Kurz vor der Operation konnte ich kaum noch gehen. Ich hatte viel zu lange zugewartet. Bei jedem Schritt, den ich machen musste oder wollte, erwog ich, ob er sich lohnen würde oder ob das Ergebnis die Anstrengung nicht wert sein würde.
Es war anstrengend, teuer und beängstigend. Anstrengend, weil ich vormittags und abends arbeitete, teuer weil ich viel Taxi fuhr und in zweifacher Hinsicht beängstigend, einerseits weil ein Teil meines Körpers durch ein Stück Metall und Keramik ersetzt werden sollte, was damals für mich eine grauenhafte Vorstellung war und andererseits weil jede Operation ein Risiko ist und seien die Chirurgen und Anästhesisten noch so gut und erfahren.
Meine Umgebung war sich einig. „Worauf willst du warten?“ meinten sie in den verschiedensten Formulierungen und bei jeder Gelegenheit und hatten damit natürlich vollkommen recht. Vergebens wartet man auf das Wunder, das dazu führt, dass ein Gelenk sich von selbst regeneriert, dass Knochen und Knorpel nachwachsen.
Anästhesie ist einerseits gefährlich andererseits ein Segen. Wenn die Welle der Bewusstlosigkeit ins Hirn steigt, fühlt es sich an wie einschlafen und ist doch eigentlich dem Tod näher, denn man wird künstlich beatmet. Auch nach dem Aufwachen ist die Welt noch nicht wieder ganz da. In der Nacht nach der Operation kam alle paar Stunden ein sehr sanfter Pfleger, der die Schmerzmittelinfusion erneuerte. Völlig zugedröhnt schläft man gut.
Am nächsten Morgen erschien ein Physiotherapeut und warf mich aus dem Bett. Ich sollte sofort spüren wie gut und tragfähig und sicher das neue Gelenk sein würde. Tatsächlich war es das auch, sofort nach dem Einsetzen, aber die Muskulatur wird bei der Operation stark aufgedehnt und muss danach wieder befriedet werden, was eine Weile dauert. Außerdem muss das Gelenk einwachsen, das dauert drei Monate.
An diesem Abend ging ich allein, ohne menschliche Begleitung und ohne Krücken ganz gelöst die Straße hinunter. Ich ging sicher und trittfest auf meinen eigenen Beinen. Das ist etwas völlig anderes als vorsichtig einen Fuß vor den anderen zu setzen und das Beste zu hoffen.
Ein warmer Frühlingsabend, fröhliche Menschen, Musik auf der Straße. Ich konnte lange stehen bleiben ohne mich sofort nach einer Sitzgelegenheit umsehen zu müssen.
Es war ein unbeschreibliches Gefühl der Freiheit, der Leichtigkeit, der unendlichen Möglichkeiten.
Drei Jahre sind inzwischen vergangen. Manchmal weiß ich nicht mehr auf Anhieb, welches Hüftgelenk mich schon mein Leben lang begleitet und welches neu dazugekommen ist. Wie wunderbar und keineswegs selbstverständlich es aber ist, ganz normal zu gehen, habe ich noch nicht vergessen. Ich kann dieses Gefühl der Freiheit immer noch spüren.
Schlagwort: Hüft-OP1-
18.12.- Auf unseren Jahrestag !
Auf den Tag genau vor einem Jahr wurde an mir gesägt, gebohrt, gefräst und ich habe Bekanntschaft mit meinem Titan-Hüftgelenk gemacht. Ein Jahr soll es dauern bis der Körper „vergessen“ hat, dass das neue Teil nicht immer da war. So ganz ist das bei mir nicht der Fall, aber nicht wegen des neuen sondern wegen des alten Hüftgelenks, das begonnen hat gelegentlich zu zicken. Es ist aber noch nicht soweit, das ganze Procedere noch einmal zu durchlaufen. Ein, zwei Jahre wird das andere Gelenk schon noch funktionieren. Ganz vergessen kann ich also das Thema „Hüfte“ noch nicht, aber ich kann mich gut erinnern, wie es war, jeden Schritt zu spüren und immer zu überlegen, ob es sich nun lohnt, diese fünf Schritte mehr zu machen oder doch nicht. Ich habe also zwar noch nicht vergessen, dass ich ein künstliches Hüftgelenk habe, aber das wirkt sich durchaus auch positiv aus, weil ich mich immer noch darüber freuen kann, wie wunderbar es ist, zu gehen ohne ans Gehen denken zu müssen.
Wegen einer ganz harmlosen Bemerkung, die ein Kollege von mir ganz nebenbei gemacht hatte, habe ich mich am meisten gefürchtet. Er erzählte, dass man in der ersten Zeit nach der OP schon ziemlich hilflos wäre. Das hat mich mehr geschreckt als alles andere. Es war aber gar nicht so. Zu keinem Zeitpunkt habe ich mich hilflos gefühlt. Ein paar Stunden nach der OP hat mich der Physiotherapeut aus dem Bett geschmissen, der Katheter wurde entfernt und ab diesem Zeitpunkt ging es stetig immer nur aufwärts. Am Anfang war es wichtig, den 90Grad Winkel im Gelenk nicht zu unterschreiten, das war manchmal etwas mühsam, aber es hat sich doch für alles eine Lösung gefunden und nach 4 Wochen konnte ich ohne Krücken gehen, manche Bewegungen noch nicht machen, aber immerhin. Ab der 9. Woche habe ich Reha gemacht und am Tag nachdem ich von der Reha zurück war, habe ich wieder zu arbeiten begonnen. Großartig waren die Momente des „zum ersten Mal wieder …..“ Zum ersten Mal wieder tief gebückt, zum ersten Mal wieder Absätze getragen, zum ersten Mal wieder Brustschwimmen, zum ersten Mal wieder Schneidersitz. Es waren echte Highlights.
Nein, es war insgesamt nicht furchtbar und ich habe keine allzu große Angst vor dem zweiten Durchgang.
Samstag 6.7.19 – Flamingos und ein Buddha
Auch bei Schwimmtieren gibt es offenbar Moden. Ich erinnere mich an aufblasbare Delphine und Wale, ein paar Krokodile und sonstige Schwimmtiere, dann kamen die Inseln mit Palme in der Mitte auf, und in einem anderen Bereich die Bananen. Gestern am See waren zwei Schwimmflamingos unterwegs, ein kleinerer in hellrosa, ein sehr großer in Flamingorosa und eine Riesenschildkröte. Wenn die Flamingos im Wasser waren, dominierten sie mit ihren beweglichen Köpfen das Badegeschehen. Mir gefiel die Schildkröte sehr gut, weil man die dahinter Schwimmenden nicht sehen konnte und der Eindruck war, dass einem die Schildkröte allein entgegenkam.
Die Wassertemperatur des Sees war noch angenehm erfrischend, was doch recht erstaunlich ist nach so vielen so heißen Tagen; der Neusiedlersee ist ja sehr flach und so hatte ich befürchtet, dass das Wasser lauwarm sein würde. Trotz des ziemlich vollen Badebereichs war es eine Freude den gestrigen heißen Tag im Wasser zu verbringen. Wir waren in Mörbisch, wo es gegenüber des Strands eine kleine Insel gibt und gleich an der Insel vorbei einen Kanal durchs Schilf, den die vorbeifahrenden Schiffe benutzen. Man sieht den oberen Bereich der Segel hinter dem Schilf vorbeiziehen, bei den Ausflugsschiffen sieht man die obere Plattform mit den Ausflüglern vorbeigleiten. Leicht surreal sieht das aus. Man kann sagen, dass der Schilfgürtel eigentlich den Blick auf den See versperrt, aber das Schilf selbst ist auch ein sehr schöner, abwechslungsreicher Anblick, außer man möchte einen Eindruck von Weite haben, dann muss man zu den wenigen Plätzen am Neusiedlersee fahren, wo es keinen Schilfgürtel gibt.
Der See ist seicht und hat einen steinig-schlammigen Grund. Der F hatte von Alpenseen mit glasklarem Wasser geschwärmt, aber die sind zu weit weg von Wien. An einem heißen Tag insgesamt ein paar Stunden im Auto mit glühenden Fenstern zu sitzen ist nicht unbedingt erholsam.
Zu den für mich noch ungeklärten Fragen zählt, wie gut ich mit dem neuen Hüftgelenk schwimmen kann und vor allem soll. Das Können ist ja leicht überprüfbar, aber das Soll bleibt doch eine sehr diffuse Sache, wenn dabei nichts weh tut und es also kein wahrnehmbares körperliches Kriterium zur Orientierung gibt. Während der Reha gab es einen Rückenschwimmkurs, aber die Frage, wie es mit dem Brustschwimmen aussieht, wurde immer mit dem Hinweis auf den einzigen diesbezüglich Allwissenden, den jeweiligen Operateur beantwortet. Da dieser leider auch nicht wirklich allwissend ist, nicht einmal im Bezug auf die von ihm eingesetzten Hüftgelenke, bleibt nur übrig alles selbst auszuprobieren. Und dafür ist der Moment gekommen, längst.
Nach einem ganz guten Abendessen machten wir noch einen Sprung zur Seebühne. Eine Requisite für die nächste Aufführung stand neben dem Restaurant herum: eine Buddhastatue. Ab nächster Woche wird „Land des Lächelns“ aufgeführt, eine meiner Lieblingsoperetten, da fließt die Sentimentalität in den Sommernächten am See. Nachdem ich im Normalbetrieb aber recht unsentimental bin, habe ich mich gefragt, aus welchen Materialien wohl die Requisiten einer Freiluftbühne sind, schließlich müssen sie auch starken Regen überleben. Malfreund D. müsste das wissen, der hat schließlich Theaterwissenschaften studiert.
Mittwoch 12.6.19 – Alle meine Muskeln ……. sind nicht gleich stark
Ich dachte, es wäre heute ein ganz ungeeigneter Tag, viel zu heiß und vorher und nachher noch anderes zu tun, aber andere Tage wären auch nicht besser gewesen und so war heute der Tag meines Wiedereinstiegs ins Kieser Training. Ich weiß ja, dass ich das extrem gerne mache, nur habe ich mich bis jetzt noch nicht getraut, obwohl der Operateur schon vor Monaten meinte, dass das überhaupt kein Problem wäre. Es ist ein reines Krafttraining an verschiedenen Maschinen ohne Schnick-Schnack, ohne Musik und Saftbar und es kommt auch nicht auf die Kleidung an.
Auf dem Hinweg war es sehr heiß:
Ich: Ich gehe einfach nur hin, lasse mir von der Ärztin ein Programm machen und gehe wieder
Ich: Das hättest du an jedem anderen Tag aber auch machen können.
Ich: Gut, ich bespreche auch mit einem Trainer die Einstellungen der Maschinen
Ich: Dann kannst du aber auch gleich auf jeder Maschine ein paar Übungen machen
Ich: Na gut, ich lasse es auf mich zukommen
Es war dann so angenehm kühl in dem Studio, dass ich gar nicht mehr weg wollte. Die Ärztin war sehr nett und sehr motivierend und sah obendrein auf den ersten Blick welcher Muskel gestärkt werden muss. Die Trainerin war sehr sorgfältig dabei, die richtigen Einstellungen für mich zu finden. An manchen dieser Maschinen muss man eine ganze Menge einstellen und das Ambiente war wie ich es kenne: ruhig, freundlich, konzentriert. Wie konnte ich nur so lange auf Kieser Training verzichten! Das letzte Mal war ich im Jänner 2017 aktiv, danach wurde es so mühsam, dass es einfach nicht mehr ging.
Aber nun wieder, zweimal die Woche
Montag 4.3.19 – Reha-Endspurt
Ich bin sehr zufrieden. Ich habe alles, was vorgesehen war mit einiger Energie und Motivation durchgezogen und auch noch etliche Einheiten Ergometer, Krafttraining und Schwimmen zusätzlich absolviert. Morgen ist das Programm noch sehr dicht, offenbar spuckt der Computer am letzten Tag alles aus, was noch übrig geblieben ist. Auch den morgigen Tag werde ich hoffentlich noch gut überstehen, aber ich habe jetzt schon das dringende Bedürfnis nach einer Pause. Wird leider nicht wirklich stattfinden, weil ich meinen Stundenplan schon bekommen habe und der sieht am Donnerstag 9 Stunden Unterricht vor bis 21:45. Das ist aber zumindest körperlich nicht anstrengend.
Die Biegsamkeit meines neuen Hüftgelenks hat sich von 85 auf 105 Grad verbessert und da ist noch einiges drin, weil jetzt erst die 11. Woche nach der OP ist. Vor allem habe ich die Angst verloren, dass irgendeine falsche Bewegung gleich katastrophale Folgen haben könnte. Woran ich noch weiterarbeiiten muss, ist die Muskelkraft. Das eine Bein ist doch noch wesentlich schwächer. Bekanntlich dauert Muskelaufbau elendig lang, während der Abbau im Handumdrehen zu schaffen ist.
Eigentlich wollte ich mit dem Taxi nachhause fahren, ebenso bin ich auch hergekommen, aber die Verwaltung hat mir einen Gratistransport geradezu aufgedrängt. Ich möchte ja nicht Leuten, die sich ein Taxi viel weniger leisten können als ich einen Platz wegnehmen, sie haben aber geradezu darauf bestanden. Gut, übertrieben edelmütig bin ich dann fürchte ich auch nicht.
Montag 18.2.19
„Hupf in Gatsch“ heißt auf hochdeutsch übersetzt so etwas wie „Spring in den Schlamm“, sinngemäß „geh zum Teufel“. Nun hüpfe ich nicht in den Gatsch sondern lege mich sehr vorsichtig ins Moor. Vorsichtig, weil es ziemlich heiß ist. Ich wollte diese Therapie verweigern, weil ich es lieber kühl habe, bin jetzt aber sehr überrascht, wie angenehm und entspannend das ist.
Auch den Massagen stehe ich seit der Diagnose der beiden Gleitwirbel etwas skeptisch gegenüber. Ich fürchte mich vor zu kräftigen Massagen, die womöglich die Wirbel verschieben. Heute war ich also zu einer ersten Massage eingeteilt und war mir nicht sicher, ob ich sie überhaupt haben wollte und ja klar, ein absolut muskelbepackter Masseur kam auf mich zu. Ich hatte auf eine ganz sanfte Masseurin gehofft, wenn überhaupt. Er war aber so nett und hat mich alle zwei Minuten gefragt, ob eh alles passt und ob er eh sanft genug ist. War er, nur bei den Schultern hat er sich dann ausgetobt, aber insgesamt war auch das eine gute Erfahrung.
Auch das Gehtraining hat begonnen. Hoffentlich geht es mir da nicht wie dem Tausendfüssler, der plötzlich darüber nachdenkt, wie er seine Beine sortieren muss und dann sofort auf der Nase liegt
Sonntag 17.2.19
Wenn ich auf meinen Schrittzähler schaue, sehe ich da 10.200 und der Tag ist noch nicht vorbei. Mit sicheren Schritten im beginnenden Frühling in den vielen Parks hier herumzulaufen macht glücklich. Ich fühle mich ganz jung und sportlich, obwohl ich ja weder das eine noch das andere bin, aber der Tag und die Bewegung und die Sonne fühlen sich nun einmal hervorragend an
Die Stadt atmet Geld, geschmackvoll investiertes Geld, muss man schon sagen. Keine Protzbauten sondern Jugendstilvillen, vorsichtig renoviert, in gepflegten Gärten ohne goldene Gartenzwerge. Eine Gemeinde mit einem Casino und zahlreichen Thermalbädern und Kuranstalten hat natürlich viel Geld.
Abgesehen von meiner Kamera habe ich natürlich auch ein Buch mit. Ich hatte schon länger keinen Yalom mehr gelesen. Diesmal ist es „Denn alles ist vergänglich“ „Geschichten aus der Psychotherapie“. Leicht zu lesen und doch voller Lebensweisheit. Sollte jemand „Und Nietzsche weinte“ noch nicht gelesen haben, wäre das schade. Ich finde, das ist sein bestes. Auch „Die Schopenhauer-Kur“ und „Das Spinoza-Problem“ finde ich auch sehr gut ebenso wie viele von seinen Kurzgeschichten.
Ich weiß nicht recht, ob ich bedauern soll oder nicht, dass das Arnulf-Rainer-Museum heute nicht geöffnet war. Eigentlich wäre es ohnehin schade bei so strahlendem Wetter nicht im Freien zu sein.
Fühler ausstrecken
Brücke, Straßen, Plätze, der alte Kaiser Franz Josef ist allgegenwärtig. Auch andere Habsburger – die Kaiser-Franz-Straße, der Josefsplatz. Das Ambiente hat insgesamt ein altösterreichisches Flair und viel Kultur. Mir gefällt es auch rund um die Kuranstalt.
Die Kombination zwischen der Kaiser Franz Joseph Brücke und dem chinesischen Lokal finde ich sehr reizvoll.
Donnerstag 14.2.19
In glühenden Farben beschreibt mir der F. die wunderschöne digitale Rose, die er mir zum Valentinstag schicken würde, wenn sie nicht so groß wäre, dass sie mein W-lan sofort zum Zusammenbruch bringen würde. Ist natürlich ein Schmäh, aber es freut mich trotzdem sehr und der Zusammenbruch des W-lans ist keineswegs ausgeschlossen, es schwankt so dahin und Kaspersky lässt es nur unter ständigem Protest überhaupt durch.
Erstaunlicherweise können Tage, die um 6:00 beginnen sich als durchaus angenehm erweisen. Auch wenn der Tag mit dem Abzapfen von Blut vor 7Uhr nicht besonders vielversprechend begonnen hat, so hat er sich doch gut entwickelt. Zunächst gab es kurze knackige Vorträge, von den einzelnen Abteilungen und der Leitung, die dann insgesamt immerhin fast zwei Stunden dauerten aber streckenweise sehr informativ waren. Dann hatte ich ein Rendezvous mit einem Orthopäden, der die Arbeit seines Kollegen sehr lobte und die Position meines neuen Hüftgelenks als „ideal“ bezeichnete. Was wohl tatsächlich so sein muss, weil sein Blick auf den Bildschirm mit dem Röntgenbild geradezu verzückt war.
Dann durfte ich zum Mittagessen. Auch eigentlich überraschend ist das Essen sehr gut. Wer immer die Küche regiert, ist sehr phantasievoll. Allein schon die Suppen und Salate sind überaus abwechslungsreich und originell.
Nach dem Essen waren zuerst das Krafttraining und dann das Ausdauertraining dran. Ich war sehr froh über meine Kieser-Erfahrungen mit Krafttrainingsmaschinen sonst wäre ich wie die Kuh vorm neuen Tor da gestanden. Ein Ergometer hätte ich schon auch ohne „Vorkenntnisse“ erkannt, aber sonst nichts. Ich hatte mich ja bisher noch nicht einmal aufs Fahrrad getraut und bin richtig begeistert, wie gut alles funktioniert hat. Das Radln war überhaupt kein Problem, die Kraftmaschinen auch nicht. Anstrengend war alles aber schon. Und ganz besonders der letzte Physiotermin des Tages. Ich habe mich für eine Studie zur Verfügung gestellt, weil ich dadurch noch ein paar Stunden mehr Physiotherapie bekomme.
Zum Abschluss des Tages ging ich noch ein bisschen vor blauem Himmel fotografieren und nach dem Abendessen schließlich beteiligte ich mich noch an einer sehr entspannenden Malrunde, die von einer etwas überkandidelten aber sehr netten Dame geleitet wurde. Und zum Abschluss gelang es mir, das W-lan lange genug in Gang zu bringen um diesen Beitrag zu schreiben.
Montag 11.2.19 –
„Ich hab gelesen bei Ihnen gibt es Zimmer mit und Zimmer ohne Balkon. Habe ich eine Chance auf ein Zimmer mit ?“ frage ich die Rezeptionistin im Reha-Zentrum, das ich bald bewohnen werde. „Leider nein“ sagt sie „es ist alles schon eingeteilt“. Im Klartext heißt das wohl, dass ich früher hätte anrufen müssen. Na gut, was soll´s im Februar werde ich ohnehin kaum am Balkon sitzen wollen, ganz abgesehen davon, dass man bei einer Reha sehr beschäftigt ist und möglichst viel Bewegung machen soll. Vielleicht becirce ich die Rezeptionistin doch noch und ziehe nach einer
Woche um, falls es mir das wert ist. Vielleicht gefällt mir das Zimmer aber oder es gibt genügend öffentliche Bereiche im Freien. Alles vorher zu wissen, macht angenehme Überraschungen unmöglich.
So gerne ich verreise, so ungern packe ich Koffer. In diesem Fall ist das besonders absurd, weil ich in eine Stadt fahre, wo es im Notfall garantiert alles zu kaufen gibt, was ich eventuell vergessen könnte, inklusive diverse Ladekabel und _stationen. Wenn man Neurosen mit logischen Argumenten beikommen könnte, wäre das zu schön um wahr zu sein. Es ist ja auch nicht wahr.
„Augustin“ heißt eine Wiener Obdachlosenzeitung mit dem scherzhaften Untertitel „erste österreichische Boulevardzeitung“. Eine sehr interessante Zeitung, in der man Dinge erfährt, die in anderen Medien nicht vorkommen. Es gibt da auch einen Veranstaltungskalender, der in die Rubriken „gratis“ , „bis 7 euro“ und „ab 7 euro“ eingeteilt ist. Die Zeitung kostet 2.50 davon sind 1,25 für die Verkäufer*innen. Sie erscheint alle zwei Wochen und ist immerhin bei Nummer 475 angelangt.
Sonntag 3.2.19 – Banale Details
F. und ich haben seit ewigen Zeiten wieder einmal einen gemeinsamen Spaziergang gemacht. Hat sich gut angefühlt, er musste nicht allzuviel langsamer gehen als er es sonst tun würde, somit waren wir beide nicht genervt und hatten nicht das dringende Bedürfnis getrennt in verschiedenen Geschwindigkeiten unterwegs zu sein. Es war eh nur ein kleiner Spaziergang, einmal um den anderen Park herum, aber immerhin 5000 Schritte an einem Stück und die waren mir schon Monate vor der OP zu viel. Natürlich macht es auch einen Unterschied, ob ich auf Erde oder auf Asphalt gehe.
Meinen Schreibtisch habe ich leer geräumt, also die diversen Schulunterlagen in die richtigen Mappen verstaut und daran gedacht, wie großartig das sein wird, diese Dutzenden von Mappen zu entsorgen. „Entsorgen“ ist ja überhaupt ein sehr denkwürdiges Wort. Sich der Sorgen entledigen indem man Dinge wegwirft, nicht schlecht.
Gefühlte Tonnen von Münzen stehen bei mir überall herum, in verschiedenen Behältnissen. Die muss ich endlich einmal wieder auf die Bank befördern, vielmehr ins Münzzählgerät. Immer wieder erstaunlich wieviel Geld da in Münzform zusammenkommt.
Es gibt immer wieder neue Joghurtsorten, die mir teilweise sehr gut schmecken, nur gesund sind die nicht: die fettreduzierten enthalten enorm viel Zucker. Eigentlich sollte man nur Joghurt ohne Zusätze essen und das Obst – wenn überhaupt – selbst dazutun. „Sollte“ ist ein sehr wichtiges Wort im Bereich der Ernährung.
Alltag #4 – Wandlungen oder Stufen
Alltag ist nicht gleich Alltag, je nachdem in welcher Phase unseres Lebens wir uns befinden, in welchem körperlichen oder psychischen Zustand. Unsere Befindlichkeiten verändern unsere Wahrnehmung der Umwelt ebenso wie unsere eigenen Handlungen und Beschäftigungen. So war mein Alltag in den letzen Wochen sehr stark von meiner Hüftoperation bestimmt, von der Einschränkung in den ersten Tagen und der langsamen Normalisierung und vom Thema Stufen, um das es hier gehen soll.
Monate vor der OP konnte ich nur noch mit einem Bein voraus Stufen steigen, nun geht alles wieder und völlig schmerzfrei, aber ich muss mich erst selbst davon überzeugen, dass das wirklich so ist. So waren gestern Abend die drei Stockwerke im Altbau ohne Lift, die ich erklimmen musste um einen Freund zu besuchen in meinem Kopf eine echte Hürde. Nur im Kopf allerdings, denn tatsächlich bin ich völlig normal hinauf und hinuntergegangen.
Das ist eine Bassena. Das war in dieser Art Wiener Zinskaserne die einzige Wasserquelle für alle Wohnungen des Stockwerks. „Bassenatratsch“ nannte man die Informationen, die beim Wasserholen ausgetauscht wurden. Heute haben die meisten dieser Substandardwohnungen Wasser in der Küche und eine irgendwo eingebaute Duschkabine. Das allgemeine Klo am Gang gibt es aber durchaus noch.
Der Beginn des „Aufstiegs“. Die Steinstufen sind von über hundert Jahren Benützung abgenützt. Ich bin dieses Stiegenhaus schon oft hinaufgegangen, aber noch nie sind mir diese Figuren am Geländer aufgefallen. Ich habe auch einen Moment gebraucht um mich zu überzeugen, dass ich Stufen steigen kann.
Natürlich gab es auch ein Geländer. Wie Benita Wiese so richtig anmerkte, gehört das wahrscheinlich zur Bauvorschrift. Es war noch nicht einmal rostig, weil aus Holz. Das Haus ist insgesamt nicht allzu verwahrlost, da habe ich schon andere gesehen, und das Schmiedeeisen eigentlich sehr hübsch. Das ist nun die positive Seite meiner Stiegenangst, das Bemerken von Details.
Ich hoffe diesen speziellen Aspekt meines derzeitigen Alltags möglichst bald wieder vergessen zu können, davor muss ich aber leider erst vergessen, dass Stiegensteigen ein Problem ist und das gestaltet sich etwas zäh.

Dienstag 29.1.19
Erfreulich finde ich es, Zeit zu haben um Radio zu hören, OE1 mit seinen Sendungen zu den allerverschiedensten Themen, meistens oder sogar fast immer auf hohem Niveau. Heute gab es zum Beispiel für sprachinteressierte Menschen einen Bericht über das Buch einer jungen Historikerin zum Thema „Sprachenvielfalt im Heer der Donaumonarchie“. Es ging auch um das großteils vergessene Vokabular mit dem die verschiedenen Nationalitäten die jeweils anderen bezeichneten und um die Falsifizierung der Theorie, dass es eine große Chance sei, nur mit einer Sprache aufzuwachsen, weil man dann wüsste, wo man hingehört. Borniert finde ich diesen Ansatz, wenn man bedenkt was für eine große Bereicherung jede Sprache, die man lernt darstellt. Und je früher man sie lernt desto besser.
Ein Jammer, dass viele den Begriff „Heimat“ gleichsetzen mit „Beschränkung auf das, was es in der unmittelbaren Umgebung immer schon gegeben hat“. Als könnte man nicht Traditionelles und Neues erlernen und schätzen, als würde dies das Leben nicht enorm bereichern. Manchmal kommt mir vor, dass es in der alten Monarchie in manchen Bereichen viel weltoffener zuging als im heutigen Österreich.
Ich übe unverdrossen, eigentlich eher verdrossen, das Stiegensteigen. Mein Körper signalisiert „das geht nicht“. Es geht aber wohl, gut sogar, nur ist dieses Wissen nicht nachhaltig. Ich erinnere mich, dass ich völlig problemlos zwei Stockwerke genommen habe, aber die Erinnerung schafft es gewissermaßen nicht bis ins Körperbewußtsein. Ein frustrierendes Gefühl. Fein wäre es, wenn jemand in dem Reha-Team Feldenkrais-Methode gelernt hätte. Das wäre wohl genau der Ansatz.
Freitag bin ich bei jemandem eingeladen, der im dritten Stock Altbau ohne Lift wohnt. Wenn ich mich recht erinnere, haben die Stiegen auch kein Geländer zum Anhalten und der F hat auch keine Lust mitzukommen. Na gut, Motivation ist alles, ich werde das schon hinkriegen.
Hüftchroniken #12 – Kein Aufstieg ohne Rückfälle
Sehr gut unterwegs war ich schon, als ich gestern zur Kontrolluntersuchung zum Orthopäden fuhr. Sogar den Aufzug habe ich links liegen lassen und bin zu Fuß die Stiege hinaufgegangen. Nachher wollte ich ein bissl bummeln und essen gehen, aber leider kam alles anders.
Der Chirurg lies mich diverse Bewegungen machen, alles bestens, doch dann brachte er das Bein in eine Position, die mir noch etwas weh tut und plötzlich schoß mir ein heftiger Schmerz ein, totale Panik, ich war überzeugt, dass das Gelenk herausgesprungen war. Schließlich war das bei meinem Vater auch passiert, was ich natürlich ständig im Hinterkopf habe. Der Arzt hat sich wohl auch erschreckt, hat mir beim Aufstehen geholfen. Zum Glück konnte ich aufstehen und auch gehen, aber eine bestimmte Bewegung tat höllisch weh. Der Arzt war sichtlich erleichtert und meinte – wenig empathisch – wenn es das Gelenk wäre, würde ich nicht stehen sondern am Boden liegen, aber wir können ja zur Beruhigung ein Röntgen machen. Kommen Sie morgen früh vor 8:00 ins Krankenhaus. Nun war ich nicht nur schwer geschockt sondern bin auch ein absoluter Nicht-Morgen-Mensch und die Perspektive nach einer wahrscheinlich grauenhaften Nacht in aller Früh ins Krankenhaus zu fahren, hat mich überfordert.
Zum Glück hat der gute Doktor wieder einen Zipfel Empathie erwischt und hat mir eine Notfall-Röntgenüberweisung geschrieben. Gut, Taxi mit hohem Einstieg bestellt. Das erste war zu niedrig, das zweite hat gepasst. Ins Auto einsteigen hatte ich mich nach der OP noch gar nicht getraut. Es ist schwierig, dabei den magischen 90Grad-Winkel des Hüftgelenks nicht zu unterschreiten. Zu dem Zeitpunkt dachte ich mir, wenn es bis jetzt nicht rausgesprungen ist, passiert das sicher jetzt gleich. Nein, ich habe auch den Taxi-Einstieg überstanden, ebenso wie den gar nicht witzigen arabischen Fahrer, der meinte, wir würden noch schnell bei der hiesigen Al-Qaida vorbeischauen, er müsste noch was abholen. Ich konterte mit „ich habe ohnehin schon einen Sprengstoffgürtel um“. Er fand das lustig, ich nicht. Immerhin muss ich ihm zugute halten, dass er sehr schnell und ortskundig unterwegs war und ich nur eine Viertelstunde nach dem Schließen der Röntgenabteilung im Spital ankam. Außerdem hat man es wahrscheinlich als friedlicher Araber derzeit nicht leicht.
Die beeindruckende Organisation und Freundlichkeit dieser Klinik hat sich bewährt, wahrscheinlich auch die Hierarchie, die die Überweisung von einem Abteilungsleiter nicht ignorieren wollte. Wie auch immer, innerhalb von ein paar Minuten hatten sie jemandem aus einem OP-Saal geschickt um das Röntgen zu machen, auch nach dem Röntgen habe ich nur ein paar Minuten gewartet bis ein Arzt vorbeikam, der sich die Bilder ansah und die beruhigende Feststellung machte, dass das Gelenk perfekt sitzt und die Schmerzen nur muskulär sein könnten. Er telefonierte dann auch noch mit „meinem“ Chirurgen und schickte ihm die Bilder, die sie sich gemeinsam ansahen. Inzwischen war ich auch schon überzeugt, dass es ein Muskelschmerz war, der auch schon nachgelassen hatte. Fast kam bei mir schon schlechtes Gewissen auf, dass so viele Leute gearbeitet hatten obwohl es keine große Sache war. Vielleicht sollte man sich von Chirurgen nicht angreifen lassen, wenn man nicht in Narkose ist.
Heute ist es wesentlich besser und ich betrachte es als Erinnerung daran, dass ich mehr turnen sollte. Dafür ist die Heizung ausgefallen und ich sitze zuhause und warte auf den Techniker von der Fernwärme. In den Heizkörpern blubbert es gewaltig, aber sie bleiben kalt. Hoffentlich bleibt es eine kurze Pechsträhne