut, der weit und breit bekannt war für seine Fässer zu Zeiten als sie noch händisch gemacht wurden. Kräftig und sensibel waren die Hände dieses Handwerkers und herausragend die Produkte, die er fertigte.

Zunächst wurde das junge Fass nach Spanien geschickt und begann dort seine Lehrjahre als Sherryfass. Es war erst recht zufrieden und mochte die Umgebung und den Sherry. Mit der Zeit wurde er ihm aber zu süß, alle seine Poren waren von Sherry verklebt und bei der großen Hitze, die in Jerez herrschte, wurde ihm dies zusehends unangenehm.

Das Fass musste aber ein paar Jahre in Südspanien ausharren, bis es Zeit wurde nach Schottland zu übersiedeln, in eine große Whisky-Destillerie, wo es nun ein Eichenfass unter vielen war, vollgesogen mit Sherry, in Erwartung seiner neuen Aufgabe, den Reifeprozess des Whiskys zu leiten. Während der langen Reifezeiten die der Whisky benötigt, lagen die edlen Holzfässer herum und langweilten sich ziemlich.

Auf vielen Umwegen gelangte die Regentonne von Schottland aus in meinen Garten, wo sie wieder eine völlig neue und spannende Funktion übernimmt. Nach dem vielen Alkohol ist ihr das Wasser wohl ganz recht. So ganz eingearbeitet ist sie allerdings noch nicht in ihre alkoholfreie neue Betätigung. Oft sehe ich Vögel aus der Tonne trinken und dann auf ihrem Rand tänzerisch schwanken, was die heranschleichende Katze höchst attraktiv findet.

300 Wörter

Ungarisch in Wien – ABC-Etüde

Wie immer bei Christiane
Drei Begriffe (siehe unten) sollen in einen Text von 300 Wörtern verpackt werden

Die Wörter stammen diesmal von Nellindreams

Es ist keine Geschichte geworden, schon gar keine spannende, eher so eine Art Tagebucheintrag oder Kalendernotiz. Die Wörter waren so leicht unterzubringen, dass ich dachte, dass eine Etüde auch einmal so aussehen kann. Die Regentonne finde ich höchst inspirierend und so kommt nächste Woche vielleicht noch eine zweite Etüde dazu.

Heute hat der zweite Teil meines Ungarisch-Intensiv-Sommerkurses begonnen. Von Sommer ist allerdings nicht mehr die Rede, es ist kalt und regnet seit Tagen immer wieder. Als absoluten Regenfreak freut mich das und ich habe in den letzten Tagen in Wien und in Zell am See wunderbare Spaziergänge gemacht. Verregnete Enten und Schwäne habe ich besucht, in jede Regentonne habe ich hineingeschaut, ob sie bald überfließen wird und zurück in Wien bin ich im Kaffeehaus gesessen und habe die Regenschauer genossen.

Eines habe ich nicht gemacht: ungarisch geübt, obwohl ich doch wusste, dass der erste Teil des Intensivkurses seinem Namen alle Ehre gemacht hat und sehr intensiv war und somit die Wahrscheinlichkeit, dass der zweite genauso sein würde sehr groß war.

Ich habe hin und her überlegt, ob ich hingehen soll, schließlich fangen die regulären, einmal in der Woche stattfindenden Kurse ohnehin nächste Woche an. Muss ich da vorher noch einen Intensivkurs machen? Ja, will ich, habe ich beschlossen und warf mir Feigheit vor. Dabei wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, wie der Kurs zusammengesetzt sein würde. Theoretisch: Anfänger zweiter Teil.

Die Gruppe besteht aus fünf Männern, einer Kursleiterin und mir. Einer davon lebt seit Jahren in Sopron und spricht fließend, die vier anderen leben mit Ungarinnen und haben teilweise zweisprachig aufwachsende Kinder. Was, so frage ich mich, haben diese Herren in einem Fast-Anfänger-Kurs verloren?

In der ersten halben Stunde schwankte ich zwischen sofort verschwinden und morgen nicht wiederkommen. Aber glücklicherweise ist mein Selbstbewußtsein beim Sprachenlernen groß und solid und ich habe die sehr nette Lehrerin heftig in Beschlag genommen. Sie hat die Situation sehr sensibel gemanagt und im Laufe der vier Stunden ging es immer besser. Etliche verschüttete Vokabel und Grammatikpunkte sind aus dem Untergrund aufgetaucht und letzten Endes war ich recht zufrieden.

Und morgen geht´s weiter.

300 Wörter

Dekadenz -ABC-Etüden

Wie immer bei Christiane
Drei Begriffe (siehe unten) sollen in einen Text von 300 Wörtern verpackt werden

Seit meine jüngste Schwester Bett und Bad des Statthalters teilt und ihre Geschwister nicht vergessen hat, weiß auch ich, wie wichtig Federn bei einem Bankett sind. Der Statthalter bemüht sich die Gebräuche am römischen Kaiserhof zu imitieren und große Orgien auszurichten. Dazu gehört neben Ausschweifungen jeder Art, dass die Gäste sich immer wieder von ihren Liegen hochhieven, mit Hilfe von Federn Brechreiz erzeugen und so in ihren überdehnten Mägen wieder Platz für weitere Gerichte schaffen.

Mir liegt nicht allzuviel am Essen, das der Statthalter schätzt, fetttriefend und zu stark gewürzt ist es und der Wein fließt in so großen Mengen, dass die meisten Anwesenden selten noch einen klaren Gedanken fassen können. Ebenso ist es mit dem Gastgeber selbst, der auch in nüchternem Zustand keine großen geistigen Leistungen vollbringt. Seine Talente lägen anderswo sagt meine Schwester, aber sie klingt nicht sehr überzeugend.

Gerade erschrak ich heftig, denn neben dem Statthalter räkelt sich genüßlich ein Mädchen, das ganz bestimmt nicht meine Schwester ist. Sie ist etwa im Alter der Enkel des Statthalters und vor kurzem an seinem Amtssitz erschienen; eine laszive Schönheit, die aus ihren vielen ebenso hübschen und anschmiegsamen Konkurrentinnen herausragt, weil sie eine gewisse Bildung besitzt. Sie buchstabiert sich leidlich durch die Korrespondenz des Statthalters und rechnet auch sehr erfolgreich. Bis jetzt konnte meine Schwester sie in Schach halten, doch wir sind alle sehr besorgt, mit der Gunst des Statthalters steht und fällt unser gutes Leben.

Wir haben schon Vorbereitungen getroffen für den Fall, dass ein schneller Rückzug notwendig würde. Pferde und gut gefüllte Satteltaschen für uns drei. Und während ich überlege, ob wir noch warten sollen, sehe ich meinen Bruder am Nebeneingang in den Saal stehen und mir eindeutige Zeichen machen. Es ist Zeit für uns zu verschwinden. Wir haben ja alle drei genug zurückgelegt bis zum nächsten Abenteuer.

300 Wörter

Milonga im Hochhaus – Sommeretüde und Impulswerkstatt

Flohzirkus Flughafen Herrgottsfrühe Kulleraugen Milonga Regionalbahn Schatten Sommerpause Tischtuch Ukraine Wasserrationierung Wasserratte
„Wie wenig wir einander kennen“

Es sind 10 aus 12 geworden, weder den Flohzirkus noch die Wasserrationierung habe ich untergebracht. Der Flohzirkus hätte eventuell zum Kinderfest gepasst und die Wasserrationierung zur Ukraine, aber zu meinem Text haben sie halt nicht gepasst. Die Schleife, die ich für „wie wenig wir einander doch kennen“ gemacht habe, ist schon sehr groß.

Im zwanzigsten Stock spielt und singt Manuel hingebungsvoll Milonga, diese Mischung aus afrikanischen und europäischen Rhythmen aus denen hervorgegangen ist, was wir heute Tango nennen. Die Musik steigt hinauf, fällt hinunter, dringt in jede Wohnung und umhüllt das Haus. Die Töne bringen die Luft und die Gedanken der Menschen zum Prickeln. „por una cabeza, todas las locuras“ *)

Die Milonga beeinflusst auch das Kinderfest vor dem Hochhaus. Für die Rutschen und Hüpfburgen sind die kleinen Wasserratten aus dem benachbarten Schwimmbad herübergekommen, haben die Attraktionen zunächst mit großen Kulleraugen bestaunt und sie dann quietschend gestürmt, hüpfen, rutschen, drehen Pirouetten aus reiner Lebensfreude. Eltern und Großeltern wiegen sich diskret in den Hüften, denken sich die abgehackte und doch runde Schrittfolge dazu, der Tango ist mitreißend.

Der Flughafen-Bus steht etwas entfernt im Schatten und wartet auf Fahrgäste. Wenn man genau hinsieht, bemerkt man, dass der Tango-Rhythmus auch dort angekommen ist, der Bus schwingt mit: rück-rück-Wiegeschritt. Die Handbremse findet die Sache etwas grenzwertig, macht aber gutmütig mit.

Dreiundzwanzigster Stock. „Zwei alte Tanten tanzen Tango mitten in der Nacht“. in den Zweitausendzwanzigerjahren müssen alte Tanten nicht mehr in Sack und Asche gekleidet sein und sich mit Taubenfüttern im Park beschäftigen. Sie können in bunt flatternden Gewändern mit ihrer Tanz- und Lebenspartnerin auch tagsüber dem Tango frönen und tun das auch.

Luisa hat sich in Sari-Art in ein riesiges buntes Tuch drapiert, das vom Tischtuch bis zum Tanzkleid universell einsetzbar ist. Nora dagegen wiegt sich in schwarzen Shorts. Sie ist nicht ganz bei der Sache, denkt über die gestrige Beziehungsdebatte nach. Luisa, die weitaus emotionalere von beiden, meinte recht dramatisch, wie wenig sie einander nach all den Jahren doch kennen würden. Für Nora stimmt das nicht. Den mühelosen Gleichklang ihrer Körper beim Tanzen nimmt sie sich selbst als Bestätigung. „Por una cabeza, mil locuras“ singt sie mit und Luisa lächelt.

Schon in aller Herrgottsfrühe hat die vierköpfige Familie im dreiundzwanzigsten Stock mit ihren letzten Reisevorbereitungen begonnen. Sommerpause. Das Auto bleibt zuhause, es wird eine Reise mit dem Zug, unter anderem mit der Mariazeller Regionalbahn. Wandern, Baden, Naturerlebnisse, Erholung. Als Manuel zu spielen beginnt, sind die Vorbereitungen beendet, die Rucksäcke gepackt, die Milonga tänzelt durch die Gänge und trägt zur Urlaubsstimmung bei. Zum Glück ist der Aufzug eher griesgrämig und schwingt nicht mit. Sie kommen daher gut unten an und können ihre Reise antreten.

Scharfe Drehung im fünfzehnten Stock. Die Absätze der Tanzschuhe bohren sich in den Boden, weiter Ausfallschritt und der Blick zuckt in Richtung Ukraine. Auch hier passt der Text „por una cabeza, mil locuras“

*) „Por una cabeza“ berühmter Tango von Carlos Gardel.

Sommeretüde +Impulswerkstatt

Es wird Zeit für das Etüdensommerpausenintermezzo, das ein Text werden soll, in dem mindestens 7 der 12 Wörter vorkommen und der auch zu der Impulswerkstatt passt. Natürlich habe ich den Ehrgeiz alle Wörter zu verwenden. Ich lasse sie einmal wirken.

Flohzirkus Flughafen Herrgottsfrühe Kulleraugen Milonga Regionalbahn Schatten Sommerpause Tischtuch Ukraine Wasserrationierung Wasserratte

Nicht einfach. Von der friedlichen Biederkeit von „Tischtuch“ zu den Kriegsbildern von „Ukraine“ ist da alles dabei. Ob aus diesen Wörtern ein Text entstehen kann, aus dem nicht die meisten Wörter grell hervorstechen? Um alle unterzubringen, müsste man entweder einen sehr langen Text schreiben mit vielen Schleifen, oder aber …….. hmmm …..

Bei solchen Schreibspielen mit vorgegebenen Wörtern beginne ich meistens mit einem Wort und gruppiere dann die anderen rundherum, bei 12 Wörtern, die kaum zusammenpassen, eigentlich gar nicht, geht das nicht. Eine kleine Idee habe ich, bin mir aber nicht sicher, ob sie funktionieren wird.

Auf ein langes Leben- ABC-Etüde

Wie immer bei Christiane
3 vorgegebene Wörter in einem 300 Wörter-Text unterbringen
Die Wörter stammen diesmal von der Fledermaus Donka

Erstaunlicherweise erinnerte ich mich an mein letztes Leben als Mensch. Offenbar hatte ich die Chance gleich im Nirvana zu landen vertan und musste nochmals zu einer neuen Wiedergeburt antreten. Hmmm, vier Säulenbeine, ein Panzer und der Drang ganz, ganz schnell ins Wasser zu rennen. Was man in diesem Körper so „rennen“ nennen konnte. Ich war aber eine der wenigen unter meinen Geschwistern, die erst als Ei im Sand überlebt hatten und dann das Rennen gegen die gierigen Vögel ins Meer geschafft hatte.

Im Meer angekommen, war mir von dem Rennen auf Leben und Tod, dem vermutlich einzigen Stressmoment in meinem neuen Leben noch etwas blümerant zumute, doch dann überkam mich die große Gelassenheit der Schildkröte. Ich hatte nun also über hundert Jahre Leben vor mir, mit Organen, die kaum alterten, mit dem absoluten Zen-Geist dieser uralten Species. Es hätte schlimmer kommen können. Nach dem Nirvana könnte dies durchaus die zweitbeste Möglichkeit sein.

Probehalber paddelte ich ein wenig herum, linkes Vorderbein, rechtes Hinterbein, rechtes Vorderbein, linkes Hinterbein. Ja, das war die richtige Reisegeschwindigkeit in diesem Universum. Und eine Reise wollte ich antreten, so bald wie möglich, also sofort. Denn am Ufer hatte ich ein Gebäude entdeckt, dessen Aufschrift mir mit meinen verbliebenen menschlichen Lesekünsten sofort aufgefallen war. Da kam gerade eine Person angetanzt, in der ich den Besitzer dieses ominösen Betriebs zu erkennen glaubte. Er sprach mit der Besatzung eines mittelgroßen Bootes, das am Ufer lag, aber nicht so wirkte als wolle es sofort auslaufen.

Uff, da hatte ich ja noch genügend Zeit um meine Reise anzutreten. Ich war immer noch ziemlich gelassen, dachte aber, dass das Leben einer Schildkröte doch nicht so perfekt war, wie ich gedacht hatte. Ich paddelte los, mit angemessener Achtsamkeit aber nicht zu langsam. Die Aufschrift auf dem Gebäude wurde merklich immer kleiner. “ Wildschildkrötensuppenerzeugung – Pablo Escobar“

300 Wörter

Völlig harmlos – Extraetüden

Wie immer bei Christiane
Diesmal 5 oder 6 vorgegebene Wörter in einem 500 Wörter-Text unterbringen
Die Wörter stammen aus den zwei Durchgängen im Mai von der Puzzleblume und mir

Vorbemerkung: „Amok laufen“

Aus dem Malaiischen stammt das Wort amok oder amuk, das im Deutschen zumeist in der Wendung Amok laufen „in blinder Wut umherrennen und wahllos töten“ gebraucht wird. (…)Heutige Amokläufer sind dagegen zumeist allein handelnde junge Männer, die nach einer Phase des Grübelns ihre Aggressionen gegen andere wenden und sich im Anschluss nicht selten selbst töten.

Niemandem ist irgendetwas aufgefallen, es war alles ganz normal, man konnte doch nicht ahnen …. und so weiter und so fort, denkt der Kommissar, der mit diesem Fall betraut ist. Ich brauch´ gar niemanden zu fragen, ich weiß eh schon, was alle sagen werden.

„Sechzehnjähriger erschießt Mitschüler und Lehrer“ Mit fünf hat er schießen gelernt. Der Vater besitzt ein Dutzend Gewehre, die im Haus herumliegen, weil was soll denn da schon passieren.

Das Zimmer des jugendlichen Mörders wird von einem riesigen Bildschirm dominiert. Das Hintergrundbild ist ein Wetterbericht von vor fünf Jahren. Unerklärliche Kuriositäten gibt es in solchen Fällen immer. Im Zimmer ist es geradezu gespenstisch ordentlich. Gespenstisch auch die Ecke mit Postern von Monstern und blutüberströmten Brutalohelden, die für viele Gamer wahrscheinlich zur Familie gehören. Auch eine Zeichnung von Rudi selbst hängt da mit einem Reptilienkopf, der gerade einen Menschen verschlingt. „Der wahre Rudi“ steht auf dem Blatt. An einer Wand hängt noch ein Jagdgewehr und am Türstock klebt die Meß-Giraffe, die die körperliche Entwicklung des Buben dokumentiert.

Überlebt haben zwei Mitschüler, die am Tag des Amoklaufs nicht in der Schule waren. Ob ihnen etwas aufgefallen sei in den letzten Tagen. Sie schütteln stumm die Köpfe. Schließlich kommt, dass der Rudi doch schon lange komisch war. Er ist wie mondsüchtig herumgeschlichen und hat laut mit sich geredet und Geräusche gemacht wie bei einem Kampf und dann hat er manchmal von Leuten aus Computerspielen geredet, als wären sie echt und er hätte gerade mit ihnen gekämpft. Ja eben, überhaupt nicht auffallend, wer hätte sich da irgendwie beunruhigen sollen, dachte der Kommissar.

Im Sprechzimmer der Schule sitzt Rudis Deutschlehrerin dem Kommissar gegenüber. Sie durchwühlt einen Stoß Papiere auf dem Tisch, findet, was sie sucht und hält ihm ein Doppelblatt hin. Einer von Rudis Aufsätzen sagt sie. Während der Kommissar liest, spielt sie nervös mit einem irisierenden Anhänger. Der Kommissar verkneift sich die Frage, ob dies ein Instrument zum Hypnotisieren von Schülern sei.

Rudi hatte so eine Art Alter Ego, irgendein blutrünstiges Fantasiewesen aus seinen Spielen. An manchen Tagen, glaube ich, nahm er diese Identität ein. Dann sprach er kaum, zeichnete verstreute Leichenteile. In den letzten Monaten schrieb und sprach er von seinen Fantasiefiguren, als wären sie real. Sie haben ja den Aufsatz gelesen. Ich weiß nicht, ob ihm klar war, wie befremdlich das auf andere wirkt, sogar auf seine Klassenkameraden, die sicher selbst auch öfter spielen. Irgendwann hat sich wohl die Grenze zwischen Spiel und Leben verwischt, es war ihm nicht mehr klar, dass jemand, den er erschießt, nicht wieder mit neuen Leben aufsteht wie in seinen Spielen. Warum ich nichts getan habe, werden Sie fragen. Aber was? Die Eltern weigerten sich irgendetwas zu unternehmen, die Schulpsychologin ist einmal im Monat für einen Halbtag im Haus.

Der Kommissar seufzt und denkt, dass es andere auch nicht leicht haben.

Klein-Labersdorf – ABC Etüde

Wie immer bei Christiane
3 vorgegebene Wörter in einem 300 Wörter-Text unterbringen
Die Wörter stammen diesmal von der Puzzleblume





Martin war ein Stubenhocker, immer schon gewesen, ein ganz besonders gelungenes Exemplar dieser Gattung. Die Gesellschaft seiner Laptops genügte ihm vollkommen. Die Familiengeschichte wusste zu berichten, dass er als Baby jämmerlich zu weinen begann, wenn ihn jemand in den Garten brachte. Solche Berichte sind im Normalfall ordentlich übertrieben, aber in Martins Fall könnte es tatsächlich so gewesen sein.

An einem Frühsommertag stürmte Martins Bruder Konrad ins Haus der gemeinsamen Eltern und rief „Ich habe Martin im Park gesehen! Er saß auf einer Bank, in der Sonne, neben dem Ententeich !“ Fassungslos starrten ihn alle an. Es wurde beschlossen, die Sache nicht zu erwähnen um nicht womöglich eine positive Entwicklung zu unterbrechen. In den nächsten Tagen und Wochen konnte Martins Veränderung aber nicht mehr übersehen werden. Nicht nur verbrachte er jeden freien Moment irgendwo draußen, er kaufte sich auch Sportgeräte wie ein Rad und ein Skateboard. Obendrein wurde Martin immer fröhlicher und freundlicher.

Nach langem Überlegen wagte Konrad sich vor und fragte Martin nach der tiefgreifenden Veränderung in seinem Leben.
“ Die regionale Wetterkarte. Ist dir da nichts aufgefallen?“
„Äh ….. nein“ sagte Konrad „ich sehe den Wetterbericht auch nicht so oft ….“
„Komm, ich zeige es dir“ Martin fuhr seinen Laptop hoch (allein schon die Tatsache, dass der Laptop ausgeschaltet war! ) und suchte den regionalen Wetterbericht vom Vortag“ Da, da“ zeigte er seinem Bruder „siehst du wie die Karte rund um Klein-Labersdorf irisiert? “ Konrad sah nichts dergleichen, fragte aber, was dieser Effekt zu bedeuten hätte. „Na, das ist doch klar“ sagte Martin „Dorthin muss man fahren. Ich habe es jetzt schon über zwanzigmal ausprobiert. Es macht richtig glücklich sich dann dort aufzuhalten.“

Konrad war überzeugt, dass sein Bruder übergeschnappt war. Nachdem dies aber so positive Wirkungen auf sein Verhalten und sein Befinden hatte, nickte er begeistert und versicherte, dass er demnächst einmal mitkommen würde.

300 Wörter

Partnerwahl bei den Giraffen – ABC-Etüde

Wie immer bei Christiane
3 vorgegebene Wörter in einem 300 Wörter-Text unterbringen
Die Wörter stammen diesmal von mir

Uff, Giraffenetüde Nummer 6, wie geplant geschafft

In Zeitlupe hob er sein langes muskulöses Bein und stellte dann seinen perfekt geformten Huf, der jeden Gegner zerschmettern konnte zur Schau. Den langen Hals hielt er recht starr damit auch gut zu sehen war, wie stark er war. Und diese virilen Flecken! Jeder Zentimeter an ihm strahlte die Botschaft aus „noch nie gab es einen so starken und so eindrucksvollen Giraffenbullen wie mich. Eine so imposante Erscheinung, die Verheißung so schöner Kinder!“ Zu dieser Herde gehörten besonders viele weibliche Junggiraffen, bereit zur Paarung. Falls sie nicht mondsüchtig oder sonst irgendwie blöd waren, mussten sie vor Ehrfucht vor seiner phantastischen Erscheinung sofort in die Knie gehen. Alle.

Vor Begeisterung über sich selbst und wegen des hochgereckten Kopfs übersah er ein großes Loch und kugelte in sehr unvorteilhafter Haltung hinein. Die Mädels kicherten. „Sowas kann ja nun jedem passieren“ dachte er, sprang aus dem Loch und schlenderte zum Fluss um dort publikumswirksam zu trinken. Giraffenbeine sind lang und sperrig und es ist nicht so einfach, sich unter diesen Bedingungen elegant und gleichzeitig kraftvoll zum Wasser hinunterzubeugen. Er hatte dabei viel Übung und beherrschte das Trinken normalerweise sehr eindrucksvoll. Aber es war wohl nicht sein Glückstag: er rutschte im Schlamm aus und fiel auf die Nase. Die Schwanzquaste wehte verloren im Wind. Die virilen Flecken wurden nass, ebenso der Rest des schönsten Giraffenbullens aller Zeiten. Die Mädels kicherten.

Seit Tagen hatten sie viel zu kichern, den schon der vierte allereindrucksvollste Bulle wollte sich der Herde anschließen. Ihre Mütter, Tanten und sonstigen weiblichen Herdenmitglieder blickten nachsichtig auf die vielen Löcher im Boden, die Steine im Weg, die umstürzenden Bäume und die glitschigen Ufer. Hatten nicht sie selbst auch nach alltagstauglichen Bullen gesucht, die nicht vor lauter Eitelkeit in jedes Loch fielen und über jeden Stein stolperten. Bei diesem Auswahlkriterium waren immerhin die klugen Töchter herausgekommen.

302 Wörter

Die Großgewachsene – ABC-Etüden

Wie immer bei Christiane
3 vorgegebene Wörter in einem 300 Wörter-Text unterbringen
Die Wörter stammen diesmal von mir

Das ist der Giraffentext Nummer 5. Sechs habe ich mir vorgenommen. Zwar habe ich noch keine Idee für Nummer 6, aber es sind noch 2 Tage Zeit, da wird mir schon etwas einfallen. Dann werfe ich mich auf die Impulswerkstatt

Er selbst war klein gewachsen. Mit Zuhilfenahme der Zehenspitzen schaffte er es knapp auf etwa einssechzig. Es mangelte ihm jedoch nicht an Selbstbewusstsein und seine Begeisterung galt großen Frauen, wirklich groß gewachsenen, unter einer Größe von mindestens einsneunzig waren sie ihm keinen Blick wert.

Da gab es die Außenministerin P, einsvierundneunzig groß berichteten die Zeitungen. „Ach mein Girafferl“ murmelte er zärtlich, wenn er sie im Fernsehen bei Staatsbesuchen sah. Mitten zwischen den Ölscheichs überragte ihr Kopf alle anderen Anwesenden. Wenn sie den besuchten Staatschefs die Hand schüttelte, blickte sie wohlwollend auf sie herab. Über seinem Bett hing ein „Familienfoto“ eines EU-Außenministertreffens, auf dem die Ministerin, in die letzte Reihe verbannt, aus einer imposanten Höhe über ihre Kollegen hinweg sah.

Manchmal mehrmals täglich durchforstete er das Internet und suchte Artikel und vor allem Fotos von seiner Traumfrau. Auch am Kiosk suchte er nach Zeitschriften mit Berichten und Geschichten über Ministerin P. Als wäre er mondsüchtig zog es ihn unwiderstehlich zu ihr. Eine Zeit lang ging das gut, es war eine harmlose, angenehme Schwärmerei, aber eines Tages verrante er sich und kam dann immer mehr vom Weg ab.

Wenn er überhaupt aus dem Haus ging, so fand er sich immer immer in die Nähe der Wohnung von Frau P. wieder. Meist blieb er in seiner Freizeit aber zuhause und erlebte Begegnungen mit seiner Angebeteten, in denen er sie als Held traf, rettete, liebte, beschützte. Eine lange, intensive Liebesgeschichte spielte sich in seinem Kopf ab und gewann immer mehr an Realität. In einem parallelen Gedankenstrang drängte es ihn, seine Phantasien in die Realität zu bringen.

Es wurde noch nicht einmal in den Medien berichtet, dass ein sehr kleiner Mann mit einer großen Tasche voller Stricke, Handfesseln und einem großen Jutesack in den Garten von Ministerin P eingedrungen und sofort gefunden und festgenommen wurde.