Schlagwort: Momente –

Hüftchroniken #11 – nichts ist selbstverständlich

Triumph! Ich habe Socken an. Banal? Durchaus nicht. Nach fast 5 sockenlosen Wochen im Winter, habe ich es heute versucht und es ist mir gelungen. Zunächst mit diesem blöden Gerät, dass nicht einmal halb so praktisch ist, wie es angeblich sein soll, den Fuß in den Socken hineinstecken und dann mit leichtem, ganz, ganz langsamen Hinunterbeugen aus sitzender Position den Socken hinaufziehen. Und ……. gelungen. Was den Alltag betrifft, ist das Anziehen von Socken die größte Herausforderung. Schuhbänder wären genauso schwierig, aber ich mag ohnehin keine geschnürten Schuhe. Womöglich ändert sich das aber, wenn ich wieder problemlos den Fuß irgendwo hinaufstelle um die Bänder zu binden. Lächerlichkeiten? Ja, ja, das kommt einem so vor, wenn man keinerlei Bewegungseinschränkungen hat. Ich hoffe, dass ich sobald das neue Gelenk zur Normalität geworden ist, nicht vergesse, was alles nicht selbstverständlich ist.

Alte und doch aktuelle Geschichte

Zu den Dingen, die ich am Bloggen schätze, gehört die gegenseitige Inspiration für dieses und jenes. Heute inspiriert mich Ulli zum Erzählen einer alten Geschichte aus meinem Leben.

Ich war achtzehn, hatte Matura gemacht, es war Sommer und ich war gerade in Indien angekommen. Tja, ein kleines Missgeschick war mir passiert in der Aufregung über den Abschied von meinem damaligen Freund, der eindeutig nicht die Größe hatte sich für mich über die Reise zu freuen obwohl er nicht mitfahren konnte. Also kurz gesagt, ich hatte das im letzten Moment eingewechselte Geld zuhause vergessen. In den achtzehn Jahren meines Lebens war mir eingehämmert worden, dass ich bei Problemen im Ausland, welcher Art auch immer, sofort zu der jeweils verfügbaren österreichischen Vertretungsbehörde eilen sollte, die dann zunächst meinen Vater, einen hohen Beamten, anrufen und dann alles weitere erledigen würde. Man kann seinen Kindern schlechtere Ratschläge geben und so beschloss ich also die österreichische Botschaft in Delhi anzuvisieren.

Nur wie. Im Rückblick betrachtet war ich ziemlich mutig, aber auch reichlich naiv und bin auf das nächste Taxi zugestartet. Der Fahrer war ein älterer Sikh in einem prächtigen Turban, der sogar auf Anhieb wusste, wo die österreichische Botschaft zu finden war. Er kurvte gekonnt durch den auch damals schon höllischen Verkehr. Als wir vor der Tür der Botschaft standen, wurde mir aber so richtig bewusst, was für ein Problem sich da vor mir auftat. Ich musste schließlich dem Taxifahrer sagen, dass ich ihn leider, leider nicht bezahlen konnte.

Bis heute erinnere ich mich gerne an diesen freundlichen Mann und das, was er zu mir sagte. Bis heute versuche ich auch immer wieder diese Lebensweisheit umzusetzen. Seine Antwort auf die Information, dass ich leider kein Geld hätte um ihn zu bezahlen, war, dass er einen Sohn habe, der in Europa lebt und dass er glücklich und dankbar wäre, wenn auch diesem Sohn in einer Notlage jemand helfen würde. Deswegen wäre es ihm eine Freude mich hierher gefahren zu haben.

Die kurze Begegnung mit diesem Menschen gehört zu den prägendsten Erfahrungen in meinem Leben.

Scheideweg – ABC-Etüden Sommerintermezzo I

Bei Christiane, wie immer, auch im SommerDas braucht schon etwas mehr Zeit als eine klassische ABC-Etüde. Diesmal wollte ich gerne eine Geschichte mit einem happy-end schreiben. Ordentlich klischeehafte Figuren, aber immerhin eine ausbaufähige Geschichte.

An dem Tag an dem ihr erstes Forschungsstipendium genehmigt worden war, dachte sie zurück an Yasmin, nicht mehr mit der rotglühenden Wut der achtzehnjährigen sondern mit Dankbarkeit. Die starke Emotion hatte sie nicht vergessen, sie lag immer noch dicht unter der Haut, der Schmerz betrogen und als Figur in labyrinthischen Ablenkungsmanövern missbraucht worden zu sein. Die Wut, die Verzweiflung, das Gefühl des Verlassenseins. Der harte Schnitt in ihrem Leben.

Schön war es nicht am Baggersee, dazu waren die Steine zu spitz, das rundum wachsende Unkraut zu stachelig, die Bäume zu klein. Es gab in der näheren Umgebung attraktivere Badegelegenheiten und so blieb der Teich Fröschen, Libellen und Wasserläufern überlassen. Manchmal kamen Spaziergänger mit Hunden vorbei, die dann vielleicht kurz ins Wasser gingen, aber auch zu einem Hundeparadies reichte es auch nie. Die nahe gelegene Fischkonservenfabrik, dieser Betonklotz im Nirgendwo machte die Gegend auch nicht anziehender.

Es war ihr letztes Jahr im Gymnasium. Widerborstig, aufmüpfig, dachte sie, beschrieb ihre damalige Gemütslage wohl am besten. Langweilig fand sie ihre Mitschüler. Auch bei denen standen Biedermeierschränkchen und nachgebaute Bauhaus-Stühle zuhause, die Eltern waren gebildet, tolerant und gut gekleidet. Ihr ganzes Leben lag vorgezeichnet  vor ihr. Die bestandene Matura würde der erste Schritt in die absolute Konformität sein. Aber da gab  es den Unterwasserkönig.

Woher der Mann gekommen war, wusste man nicht. Es wusste auch niemand, ob und wo er eine Unterkunft hatte. Dass er aber am Baggersee seinen wohlgeformten Körper nackt darbot, wussten alle. Er arbeitete nicht, er lernte nicht, er lebte einfach, wie sie damals fand. Ganz genauso stellte sie es sich auch vor: einfaches Leben mit der Natur, Liebe und Freiheit. Es war ein heißer Frühling, dem ein heißer Sommer folgte und bald hatte sich rund um den Unterwasserkönig und den Baggersee eine Gefolgschaft Gleichgesinnter gebildet. Sie war die einzige Schülerin in dieser Gruppe und heftig beeindruckt von einer ihr völlig fremden Welt, deren Umgangsformen und Gesetze sie nicht kannte, die ihr aber als verlockendes Gegenmodell zu ihrem Leben erschienen.

Die schriftliche Matura war gut verlaufen, theoretisch sollte sie nun ihre Zeit mit dem Lernen für die mündliche verbringen. Tatsächlich kauerte sie auf einem Handtuch am Ufer des Sees. Die Steine stachen durch den Stoff, aber das nahm nur ihr rationales Ich wahr, das sie zum Schweigen verurteilt hatte. Die meterhohen Unkrautwedel  gefielen ihr besser als jede Palme und hatte ER nicht gerade genau in ihre Richtung gelächelt. Und jetzt kam er herüber. In steifem John-Wayne-Gorilla-Schritt hätte ihre Mutter gesagt und schallend gelacht. Er setzte sich neben sie und weil auf dem Handtuch nicht viel Platz war, rückte sie ein Stück und saß jetzt auf den Steinen, ganz nah an den Disteln. Die Luft flimmerte, die Sterne tanzten. Er gab ihr einen Stöpsel seines Kopfhörers und sagte, dass er alte Musik möge. Bach? Palestrina? dachte sie verwundert, was aus den Kopfhörern tönte, war aber Eddie Grant „Gimme hope, Joanna, …….“ Ach, sie verstand sofort, was er ihr damit sagen wollte, dieser wunderschöne, erotische, kluge nackte Mann auf ihrem Handtuch.

Dann tauchte Yasmin das erste Mal auf. Eines Nachmittags, an dem sie unlustig etwas Mathe lernte, stand sie vor ihrer Tür, in einer Art Mini-Federkleid und riesigen Ohrringen. Die Ohrringe waren größer als das Kleid hätte ihre Mutter gesagt. Yasmin war auch mit sonstigen Accessoires behängt, die sogar dem baggerseegetrübten Blick als geschmackloser Firlefanz erschienen. Im Laufe ihrer mehrwöchigen Freundschaft verbesserte sich Yasmins Outfit wesentlich. Viele Stücke wanderten aus dem wohlbestückten, bürgerlichen Kleiderschrank zu Yasmin hinüber, theoretisch als Leihgabe.

Sie tauchten nun immer gemeinsam am Baggersee auf. Yasmin sagte, dass sie den Mann nicht leiden könne und ihr nur der See so gut gefiele. Das rationale Ich tobte im Gitterkäfig, wurde aber nicht gehört. Yasmin gefiel es hier eben, na und, warum nicht? Über alle wichtigen Dinge wie Mode, Schmuck und Männer konnte man sich mit Yasmin stundenlang unterhalten. Unwichtiges wie Mathe, Biologie, Literatur kamen in ihrem Weltbild gar nicht vor. Umso besser, davon hatte sie selbst genug. Ein paar Ohrringe, die keineswegs aus Firlefanz bestanden, wechselten die Besitzerin. Yasmin ersetzte ihr alle anderen Freundinnen. Sie merkte, dass ihre Eltern sich wunderten, aber nichts sagten. Sie luden Yasmin allerdings auch nicht ein, wie sie das sonst mit ihren Freunden machten

Mehr schlecht als recht hatte sie die mündliche Matura bestanden. Nicht einmal in ihren Lieblingsfächern hatte sie geglänzt, was den Verdacht nahelegte, dass man sie als Erinnerung an bessere Zeiten und in der Hoffnung auf Veränderung durch die Prüfung getragen hatte. Nach einem klassischen Abschlussfest mit den Professoren und der Schulleitung, mit Reden, Geschenken, belegten Brötchen, Sachertorte und Sekt fuhr ihre Klasse in einen Club nach Tunesien. Sie wollte nicht mitfahren, sie bevorzugte den Baggersee. Alle schüttelten den Kopf, aber das war ihr egal. Ihren Eltern erzählte sie, dass sie sich lieber auf´s Studium vorbereiten wolle. Heute war ihr klar, dass sie das nicht geglaubt haben konnten.

Der Unterwasserkönig zeichnete sie unter seiner Gefolgschaft immer mehr aus. Sie durfte ihm sogar ein neues Handy organisieren. Heute dachte sie, dass er wohl davon ausging, dass sie es irgendwo gestohlen hatte, tatsächlich hatte sie es gekauft und war sehr stolz darauf, dass er es verwendete. Die Sterne tanzten immer noch. Die Grillen zirpten in der heißen Nacht, die Kräuter, die rund um den See auch wuchsen dufteten stark. Der Mann fuhr mit dem Finger die Linie von ihrem Nabel über den Bauch bis zum Venushügel nach und zerrte dann an ihrem Bikini. „Gimme hope Joanna, gimme hope Joanna, gimme hope before the morning come …..“ „gehen wir noch schwimmen“ fragte Yasmin scheinheilig und tauchte hinter einem Busch auf. So war es immer. Wenn es fast so weit war, wenn sie sich so nahe gekommen waren, dass endlich irgendetwas Körperliches passieren musste, tauchte Yasmin auf. Was immer undurchsichtig blieb, war die Reaktion des Mannes. Weder schien er verärgert noch auch nur irritiert, wie jemand, der schon den halben Teich leer gefischt hat und dem nun an einem weiteren Fang nicht mehr so viel lag.

Wenn sie und der Unterwasserkönig miteinander sprachen, störte sie Yasmin nie. Die Gespräche verliefen nach dem gleichen Muster: er fragte sie irgendetwas und sie erzählte dann, beschrieb das Haus ihrer Eltern, erzählte wann wer in der Siedlung wohin auf Urlaub fuhr, zu welchem Haus welches Auto gehörte. Er hörte ihr aufmerksam zu und stellte viele Zwischenfragen, sie war glücklich über die Aufmerksamkeit und das Interesse, das er für sie zeigte. Wie unendlich naiv sie doch damals gewesen war. Oft dachte sie über ihr weiteres Leben nach, wie die Liebe triumphieren würde über das Spießertum, wie sie gemeinsam mit ihm weggehen würde, an Orte an denen nicht einmal mehr eine Spur von der eleganten Wohnsiedlung zu sehen sein würde, nicht einmal mehr die Kirchturmspitze von der ganzen Bigotterie.

Dann kam der Tag und der Moment, den sie im Rückblick ganz klar als einen Scheideweg sah, eine Richtungsentscheidung für ihr Leben. Ihre Eltern würden erst am nächsten Tag zurückkommen, sie wollte nur in ihr Zimmer gehen, sich umziehen und dann den Weg zum Baggerteich nehmen. Sie mochte die Dunkelheit und machte kein Licht an als sie aus dem Garten ins Haus kam. Der Unterwasserkönig und Yasmin hatten gerade den Safe im Wohnzimmer geknackt und räumten den Schmuck ihrer Mutter in eine schon gut gefüllte Tasche. Sie konnte sich später gar nicht daran erinnern, die Polizei gerufen zu haben, aber sie hatte es getan und die Polizei kam sehr schnell. Sie patrouillierten schon seit ein paar Tagen, weil es viele Einbrüche gegeben hatte, immer punktgenau wenn die Bewohner nicht da waren. „Es war ein Spiel, wir haben das zu dritt ausgemacht“ sagte Yasmin und sah sie scharf an. „Nein“ sagte sie, „nein, das haben wir nicht und ich habe die Polizei gerufen.“ Dann kamen die Nachbarn um sich besorgt zu erkundigen, ob sie irgendetwas für sie tun könnten. Eine ihrer ehemaligen Mitschülerinnen, die gegenüber wohnte und auch nicht mitgefahren war nach Tunesien, lud sie ein bei ihr zu schlafen. Die Welt rüttelte sich in diesem Moment wieder anders zusammen und was nach ein paar Tagen herauskam, war eine klare Vorstellung davon, was sie gerne mit ihrem Leben anfangen wollte. Biedermeierschränkchen kamen darin nicht vor, aber auch keine Unterwasserkönige.

Knapp war das damals, ganz knapp, dachte sie und schickte Yasmin wo immer sie sein mochte einen freundlichen Gedanken dafür, dass sie durch sie so viel gelernt hatte.

 

Gestalterisches

In letzter Zeit kreist mein Leben um Krankheiten, Therapien, Tod, Alter, Vergänglichkeit. Alles unleugbare Bestandteile des Lebens. Nur sollte auch für anderes noch Platz und Energie vorhanden sein. Niemand kann Schicksale beeinflussen, aber die Einstellung zum Leben und dessen Gestaltung unterliegt der Eigenverantwortung, auch in finsteren Phasen …….

 

Neujahrssummen

Patriotismus ist eine Geisteshaltung, mit der ich im Normalfall nicht besonders viel anfangen kann. Eine Ausnahme macht da der 1. Jänner mit dem Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker. Ich bin gar keine besondere Liebhaberin klassischer Musik, aber das Neujahrskonzert höre bzw schaue ich mir immer an. Allein diese schönen Bilder ! Nicht dass ich irgendwas von den gezeigten Wien-Ansichten oder Donaulandschaften nicht eh schon gesehen hätte, aber natürlich nicht aus der Luft und auch nicht mit dem durchschwebenden Staatsopernballett. Naja, und bei Donauwalzer und Radetzkymarsch muss ich dann mitsummen.

Bei ganz schlimmen Anfällen höre ich mir womöglich anschließend noch Fendrichs „I am from Austria“ an und stelle fest, dass ich nicht nur den Text vom Donauwalzer sondern auch den Fendrich-Text auswendig kann. Damit ist das Thema aber dann für den Rest des Jahres erledigt.

Keine Muse, kein Stress

Ich bin völlig uninspiriert. Weder mag ich über Weihnachten schreiben, noch Jahresrückblicke, noch Bemerkungen „zwischen den Zeiten“. Meine derzeitigen Aktivitäten des Räumens und Sortierens bieten sich nicht zum Beschreiben an. Das sind einfach Aktivitäten, die mich nicht zu Worten anregen sondern zu Taten. Ich könnte mich rühmen, ganz im Hier und Jetzt zu sein. Das wäre aber auch nur teilweise wahr. Wahrscheinlich erhole ich mich einfach vom Adventstress.

Kleine Spaziergänge passen da gut. Wir waren „am Himmel“ im Wienerwald, bei strahlendem Wetter und dramatischem Himmel. Es gibt dort einen sogenannten Baumkreis. Kleinere Vertreter verschiedener Baumarten findet man dort in einem großen Kreis stehend , die für irgendein keltisches Horoskopsystem stehen. Nach diesem System wäre ich uneigennützig, was wahrhaftig nicht stimmt. Fs Beschreibung finde ich auch sehr schlecht gelungen. Nicht, dass ich davor an Baumhoroskope geglaubt hätte ….

Nicht nur, dass ich Zeit zum Lesen habe und zum Führen von längeren Gersprächen, es gelingt mir sogar, hin und wieder einen Film zu sehen. Zwar ist es kalt, windig und trocken, aber das gehört ja dazu und stört die paradiesischen Zustände nicht wirklich. Ich betreibe verschiedene Duftlampen und eine kleine Räucherschale und die totale Entspannung ist ausgebrochen. Sogar das Kombinieren und Konsumieren der Reste diverser Festessen ist durchaus lustvoll.

Ein dramatisches Bildchen, noch eine Weile vor Sonnenuntergang aufgenommen