Litauen literarisch – Zitate 3

Das Buch wird zunehmend skurriler und auch politischer. Es gibt eine Art  geheime Weltherrschaft, genannt „die Zentrale“ deren zahlreiche Agenten die Menschen beeinflussen und manipulieren. Einer dieser Agenten erzählt von seinem Arbeitstag:

„Der Tag war wie immer anstrengend, voller zu erledigender Arbeiten. Er rief die zuständige Person an und bat darum, dass der Parapsychologen-Messe im Sportpalast der größtmögliche Rabatt gewährt würde. (…) Sollten die Parapsychos ihre Nichtigkeiten vortragen, stapelweise Bücher über Karmadiagnostik kaufen, mit magischen Kristallen die Zukunft vorhersagen, mit Wünschelruten wedeln und Auren fotografieren. Sollte der frei Wille sich selbst auf den Geist gehen, sich an der Nase herumführen, sich Sand in die Augen streuen und sich in bedrucktes Scheißepapier wickeln. Je mehr für dumm Verkaufte es im Staate gab, desto besser! Jedem Verbraucher sein eigener Weissager! Jedem Politiker sein eigenes Orakel !

Auf der Messe sollten zu diesem Zweck die von der Zentrale hergestellten Orakulatoren verbreitet werden, spezielle Apparate, die den ahnungslosen Anwender glauben ließen, er stünde in direktem Kontakt mit Gott und könne sogar mit ihm plaudern. Die wunderbaren Apparätchen waren in Armbanduhren eingebaut, natürlich nicht in irgendwelche, sondern in solche mit besonderen Zeichnungen auf dem Ziffernblatt: Yin und Yang-Diagrammen, sechszackigen Sternen sowie Buddha und Christus. (…)

Die Zentrale betonte immer wieder, wie wichtig die Flut von Magiern und Mystikern für Litauen sei.(…) Keiner seiner Mitbürger setzte am Morgen auch nur einen Fuß vor die Tür, ohne nachgelesen zu haben, was ihm das Horoskop für heute verkündete, das selbst im allerletzten Käseblatt abgedruckt war (…) Raus mit den klaren Köpfen aus dem Rad der Geschichte, dann dreht sich das Rad leichter. Das Leben hatte an der Oberfläche dahinzugleiten. Weg mit der Tiefe ! p. 116

Zu meinen Lieblingsbüchern in diesem Genre der politischen Utopie gehören die beiden Klassiker „Schöne Neue Welt“ und „1984“ . Sie werden in diesem Buch als wegweisend für die Ideologie der neuen Weltherrscher beschrieben:

„Zur möglichen baldigen Einführung standen auch die von Aldous Huxlex beschriebenen Soma-Tabletten an, die einem jederzeit gute Laune garantierten, Zweifelm, stress, Müdigkeit und Enttäuschung beseitigten und – was am Wichtigsten war – unnötige, ketzerische Gedanken verschwinden ließen, die GEMEINSCHAFTLICHKEIT, EINHEITLICHKEIT, BESTÄNDIGKEIT schaden konnten.In gewissem Sinne wurde die Mission von soma in vielen führenden Staaten schon von Prozac erfüllt.“ p194

 

11 Gedanken zu “Litauen literarisch – Zitate 3

  1. das „Anti-Depressivum“ Prozak, so las ich in einer Studie von 2008, wurde damals schon von 40 Millionen Menschen eingenommen. Andere Handelsnamen für denselben Wirkstoff sind Felicium (A), Floccin (A), Fluctin (D) (nicht mehr im Handel), Fluctine (A, CH), Fluocim (CH), Fluoxifar (CH), Fluxet (D), Mutan (A), NuFluo (A), Positivum (A), Prozac (GB, USA), zahlreiche Generika (D, A, CH) (Wikipedia). Es ist eine durch Ärzte verschriebene Volksdroge. Zahlreiche Nebenwirkungen, u.a. Ängste und gesteigerte Aggression. sind nachgewisen, die Wirksamkeit bei Depression aber wird bezweifelt.

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  2. Irrwitzig? Oder „Farm der Tiere 2.0“ (diesmal mit Bezug zur Marktwirtschaft)? Der Auszug oben ist die bisher poetischste Umschreibung der Bilderberg-Konferenzen. Mich deucht, das hat einen sehr realen Kern. Nur – wer liest schon noch? Und dann auch noch sowas!

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    1. Na, ich zum Beispiel und viele andere lesen. Gut, dieses Buch lesen nicht so viele, es ist auch kein Spiegel-Bestseller, aber doch immerhin erschienen und in diverse Sprachen übersetzt. ….

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      1. Naja, …“Zeig mir, was du liest und ich sage dir, was für ein Mensch du bist.“ (Weiß nicht, von wem das stammt; inzwischen Volksmund) … würde ein litauischer oder ein bulgarischer oder senegalesischer Autor die großen Welträtsel enthüllen, die Topsecrets der Weltwirtschaft … es könnte überall erscheinen, es würde wenig jucken… es würde niemand wahrnehmen.

        Versuche, anderen Gehaltvolles zu empfehlen, gehen zu 99% schief. Das Buch bleibt ungelesen. An Gesprächspartnern zum Inhalt fehlt es auf ewig. Bernhard Jirgl „Die Unvollendeten“ oder Anatoli Kim „Eichhörnchen“ sind solche Fälle und dein Litauer passt da gut dazu.

        Aber ein Hinweis auf irgend so einen Fließbandschreiberling und seinen aberneuzigsten „Thriller“ reicht – zack – der wird besorgt und für gut befunden… lenkt eben gut ab, beschwert den Kopp nich‘, wird ganz ohne Voraussetzungen „verstanden“… ach, abwink … Menschheit eben, die will gar nicht weiter.

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  3. JURGA IVANAUSKAITÉ – ich musste mal schaun, weil sie völlig unbekannt für mich war.
    Yet their works are also been translated into Swedish.
    Muss ich mal in die Bibliotek. Bin neugierig geworden. – Zumal ich in Vilnius gewesen bin..

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