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Die Nicht-ABC-Etüde – Der F, „variabel“ und ich.

Zwar ist es eine Nicht-Etüde, trotzdem wird sie bei Christiane verlinkt.

In rot liest man den F, in schwarz mich

Was grummelst du denn da herum ?

„Variabel“ habe ich gesagt.

So, so ??

Das ist ein Blog-projekt.

Das Projekt für das du diese äh …….. kuriosen Kappl-Fotos machst ?

Nein, das mit den drei Wörtern zu einem Text.

Ah ja, ich erinnere mich. „Variabel“ ist ein Wort, und was sind die zwei anderen ? „statistische Relevanz“, „Zinssätze“, „Wasserstand“, „valide“ ?

Eben nicht. „Roman“ und „entlassen“. Ein völlig anderes Sprachregister.

Linguistenjargon !

Sprachregister und Jargon ist aber nicht dasselbe.

Ach komm, die kann man doch wunderbar verbinden. Ich denke mir eine Geschichte für dich aus.  Bei irgendeinem Experiment wird aufgrund der Verwendung variabler Größen irgendwas epochales entdeckt, aber derjenige, der das Experiment überwachen soll, liest oder schreibt gerade einen Roman und verabsäumt, den wichtigsten Moment des Experiments zu dokumentieren und daher wird er entlassen.

Das ist aber überhaupt nicht an den Haaren herbeigezogen !

Wie haben denn die anderen Projektteilnehmer das Problem gelöst ? Bei solchen Projekten  entsteht ja oft Schwarmintelligenz. 

Informatikerjargon ! Die allermeisten haben einfach andere Wörter mit ähnlicher Bedeutung durch „variabel“ ersetzt. Da steht dann nicht „unterschiedlich“, „verschieden“, „flexibel“ oder „veränderlich“ sondern „variabel“. Meistens sprengt das den ganzen Text.

Hmmm, habt ihr nicht kürzlich ausgiebig über Triggerwarnungen debattiert.

Schon, von Triggerwarnungen für Sprachpuristen war da aber nicht die Rede…..

Wie ich dich kenne, hast du wahrscheinlich schon eine Streitschrift zu dem Thema veröffentlicht und alle anderen Mitschreibenden beleidigt.

Natürlich nicht, wofür hältst zu mich ?

Wenn du mich das so direkt fragst ……. also das Talent zur Diplomatie wurde dir nicht wirklich in die Wiege gelegt und deine diesbezüglichen Erfolge sind sehr variabel  …..

Doch, doch, der F. und ich reden schon noch miteinander, nur die Verwendung von „variabel“ werden wir wohl eine Weile vermeiden. 

 

Guter Tag 15.8.18

Ein besonderer Tag: weder ist der Milchreis übergekocht noch die Quiche verkohlt. Nur die Wespenbelagerung wurde noch verschärft. Ein geruhsamer Tag: der Wind weht in die richtige Richtung, die Einflugroute zum Flughafen Schwechat ist heute anderswo. Ein besonders sauberer, aufgeräumter Tag: die Putzfrau war gestern besonders motiviert. Und insgesamt ist es wolkig und kühler, da erwachen meine Lebensgeister sofort …

Äußerst spannende Reportage darüber, dass Sprache die Art des Denkens formt. Man spricht seine Muttersprache nicht nur, man denkt auch in ihren Strukturen. Wen es interessiert, klicken  , es ist bis nächsten Dienstag zu hören.

Stärke und Verblassen

Die ABC-Etüden bei Christiane.

Jede Woche 3 vorgegebene Wörter, die zu einem Text aus maximal 10 Sätzen gemacht werden sollen.

Manche Wörter sind so abgedroschen und ausgelutscht, dass sie dem von ihnen Beschriebenen nicht mehr gerecht werden. Wie kann das erschöpfte, geschändete Wort „Frühlingserwachen“ noch die Kraft und Schönheit der Natur beschreiben? In jedem Frühling täglich millionenfach verwendet, steht es kurz vor dem Kollaps.

Es gibt auch überstrapazierte Gedichte, die schon reflexartig von fast jedem zitiert werden. So schön und bildgewaltig sie sein mögen, kommen sie doch völlig erschöpft aus der Mangel des Unendlichoftzitierens heraus. Mörikes blaues Band liegt schlapp im Kunstschnee, umgeben von Rilkes von weit fallenden Blättern. Worte brauchen Raum, Zeremoniell, Wertschätzung und immer wieder neue Aufgaben, sonst verkümmern sie zu dummdreisten Geplapperutensilien. Ein Hoch auf die lebendigen Sprachen mit aktiven, beweglichen, kraftvollen  Wörtern, die sich immer wieder neu präsentieren dürfen, in neuem Zusammenhang; die so reich sind, dass für jede Bedeutung zahlreiche Synonyme zur Verfügung stehen, dass jeder Satz neben sich eine Fülle von anderen möglichen Sätzen hat, die dasselbe ausdrücken können.

Sprachliche Mißverständnisse

Oft denke ich, wie Recht doch Karl Kraus hatte mit seinem Ausspruch „Österreich und Deutschland trennt eine gemeinsame Sprache“

Kürzlich habe ich zum Beispiel einen Kommentar auf einem blog gelesen. Hätte ich diesen Kommentar geschrieben, so wie er dort steht, dann wäre er absolut zynisch gemeint gewesen und hätte im Klartext geheißen “ Was für ein sinnentleertes Geschwurbel und Geschwafel ! “ Offensichtlich war dieser Kommentar aber ganz und gar nicht zynisch gemeint, denn die Adressatin war nicht beleidigt, sie fühlte sich vielmehr geschmeichelt.

Es besteht auch die entfernte Möglichkeit, dass die Adressatin den Zynismus nur nicht bemerkt hat. Das glaube ich aber nicht, üblicherweise verstehen Angehörige des gleichen Kulturkreises einander diesbezüglich.

So werde ich weiter staunen über die verschiedenen Ausdrucks- und Rezeptionsformen der gemeinsamen Sprache ….

„Hätten Sie gerne …..

ein Sackerl ? “ sagt der nette junge Buchhändler und entlockt damit seinen Kunden immer ein Lächeln. Einerseits für das löbliche Bemühen als Norddeutscher hunderte Male pro Tag das schwierige Wort zu probieren und andererseits  für den Mißerfolg es nach Jahren der allerfleißigsten Übung immer noch nicht richtig aussprechen zu können. Er ist arm dran. „Tüte“ kann er unmöglich sagen, das würden die Kunden übelnehmen, „Tragtasche“ klingt in einer Buchhandlung auch sehr eigenartig. Gar keine Erwähnung, dass das Geschäft auf Wunsch ein Transportmittel zur Verfügung stellt, geht irgendwie auch nicht. Also „Sackerl“, nicht „Sack-e-r-l“ sondern Sackerl ……

„Sackerl“ ist eindeutig ein Schlüsselwort für linguistische Integration in Wien.