Schlagwort: Menschen –

Donnerstag 25.4.2024 – Wiedersehen

Seit Wochen war ich nicht im Atelier, unter anderem wegen der Augenentzündung, die schon schlimm genug war ohne dass ich mir noch Farbe ins Auge geschmiert hätte. Nicht, dass mir das schon passiert wäre, aber das erste Mal kann ja im ungünstigsten Moment stattfinden. Heute habe ich mich dort mit dem D und der A-D getroffen, die ich auch beide schon ewig nicht mehr gesehen habe. Es war sehr nett und vertraut. Wenn man einmal bis zu einem gewissen Grad von Vertrautheit vorgedrungen ist, lässt sich dieser Zustand auch sehr schnell wieder herstellen, egal wie lange man einander nicht gesehen hat.

Viele von meinen Bildern stehen im Atelier herum, sie reifen gewissermaßen. Ich bin ihnen auch schon lange nicht mehr begegnet und habe mich auch über dieses Wiedersehen sehr gefreut. Die Rezeption auch eines eigenen Bildes verändert sich ja. Wenn man es ein paar Wochen nicht gesehen hat, kann es plötzlich sehr gut gefallen oder gar nicht mehr. Ich finde es ganz und gar unvorhersehbar in welche Richtung sich diese Veränderungen der eigenen Wahrnehmung entwickeln. Jedenfalls ist es ein sehr schönes Gefühl sich umgeben von eigenen Bildern in einem Raum aufzuhalten.

Nein, ganz so schlimm sieht es in unserem Atelier doch nicht aus, die Scheiben sind dicht.

Dienstag 30. Jänner 2024 – Namen und Panzerschokolade

Namensverdrehungen und -witze sind primitiv, keine Frage. Manchmal ist die Versuchung aber schon groß. Zum Beispiel wenn die Sanierungsverwalterin von Signa Andrea Fruhstorfer heißt (gut, das „h“ muss man sich wegdenken) , da darf man schon ein bissl lächeln. Sonstige Gründe zur Heiterkeit bietet diese Riesenpleite ja nicht.

Das Lächeln vergeht einem aber wieder, wenn man daran denkt, dass in dem Ort mit dem phantasieanregenden Namen „Schattendorf“ am 30. Jänner 1933 jene Ereignisse stattgefunden haben, die letztlich zum österreichischen Bürgerkrieg im Februar 1934 geführt haben. Es waren Kampfhandlungen, die nur ein paar Tage dauerten, aber doch hunderte Tote gefordert haben.

Auch an einem 30 Jänner, nämlich 1933 ist Hitler ganz legal an die Macht gekommen. Neunzig Jahre ist das her und noch immer nicht überwunden. Die charismatischen Psychopathen reißen immer wieder mit. Ich verkneife mir die Liste der aktuellen Vertreter dieser Art. Im Fall unseres hausgemachten Psychopathen hat aber die Chemie auch ordentlich mitgeholfen.

Hitler selbst war höchstwahrscheinlich schwer süchtig und in seinen letzten Jahren kaum mehr in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen, sofern er das jemals war. Er bekam von seinem Arzt täglich eine Spritze, die vermutlich Pervitin enthielt, einem Methamphetamin, heute bekannt als Crystal Meth. 1941 wurde die Droge unter das Opiumgesetz gestellt,

Das neue Gesetz stellte Hitler und seinen Arzt vor erhebliche Probleme. Zwar stand der „Führer“ über dem Gesetz – doch da die Abgabe von Methamphetamin von nun an registriert wurde, konnten die Kontrollbehörden ab sofort jede Tablette zurückverfolgen.

Um die Gefahr zu umgehen, dass Hitlers Suchtmittelkonsum bekannt wurde, ließ Leibarzt Morell sein „Vitamultin“ fortan in seinen eigenen Hamma-Werken herstellen.

Von den in Goldpapier eingewickelten Tabletten hatte Hitler stets einen reichlichen Vorrat. Augenzeugen berichteten, dass er davon täglich bis zu zehn Stück geschluckt habe. Vor allem in Krisensituationen. Selbst noch in den letzten Stunden vor seinem Tod.

Quelle: Ärzte Zeitung 24.10.2016, 05:51 Uhr

Auch in der Wehrmacht war die Droge weit verbreitet, konzentrationsfördernd, angstdämmend …

Methamphetamin wurde erstmals 1893 von dem japanischen Chemiker Nagayoshi Nagi in flüssiger Form synthetisiert. In Deutschland forschte man seit 1934 an einem eigenen Verfahren zur Herstellung der psychotropen Substanz, das sich die Temmler-Werke 1937 patentieren ließen. (…)

Vor allem während der „Blitzkriege“ gegen Polen und Frankreich 1939 und 1940 wurde Pervitin millionenfach eingesetzt. Die Soldaten nannten die Droge „Panzerschokolade“, „Stuka-Tabletten“, „Flieger-Marzipan“ oder „Hermann-Göring-Pillen“.

Allein in den drei Monaten von April bis Juni 1940 bezog die Wehrmacht nachweislich 35 Millionen Tabletten Methamphetamin, nicht allein von den Temmler-Werken, die die Markenrechte für Pervitin noch bis 2015 hielten, sondern auch von der Ingelheimer Knoll AG, die mit Isophan ein eigenes Präparat auf den Markt gebracht hatte.

Quelle: Ärzte Zeitung 24.10.2016, 05:51 Uhr

Insgesamt kein toller Tag der 30. Jänner, auch der heutige nicht

Samstag 27. Jänner 2024 – einfach so drauflos

In letzter Zeit kommen viele Blogs wie der Wetterbericht daher, was ich gut nachvollziehen kann. Der heurige Winter scheint mir mächtiger und allgegenwärtiger als der vorjährige. Die Kälte kommt aus allen Ritzen, der Sturm schmettert Sessel und Liegestühle über die Terrasse. Erstaunlicherweise widerstehen meine Wasserauffanggefäße dem Sturm und wanken keinen Millimeter obwohl sie auf einem Tisch stehen. Die Wasserversorgung für meine fleischfressende Venus ist somit gesichert, weil es nicht nur stürmt sondern auch ausgiebig regnet. Der schützende Innenraum wird wichtiger

Die gestrige Veranstaltung vor dem Parlament war auch in nicht geringem Ausmaß vom Wetter beherrscht. Teilweise strömender Regen, überall sehr große Lacken, in die man im Finstern unfreiwillig aber mit vollem Schwung hineinsteigen konnte. Regenschirme überall die geschüttelt und geschwungen wurden, aber sehr friedlich und freundlich waren alle Menschen, die mir untergekommen sind, mit und ohne Schirme, und die Polizei war nicht zu sehen, obwohl sie sicher präsent war. Was für ein Unterschied zu Kundgebungen bei denen es Pro- und Kontragruppen gibt, die aufeinander einprügeln. Nun, vielleicht gab es die bei dieser Kundgebung auch und ich habe sie nur nicht gesehen. Ich habe überhaupt nicht viel gesehen und praktisch nichts gehört. Die Tontechnik war eher inexistent. Das war nun ziemlich egal, weil, wer immer gesprochen hat, wohl nichts Überraschendes gesagt haben wird

Ich erinnere mich an Zeiten als man bei solchen und anderen Gelegenheiten keine leuchtenden Handys hochstreckte sondern brennende Feuerzeuge. Noch früher waren es wohl Fackeln. Kerzen gibt es aber nach wie vor. Wenn man im Hubschrauber sitzt, sieht man wahrscheinlich das angestrebte Lichtermeer. Ich vermute, dass die Polizei aus dem Hubschrauber zählt. Wie die Veranstalter das machen, weiß ich nicht. Bei jeder Kundgebung, Demo oder wie immer die Veranstaltung genannt wird, differieren die Teilnehmerzahlen, die die Polizei bekannt gibt ganz wesentlich von jenen der Veranstalter. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich in der Mitte. In diesem Fall wohl näher an den Zahlen der Veranstalter, denn es herrschte auch aufgrund des Wetters ein ständiges Kommen und Gehen und ich glaube kaum, dass die Polizei mehrere Zählungen oder Schätzungen vornimmt.

Damals wurden noch viele „Adolf“ genannt

Dieser Adolf ist aber völlig unverdächtig irgend einer Nähe zum Nazitum. Seine Geburt am 12. März 1934 fiel auf den Tag an dem der österreichische Februaraufstand begann und er war am Ende des 2. Weltkriegs elf Jahre alt.

Frohners Werke sind im Original so eindrucksvoll, dass ein Foto nur einen unzureichenden Eindruck bieten kann

Detail aus der „Kreuzigung“

Detail aus der „Emanzipation des Fleisches“

Der F als Lichtgestalt auf dem Eis

Der Neusiedlersee ist zugefroren. Man kann darauf spazieren gehen, eislaufen, kitesurfen, Hockey spielen, man kann auch Kinderwagen schieben, sogar einen Rollator habe ich gesehen. Ganz unerwarteterweise war der See sehr belebt, bei strahlendem Sonnenschein und zarten Minusgraden.

Manche Spaziergänger und Eisläufer haben sich sehr weit hinaus gewagt. Gefährlich war es eher nicht. Sogar falls jemand einbrechen sollte, ist der See doch so seicht, dass kaum Schlimmes passieren kann. Außerdem waren sehr viele Leute unterwegs, die wohl helfen würden.

Wir waren mit dem Zug unterwegs, sehr bequem vom Hauptbahnhof. Hier sieht man Ufer, Strand und See in Weiden.

Ich habe mich gefreut über die Einladung der Graugans oder Margarete Helminger …

einen Text zu ihrem spannenden Projekt T24 zum Thema „Die Freiheit des Scheiterns“ zu schreiben. Es war ein bissl knapp, aber er ist rechtzeitig fertig geworden Hier ist er :

Selbstoptimierung – ein Wort, das mir so richtig zuwider ist. Also, natürlich ist mir nicht das Wort zuwider sondern das Konzept. Es soll somit eine optimale Form des Menschseins geben. Hat man diese noch nicht erreicht, so muss man heftig daran arbeiten. Wer diesen optimalen Zustand definiert hat und wie er genau aussieht, ist unbekannt, scheint auch kaum jemanden zu interessieren. Schließlich braucht die Optimiererei so viel Zeit und Einsatz, dass man sich nicht auch noch mit unnötiger Theorie beschäftigen kann.

Wenn ich die Sache richtig verstanden habe, es kann aber leicht sein, dass ich wegen mangelnden Engagements ohnehin alles falsch verstanden habe, wenn ich also alles richtig verstanden haben sollte, betrifft die Selbstoptimierung hauptsächlich wenn nicht gar ausschließlich den Körper. Jung, schlank, fit, schön, das ist das allermindeste, was man sich selbst und den Mitmenschen schuldig ist.

Keine Zeit dafür? Na, na, na, eine ganz dumme Ausrede, Prioritäten müssen gesetzt werden. Frühmorgendliches Joggen statt schlafen, vorhandenes Geld legt man am besten in Schönheitsoperationen an, nichtvorhandenes muss eben irgendwie beschafft werden. Sieht man nach einer Schönheits-OP zwanzig Jahre älter und vergrämt aus, ist das Lifting misslungen, erinnert man an einen traurigen Clown ohne Mimik, ist man ganz sicher selbst schuld. Den mentalen Faktor darf man nicht außer Acht lassen, die Lebenseinstellung ist natürlich wichtig. Positiv denken , ins Handeln kommen ! Man ist so alt wie man sich fühlt, oder etwa nicht? Jede und jeder kann die beste Version von sich selbst werden. Wie die aussieht? Wer das nicht weiß, gehört definitiv zu den Losern.

Was an mir alles nicht optimal ist, füllt eine lange Liste. Die Art Liste auf einem Papyrus, der in eingerolltem Zustand an eine barocke Marmorsäule erinnert. Nun habe ich die Freiheit der Wahl: lebenslanges Schinden in den Klauen der Selbstoptimierung oder aber …

Ich habe mich entschlossen: Erfolg hat sich nicht eingestellt, ich bin immer noch nicht jung, schlank, fit und schön und so nehme ich mein Scheitern zur Kenntnis. Es winkt mir die Freiheit mit der Schufterei fertig zu sein, kein Fitnesscenter mehr, keine Hanteln, kein Hungern, keine Schönheitsfarm und kein ultimatives Anti-Aging. Als  hoffungsloser Fall kann ich meine Freizeit  verbringen, wie immer ich will und in Gesellschaft anderer glücklich Gescheiterter.

Ein hoffnungsloser Fall zu sein, eine die die unbedingt zu erreichenden Ziele nicht annähernd schafft, bringt nach dem ersten Schock ein wunderbares Gefühl der Freiheit. Schwebend im Raum unendlicher Möglichkeiten jenseits des dornigen Pfads der Selbstoptimierung steht einem die Welt offen.

Ich gehe außen am Zaun entlang und lasse meine Finger über die Metallstäbe laufen, die die Übungswiese begrenzen. Drinnen wird marschiert und exerziert, im Gleichschritt einem unmöglichen Ideal hinterher, das sich mit fortschreitendem Alter der Marschierenden als immer unerreichbarer erweist. Erfolg ist nicht möglich. Allein das Scheitern bietet einen  möglichen Ausstieg aus den oft verzweifelten Bemühungen zur Erreichung eines unerreichbaren Ziels. Das Scheitern in die Freiheit …

Ein bissl Venedigromantik muss schon auch sein

Santa Maria della Salute, an der Einfahrt in den Canal Grande, einmal bei Sonnenuntergang einmal bei leichtem Nebel.

Gleich daneben ist eine Baustelle zu der ein gewaltiger Kran gehört. Natürlich kommt der Kran nicht ins Bild und dadurch wird ja schon die Realität verfälscht, denn Venedig ist eben weder ein Freilichtmuseum noch ein Disneyland sondern eine lebendige Stadt mit echten Einwohnern und eine Baustelle ist Normalität.

Wien gehört leider auch zu den meistbesuchten Städten der Welt. Ich weiß, wie das ist, wenn man sich in der eigenen Stadt, wie ein Teil der Kulisse vorkommt, die von tausenden Leuten besichtigt und fotografiert wird. Ich empfinde es sehr ambivalent selbst als Teil der Touristenmasse herumzustapfen. Trotzdem gibt es eben so viel Schönes zu sehen.

Wir haben das Dilemma dann ganz gut gelöst indem wir mit den öffentlichen Vaporettos gefahren sind. Die waren auch nicht gerade leer aber doch hauptsächlich mit Venetianern bevölkert, die mit Einkaufswagen, Laptoptaschen und sonstigen Alltagsutensilien unterwegs waren.

Aufgeladen, dann grün im Schaufenster und bunt an der Ecke

Die Hoffnung auf ein passendes Ladegerät für meine Kamera in den Beständen meiner Freundin I. hat sich erfüllt. Sie ist wieder voll aufgeladen und einsatzfähig bis ich mein Exemplar in PB wieder treffe. „Textur“ war unser heutiges Thema. Die Motive kugelten nur so auf der Straße herum, denn es gab einen riesigen Flohmarkt mit den unterschiedlichsten Waren.

Ein schöner Bezirk ist es. Viel Leben auf den Straßen. Ein junger Mann mit Gitarre singt „griechischer Wein“ und wird umkreist von Leuten, die mitsingen. Erstaunlich wie diese alten Schinken sich durch die Generationen hangeln. Die Lokale sind voll und quellen auf die Straße über, Sommerstimmung, gut gelaunte Menschen, in leichter Kleidung. In einem Lokal namens „Nil“ haben wir ein sehr gutes Couscous gegessen und zugesehen, wie die Flohmarktstände samt allen Waren und Verpackungsabfällen mit erstaunlicher Geschwindigkeit eingepackt und fortgebracht wurden. Dabei wird morgen alles wieder aufgebaut werden.

Die Kolonie

Ein Science-Fiction-Roman. Diesmal einer, der mir gut gefallen hat.

Der Autor, Wang Jinkang, Jahrgang 1948 soll zusammen mit Cixin Liu, von dem ich schon einiges gelesen habe und Han Song, den ich noch nicht kenne, einer der „Großen Drei“ der chinesischen Science-Fiction sein. Das kann ich nicht beurteilen. Er hat aber jedenfalls fünfzehn Romane und an die achtzig Erzählungen geschrieben. Dieses Buch, „die Kolonie“ ist sein bekanntester Roman, der im Heyne Verlag als deutsche Erstausgabe erschienen ist und von Marc Hermann aus dem Chinesischen übersetzt wurde.

Für mich war der Text in zweierlei Hinsicht interessant. Einerseits die eigentliche Geschichte: ein aus Ameisenhormonen gewonnenes Serum führt zu einer Veränderung der Menschen, die damit besprüht werden. Daraus entwickelt sich eine durchaus interessante Handlung. Es wird ein Sozialexperiment beschrieben, das etliche seltsame Entwicklungen durchmacht und am Ende grandios scheitert. Man kann dieses Scheitern als ein Scheitern des Maoismus interpretieren, muss aber auch nicht.
Für mich waren die Informationen über das Leben in China zur Zeit des „großen Sprungs vorwärts“ und der Kulturrevolution besonders lesenswert zumal der Autor diese Zeit selbst erlebt hat.

Die Ich-Erzählerin dieses Romans ist eine sogenannte „gebildete Jugendliche“, wie man die Schüler*innen und Student*innen nannte, die zur Zeit der Kulturrevolution, in den 1970er-Jahren in China aufs Land geschickt wurden um von den Bauern umerzogen zu werden. Zu diesem Zweck wurden eigene Farmen gegründet, die von den Jugendlichen und einigen Bauern bewirtschaftet und von einer Reihe von Parteikadern verwaltet wurden. Der Einblick in so eine Farm, den dieses Buch bietet, scheint mir recht realistisch zu sein. Die dort schuftenden Jugendlichen haben die mehrjährige Hungersnot erlebt, die von Maos wahnwitzigen Ideen ausgelöst wurde und stecken nun wieder in einer sehr schwierigen Situation. Der größte Wunsch aller ist zunächst in die Stadt zurückkehren zu dürfen und dafür sind sie zu allerhand bereit.

Die Protagonistin kritisiert nicht, bezieht keine Stellung, erzählt nur. Von den Lebensbedingungen, von der Verpflegungslage, von der Korruption, die im System herrscht, von dem einzigen Brunnen für über 80 Menschen, aus dem das Wasser zum Trinken, zum Kochen, zum Waschen und für die Farm kommen muss. Sie beschreibt wie die Menschen mitten in der Nacht geweckt werden, weil der neueste Lehrspruch des großen Vorsitzenden sofort verkündet werden muss.

Das Cover gefällt mir übrigens auch sehr gut. Stil alte chinesische Tuchzeichnungen mit Bäumen aus Zahnrädern.

Montag 7. August 2023 -Kühl, Storchenschritt, überschwemmt und gerutscht

Im Waldviertel hatte es so an die 15 Grad, maximal und hat geregnet. Wir sind die siebenhundert Meter hinuntergefahren bis zur Donau. Da war es auch kühl, aber es war die Kühle eines Sommertags und die Luft hat sich einfach anders angefühlt. Prinzipiell hätte ich nichts dagegen gehabt noch eine Weile zu bleiben, Regen hin oder her. Nur ist es in Wien gerade auch kühl und für meine Begriffe sehr angenehm. Wir haben also trotz Wind und Regen viele Fenster aufgerissen um die warme Luft der letzten Hitzewellen loszuwerden und die Wohnung so kühl wie nur möglich zu bekommen, in Erwartung höherer Temperaturen gegen Ende der Woche.

Insgesamt waren es zwei gute Gesundheitswochen. Besonders das Kneippen als erste Handlung des Tages hat mir sehr gefallen. Hätte ich einen Garten würde ich mir so ein kalt-warm-Becken bauen lassen um darin zumindest zu Beginn allmorgendlich im Storchenschritt zu marschieren. Etwas so Einfaches mit so guter Wirkung. Auch die Wassergymnastik war sehr fein, Mit den sogenannten Kurärzten ist nicht viel anzufangen. Ich verstehe ja, dass das ein ungeheuer langweiliger Job sein muss und nur für Leute, die entweder fachlich nicht allzu kompetent sind oder keine Lust haben ihren Beruf auszuüben. Die Physio- und Ergotherapeuten sowie die Masseure dagegen waren angenehm kompetent und engagiert.

Kurhäuser sind im strukturschwachen Waldviertel wichtige Arbeitgeber. Die Therapeuten und Trainer, das Hotelpersonal, die Mitarbeiter im Restaurant pendeln teilweise recht lange Strecken zu Tageszeiten, die mir doch recht extrem vorkommen. Wer zum Beispiel in 50 Kilometern Entfernung wohnt und um 7h zu arbeiten beginnt … Es gibt ein „Mitarbeiterhaus“, aber ich weiß nicht, ob manche ständig dort wohnen oder immer nur für ein paar Tage.

Die Bilder von den Überschwemmungen in Kärnten und der Steiermark sind sehr heftig. Die Wassermengen haben den Höhepunkt überschritten, aber die Hänge rutschen noch immer. Bei Katastrophen dieser Größenordnung werden die materiellen Anteile von Existenzen vernichtet, bisher gab es aber zum Glück nur einen Toten. Bewundernswert die Einsätze der Feuerwehr. Es sind viele Freiwillige dabei, die von ihren Arbeitgebern nicht unbedingt freigestellt werden. Die Feuerwehr gehört ja auch bei Umfragen immer zu den am meisten geschätzten Berufsgruppen. Völlig zu Recht finde ich. Sie beherrschen sowohl das Retten kleiner Katzen aus hohen Bäumen wie auch das Management gewaltiger Katastrophen.

Donnerstag, 20. Juli 2023 – Training in Begleitung

Also, jetzt komm schon, sage ich zu mir, es ist ja nicht weit und es ist auch noch nicht so heiß. Jetzt reiß dich zusammen, je länger du wartest desto unangenehmer wird es. Mein vernünftiges und mein unvernünftiges Ich diskutieren wieder einmal. Obwohl ich mir in diesem Fall gar nicht so sicher bin, wer, wer ist. Dass Krafttraining für meine diversen gesundheitlichen Baustellen gut ist, steht außer Zweifel, aber ob das auch bei tropischen Temperaturen zutrifft?

Wir können zum Beispiel nur die Hälfte des Programms machen und die unangenehmen Maschinen auslassen. Wir können sogar einfach nur hingehen, die gesunde Luft des Kraftstudios schnuppern und dann gleich wieder umdrehen.

Der letzte Vorschlag, eine wirklich blöde Idee, ist eindeutig eine paradoxe Intention nach Viktor Frankl. Sieh da, mein vernünftiges Ich hat sich psychotherapeutisch weitergebildet. Oder ist es doch das unvernünftige ? Jedenfalls erinnert mich das an eine alte Dame, die immer behauptete von der guten Luft in der Küche zuzunehmen. Wie ernst sie das gemeint hat, kann ich nicht sagen. Auch im Unterricht können paradoxe Intentionen etwas bewegen, aber vor einer ganzen Klasse ist das sehr heikel und nur bei manchen Personen möglich.

Sind wir jetzt eigentlich zu zweit oder zu dritt unterwegs? Ich, der vernünftige und der unvernünftige Anteil? Wohl eher nur ich mit Begleitung. Wie auch immer, jedenfalls sind wir beim Kraftstudio angekommen, wo heute die besonders netten Trainer*innen im Dienst sind.

Das Studio ist zwar klimatisiert, aber lang nicht so wie ich das gerne hätte. Ein Deko-Konzept mit echten Eiszapfen zum Beispiel würde ich sehr hübsch finden. Ich trete mich selbst von einer Maschine zur nächsten. Eine noch, die nächste ist grauslich, aber die übernächste sehr angenehm, jetzt sind es ja nur noch vier usw usf. Als Endergebnis habe ich das gesamte Programm absolviert. So ist es eigentlich immer, aber ich bin von meiner Disziplin so wenig überzeugt, dass ich mich immer wieder wundere.

Den eventuellen Zusammenhang zwischen Bild und Text müsst ihr wieder einmal selbst ergründen. Manche können das richtig gut.

Mittwoch 19. Juli 2023 – Wetter, Malerei und Genetik am dreißigsten Sommertag

„Apokalyptisch“ ist für die derzeitige Lage der Welt nicht wirklich übertrieben. Allein die irrwitzigen Waldbrände in Kanada, die sich von Atlantik zu Pazifik durchfressen oder die Dürre und der Wassermangel in Frankreich und Italien, von Afrika und Asien ganz zu schweigen und andererseits die wilden Überschwemmungen etwa in Pakistan, die Stürme und heftigen Unwetter. Und das ist nur die Klimaseite der apokalyptischen Lage, zur politischen gäbe es auch genug zu sagen.

Für meinen Teil bin ich jedenfalls sehr froh, die nächsten zwei Wochen im angenehmen Waldviertel verbringen zu können. Jeder Höhenmeter bringt 1 Grad weniger. Nachdem ich auf etwa 900 Metern sein werde, hoffe ich, dass die Temperaturen unter dreißig bleiben werden.

Ich muss mich bei meinen ständigen Temperaturbetrachtungen etwas zurücknehmen. Dem F gehen sie jedenfalls schon ordentlich auf die Nerven. Er meint, dass ich alles nur noch vom Standpunkt der Temperatur aus betrachte und hat damit nicht ganz unrecht. Er dagegen macht bei 36 Grad Radtouren, was ich wiederum hochgradig unvernünftig finde.

Gerade hatte ich ein angenehmes Erlebnis. Ich stand in der U-Bahn mit einem Rucksack. Die Dame neben mir machte mich darauf aufmerksam, dass ein Zippverschluss offen war. Auf meiner anderen Seite stand ein junger Mann, der sich freundlich anbot, den Zipp zuzumachen, was er nach meiner Zustimmung auch gleich in die Tat umsetzte. Alle lächelten, es war ein richtig schöner Moment.
Zwischen Pinseln, Farben, Leinwänden, Spachteln, Rollen, Stiften jeder Art, Papier in allen Farben, Strukturmassen, Pigmentbinder und, und, und bin ich herumgewandert und habe das eine und andere mitgenommen. Der Ausflug in die Hitze hat sich gelohnt.

Interessantes über Epigenetik habe ich gehört. Das in der Genetik jahrzehntelang gültige Dogma, dass erworbene Eigenschaften nicht vererbt werden können, ist gefallen. Die Gene selbst verändern sich nicht, aber sie können ein- und ausgeschaltet werden. Jeder Mensch hätte 8 bis 10 Anlagen für schwere und tödliche Krankheiten, nur bei den einen werden sie aktiviert, bei anderen nicht. Die diesbezügliche Forschung steckt noch in den Anfängen. Unter anderem wurde und wird beispielsweise an möglichen Mechanismen der Weitergabe von Kriegstraumata geforscht.