Schlagwort: readonmydear

Read on – erhalten

Zufällig bin ich darauf gestoßen, dass der blog von Marie-Sophie Hingst wieder gelesen werden kann, die Kommentare und die letzten postings wurden entfernt. Geblieben ist ein blog mit guten, interessanten Texten, die nicht den Anspruch auf biographische Wahrheit erheben. Ich glaube nicht, dass jemand irgendetwas an den Texten selbst verändert hat. So soll es auch sein. Zur Erinnerung an eine begabte junge Frau.

Marie-Sophie Hingst – Fräulein Read On ist tot

Sie hat sich wohl verirrt in den Labyrinthen ihrer auseinanderklaffenden Realitäten, der Druck der social media hat ein Übriges getan und so konnte sie wahrscheinlich nicht erkennen, dass es Hilfe und Lösungen für sie gegeben hätte, für einen hilfsbereiten Menschen und eine begabte Schriftstellerin.

https://www.irishtimes.com/news/world/europe/the-life-and-tragic-death-of-trinity-graduate-and-writer-sophie-hingst-1.3967259

Freitag 7.6.19 – Pfingstrosen und Missionare

Um diese Jahreszeit kann man Maturanten und mormonische Missionarsknaben weder vom Outfit her noch aufgrund ihres Alters unterscheiden. Sehr, sehr junge Männer in schwarzen Anzügen, manchmal auch noch mit Krawatten und im Normalfall mit einem Rucksack ausgestattet, sind eben entweder Gymnasiasten, die an diesem Tag ihre mündliche Matura hatten oder junge Amerikaner mormonischen Glaubens, die in Europa missionieren. Ich glaube, das gehört zu deren religiösen Pflichten.

A propos junge Männer und religiöse Pflichten: in Israel kämpft die säkulare Gesellschaft gegen die Weigerung der religiösen Fundamentalisten, den Wehrdienst ebenso wie alle anderen zu leisten. Aufgrund ihres enormen Kinderreichtums machen die Fundamentalisten schon 20% der israelischen Bevölkerung aus. Ich habe ein Interview mit einem Vertreter der Religiösen gehört, der meinte, dass „die anderen“ nicht verstehen wollten, dass es in Israel eben eine völlig gerechtfertigte „Arbeitsteilung“ gebe, die darin besteht, dass die einen zur Armee gehen und die anderen die Torah studieren. Wobei beide Seiten meinen, dass ihr Beitrag für das Land wichtig ist. Sehr schwierige Situation.

Ich mag ja rosa als Farbe nur in homöopathischen Mengen , aber bei Magnolien und Pfingstrosen mache ich da eine Ausnahme. Kürzlich habe ich daher einen Strauß Pfingstrosen gekauft, 11 Stück um 4 €, von denen 10 wunderschön aufgeblüht sind, die 11. wird vielleicht noch. Nachdem sie so schön sind und so gut riechen, wollte ich noch einen zweiten Strauß und ging in das Blumengeschäft an der U-Bahn, wo es ebenfalls Pfingstrosen gab, allerdings  zu einem Preis von sage und schreibe 5€ pro Blüte. Ich fragte die Blumenhändlerin, ob sie ihre Preisgestaltung nicht überdenken wolle, denn ich würde ihr ihren Bestand abkaufen, aber natürlich nicht um diesen Preis. Ach, sie wäre ja abhängig von den Preisen ihres Lieferanten. Gut, dann nicht. Ich empfahl ihr, den Lieferanten zu wechseln und kaufte nichts, in der Hoffnung im Supermarkt oder auf dem Markt andere Pfingstrosen zu finden, heute oder morgen. Wirklich unverschämt sowas!

Im Rahmen der Read-on-Geschichte schrieb Nathalie vom Fundevogelnest, dass sie den Sog zum Erfinden fiktiver Identitäten verstehen kann. Inzwischen habe ich darüber nachgedacht und kann ihn wohl auch verstehen, aber die Gefahr durch die intensive Beschäftigung mit einer fiktiven Persönlichkeit völlig den Bezug zur Realität und den Boden unter den Füßen zu verlieren, sehe ich auch sehr deutlich. Habe ich denn überhaupt Lust zu schreiben ? Doch, aber …….. Es gibt da mehrere Abers.

 

Dienstag 4.6.19 – Das Wetter in Kabul?

Ich liebe Wetterprognosen. Egal, ob sie von meiner unmittelbaren Umgebung handeln oder vom anderen Ende der Welt. Es interessiert mich durchaus, wie das Wetter zum Beispiel in Kabul ist und wird, obwohl das ein Ort ist, den ich freiwillig nicht besuchen würde. Auch die Temperaturen zum Beispiel in Neukaledonien oder die Niederschlagsmengen in Alaska, alles, was mit Wetter zu tun hat, fasziniert mich. Ich weiß gar nicht, warum ich nicht Meteorologie studiert habe. Eine exakte Wissenschaft, keine Frage, aber auf so vielen unberechenbaren Faktoren beruhend, dass sie doch auch noch einen leicht mystischen, chaotischen  touch hat. Wer weiß wie viele Meteorologen in irgendeiner dunklen Hinterkammer noch so ein klassisches Glas mit Frosch und Leiter haben, für alle Fälle, falls die Computerwettermodelle versagen.

Als Wintermensch schaue ich mir im Sommer gerne Wetterberichte von der südlichen Halbkugel an, zum Beispiel Schneefälle in Patagonien. Auch auf dem smartphone habe ich ein halbes Dutzend Wetterapps installiert, die ich mir immer wieder gerne anschaue. Was für ein Genuss wenn bei 38 Grad wenigstens auf einem Display Schnee fällt.

Jetzt kommt ja leider wieder die Zeit, in der die Wetterleute im Fernsehen mit Tremolo in der Stimme bejubeln, dass es in den nächsten Tagen über 30 Grad haben wird, wie herrlich. Wahrscheinlich erinnern sie sich nicht mehr, wie grauenhaft der vorige Sommer war und wie lange er gedauert hat und wie unerträglich es in der Stadt war, auf dem Land höchstens eine Spur angenehmer.

Wenn ich an Hitze denke, denke ich an das wunderbare kühle, feuchte Irland und bei Irland fällt mir wieder das Fräulein Readon ein und ich ärgere mich über mich selbst, weil mir ihre Geschichten wahrscheinlich abgehen werden und es ärgert mich auch beträchtlich, dass mir ihr Blog vor Augen geführt hat, dass ich nicht immun bin gegen soap-operas und  sentimentale Geschichten. Andererseits ist doch der enorme Erfolg im virtuellen wie im realen Leben dieser erfundenen Vita und dieses erfundenen Leidens gepaart mit einer wahrscheinlich echten Arroganz, die als bescheiden, ja demütig daherkommt äußerst lehrreich, für mich zumindest, die ich mir einbilde Manipulation sofort zu erkennen. Nun, in diesem Fall war das nicht so, zumindest nicht sofort

Read on my dear – die Königin des fake

Sehr, sehr gut geschriebene Geschichten, die ich meist gerne gelesen habe, über eine erfundene Familie, erfundene Lebensumstände. So weit wäre das ja kein Problem, wenn sie nicht immer wieder die Authentizität ihrer Geschichten unterstrichen hätte. Eine erfundene jüdische Identität, 22 großteils erfundene Familienmitglieder, die sie sogar – trotz eindeutiger Gegenbeweise in den Archiven ihrer tatsächlichen Heimatgemeinde – in Yad Vashem als Holocaust-Opfer gemeldet hat. Ihr Großvater kein jüdisches Holocaust-Opfer sondern ein evangelischer Pfarrer, ihre Großmutter, von deren KZ-Trauma so oft die Rede war, ihre Schwester mit den fünf Kindern, der an Magersucht verstorbene Lebenspartner und so weiter und so weiter, ein ganzes dramatisches fiktives Universum. Die mit 19 Jahren gegründete Slumklinik in Indien, das Aufwachsen in vielen verschiedenen arabischen und afrikanischen Ländern, Studium in vier verschiedenen Ländern, ein buntes nur eben erfundenes Leben. Erfundenes Leiden über das sie sich von ihren zahlreichen Leserinnen trösten ließ. Geschichten über ein überdimensionales soziales Engagement, das hymnisch bewundert wurde.

Sie lebte nicht nur virtuell in dieser Phantasiewelt. Tatsächlich trat sie in ihrem wirklichen Leben in Irland als Jüdin auf, als Angehörige einer Familie, die ganz besonders unter den Nazis gelitten hätte. Diese frei erfundene jüdische Identität benutzte sie dazu, von den Höhen moralischer Autorität auf andere herabzusehen. Damit leistet sie den tatsächlich in Deutschland und Irland lebenden jüdischen Gemeinschaften keinen guten Dienst. Auch die angeblich mit 19 Jahren von ihr gegründete Slumklinik taucht in Texten aus der realen Welt auf

Der Blog ist gelöscht, wer sich für das Thema interessiert, kann bei „Spiegel“ und „Zeit“ nachlesen oder bei #ReadOnMyFake.