Dienstag 30. Jänner 2024 – Namen und Panzerschokolade

Namensverdrehungen und -witze sind primitiv, keine Frage. Manchmal ist die Versuchung aber schon groß. Zum Beispiel wenn die Sanierungsverwalterin von Signa Andrea Fruhstorfer heißt (gut, das „h“ muss man sich wegdenken) , da darf man schon ein bissl lächeln. Sonstige Gründe zur Heiterkeit bietet diese Riesenpleite ja nicht.

Das Lächeln vergeht einem aber wieder, wenn man daran denkt, dass in dem Ort mit dem phantasieanregenden Namen „Schattendorf“ am 30. Jänner 1933 jene Ereignisse stattgefunden haben, die letztlich zum österreichischen Bürgerkrieg im Februar 1934 geführt haben. Es waren Kampfhandlungen, die nur ein paar Tage dauerten, aber doch hunderte Tote gefordert haben.

Auch an einem 30 Jänner, nämlich 1933 ist Hitler ganz legal an die Macht gekommen. Neunzig Jahre ist das her und noch immer nicht überwunden. Die charismatischen Psychopathen reißen immer wieder mit. Ich verkneife mir die Liste der aktuellen Vertreter dieser Art. Im Fall unseres hausgemachten Psychopathen hat aber die Chemie auch ordentlich mitgeholfen.

Hitler selbst war höchstwahrscheinlich schwer süchtig und in seinen letzten Jahren kaum mehr in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen, sofern er das jemals war. Er bekam von seinem Arzt täglich eine Spritze, die vermutlich Pervitin enthielt, einem Methamphetamin, heute bekannt als Crystal Meth. 1941 wurde die Droge unter das Opiumgesetz gestellt,

Das neue Gesetz stellte Hitler und seinen Arzt vor erhebliche Probleme. Zwar stand der „Führer“ über dem Gesetz – doch da die Abgabe von Methamphetamin von nun an registriert wurde, konnten die Kontrollbehörden ab sofort jede Tablette zurückverfolgen.

Um die Gefahr zu umgehen, dass Hitlers Suchtmittelkonsum bekannt wurde, ließ Leibarzt Morell sein „Vitamultin“ fortan in seinen eigenen Hamma-Werken herstellen.

Von den in Goldpapier eingewickelten Tabletten hatte Hitler stets einen reichlichen Vorrat. Augenzeugen berichteten, dass er davon täglich bis zu zehn Stück geschluckt habe. Vor allem in Krisensituationen. Selbst noch in den letzten Stunden vor seinem Tod.

Quelle: Ärzte Zeitung 24.10.2016, 05:51 Uhr

Auch in der Wehrmacht war die Droge weit verbreitet, konzentrationsfördernd, angstdämmend …

Methamphetamin wurde erstmals 1893 von dem japanischen Chemiker Nagayoshi Nagi in flüssiger Form synthetisiert. In Deutschland forschte man seit 1934 an einem eigenen Verfahren zur Herstellung der psychotropen Substanz, das sich die Temmler-Werke 1937 patentieren ließen. (…)

Vor allem während der „Blitzkriege“ gegen Polen und Frankreich 1939 und 1940 wurde Pervitin millionenfach eingesetzt. Die Soldaten nannten die Droge „Panzerschokolade“, „Stuka-Tabletten“, „Flieger-Marzipan“ oder „Hermann-Göring-Pillen“.

Allein in den drei Monaten von April bis Juni 1940 bezog die Wehrmacht nachweislich 35 Millionen Tabletten Methamphetamin, nicht allein von den Temmler-Werken, die die Markenrechte für Pervitin noch bis 2015 hielten, sondern auch von der Ingelheimer Knoll AG, die mit Isophan ein eigenes Präparat auf den Markt gebracht hatte.

Quelle: Ärzte Zeitung 24.10.2016, 05:51 Uhr

Insgesamt kein toller Tag der 30. Jänner, auch der heutige nicht

43 Gedanken zu “Dienstag 30. Jänner 2024 – Namen und Panzerschokolade

  1. Danke für diese Infos, in dieser Ausführlichkeit hatte ich das noch nicht wahrgenommen.Ich lese gerade die Briefe meines Uronkels, der als junger Spund am ersten Weltkrieg teilnahm und auch häufig davon schrieb, wie viel Schokolade sie bekamen. Ich muss mal recherchieren ob auch damals schon Substanzen bei gemischt wurden.

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    1. Davon, dass auch schon im 1. Weltkrieg massiv Drogen eingesetzt wurden, habe ich noch nichts gehört. Aber Schokolade an sich bzw der Kakao produziert ja Serotonin und das ist ja immerhin etwas ….

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  2. Ich habe mich schon oft gefragt, wie es sein kann, dass manche Leute anscheinend überhaupt nicht mehr gefühlt haben, was sie Millionen anderen für furchtbares Leid erzeugten. Aber das mit den Drogen deutet darauf hin, dass sie das Fühlen, und den bei ihnen – durch das von ihnen verursachte Leid anderer – normalerweise erzeugten Schmerz chemisch pharmazeutisch betäubt haben. Beziehungsweise von anderen unter Drogen gesetzt wurden. Dass solcherart Drogen überhaupt in Massen hergestellt wurden und werden, ist schlimm.
    Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass auch heutzutage noch Soldaten unter Drogen gesetzt werden, um sie zu gefühllosen Kampfmaschinen zu machen. Den jeweils Mächtigen ist das Schicksal der einzelnen Menschen leider ohnehin egal. Und Soldaten sind für sie „Spielfiguren“, die sie sozusagen per definitionem dafür einsetzen, sich furchtbar verletzen oder gar töten zu lassen, im Dienste von etwas angeblich „Höherem“.
    Und manche dieser „höheren“ Mächtigen sind nicht zuletzt deshalb so verblendet, sich selbst für besonders „hoch“ zu halten, weil sie selber schwer drogenkrank sind.
    Was für eine kranke Welt!

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    1. Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass Soldaten immer schon versucht haben, die grausige Mischung aus Angst und Tötungshemmung mit diversen Drogen zu betäuben. Angefangen vom Klebstoffschnüffeln der Kindersoldaten. Dass auch diverse Diktatoren von Drogen abhängig sind, die sie aufputschen, verwirren und in psychopathischen Anwandlungen bestärken, auch darüber habe ich wenig Zweifel. Natürlich gibt es sicher auch Ausnahmen, man kann und sollte nicht alle Menschen über einen Kamm scheren. Nicht die Welt ist krank sondern einzelne Menschen. Leider oft jene, die an der Macht sind.

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  3. Lesenswert, wenn auch nicht wirklich weiterführend ist der Wiki-Eintrag zu Hitlers Psychopathie, beginnend mit der Pasewalk-Episode nach Hitlers Giftgas- und Verschüttungstrauma im 1. Weltkrieg. Da die damalige Krankenakte verschollen ist, bleibt Spekulation, welcher Behandlung er damals unterzogen wurde.

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      1. Nein, noch nicht gelesen. Mache ich später. Sicher ist, dass Hitler im Lazarett von Pasewalk war und dass er selbst darüber im „Kampf“ ausführlich berichtet. Alles andere ist vom Hörensagen, Spekulation, Schlussfolgern. Ich verstehe sehr wohl die Faszination, die von diesem x ausgeht: was geschah damals wirklich mit diesem jungen Soldaten? Wichtiger aber finde ich die Frage, was generell mit den jungen Soldaten geschieht und wer sich erdreistet, sie in Kriege zu schicken, damit sie töten oder getötet werden.

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        1. Da bin ich ganz deiner Meinung. Hitlers psychischer Zustand, so schlecht er gewesen sein mag, ändert nichts daran , dass er zurecht als millionenfacher Mörder betrachtet wird, der einen Weltkrieg mit unüberschaubaren Folgen ausgelöst hat

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          1. Da ich vermute, dass du mit diesem Kommentar auch mich ansprechen wolltest, möchte ich auch darauf antworten: Es nützt keinem einzigen Menschen dieser Welt, längst verstorbene (oder auch noch lebende) andere Menschen zu verurteilen als „böse“ Menschen, wie es dir nach meinem Eindruck wichtig zu sein scheint.
            Stattdessen zu versuchen, die URSACHEN zu ergründen; die dazu geführt haben, dass Schreckliches passiert ist. Zu versuchen zu verstehen, was jemanden wie Hitler dazu gebracht haben könnte, sich so fürchterlich zu verirren. Das nützt sehr vielen Menschen dieser Welt und dem Planeten als Ganzem!

            Denn NUR, wenn die Ursachen erkannt und verstanden sind, ist ein „NIE WIEDER“ sichergestellt!!!

            Weil nur, wenn die Ursachen erkannt wurden, sichergestellt ist, dass Menschen verstehen, was für Faktoren dazu führen können, dass (nicht unbedingt immer dumme) Leute sich zu sehr ungutem oder sogar ganz fürchterlichem Verhalten verleiten lassen.
            Bisher halten die allermeisten Menschen sich selbst jeweils für „unverleitbar“, da sie von dieser schädlichen „gute Menschen / böse Menschen“-Denkweise kommend, sich selber fast immer als „gut“ definieren. Und Menschen wie Hitler und alle seine Gefolgsleute als „böse Menschen“.
            Somit gehen sie davon aus, dass nur „böse Menschen“ sich zu furchtbaren Taten verleiten ließen. Ihnen, als „den Guten“ so etwas hingegen niemals passieren könnte. Aber: Auch sehr viele von Hitlers Gefolgsleuten werden sich selbst damals als „die Guten“ angesehen haben…. .
            Es ist daher sehr wichtig, zu verstehen, dass das Denken in „wir sind die Guten und „die“ sind die Bösen“ an sich sehr schädlich ist und unbedingt aufgelöst werden muss.

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            1. Du vermutest falsch, warum sollte ich dich über einen Kommentar an Gerda ansprechen wollen. Ihr seid zwei Personen, die ich sehr verschieden einschätze. Wenn ich dich ansprechen wollte, könnte und würde ich das doch über deinen Blog tun.

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          2. Ich freue mich zu lesen, liebe Myriade, dass du meiner Aussage zur Psychopathie als Folge von Kriegsbefehlen und Erlebnissen zustimmst. Für problematisch halte ich es indessen, „Hitler“ als millionenfachen Mörder etc zu bezeichnen. Der Mann Hitler hat vermutlich, außer als Soldat im WWI, niemanden getötet. Das Problem liegt woanders: im Denken sehr vieler Menschen, das zu jenem vielmillionenfachen Morden führte und auch seither nicht weniger mächtig ist. Zu diesem Denken gehört die Rechtfertigung von kriegerischen und ausbeuterischen Handlungen jeder Art, sofern es „guten Zwecken“ dient.

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            1. Eine kleine Berichtigung: Die Teilnahme an Kriegen kann zu psychischen Erkrankungen führen, muss nicht. Und es gibt selbstverständlich auch psychische Erkrankungen, die gar nichts mit Krieg zu tun haben

              Was Hitler betrifft ( warum setzt du ihn unter Anführungszeichen? ) muss ich mich jetzt vokabelmäßig bei Mitzi inspirieren. Echt jetzt ?? Hitler mit seinem monströsen Mörderregime, das für 40 Millionen Tote verantwortlich ist samt der mehrfachen Anzahl von Witwen, Waisen, Verstümmelten und Traumatisierten, wegen dem halb Europa in Schutt und Asche lag , diesen Hitler soll man nicht als Mörder bezeichnen, ihm keine persönliche Schuld geben? Weil er vielleicht (was obendrein sehr unwahrscheinlich ist) im 1. Weltkrieg niemanden getötet haben soll ? Das kann nicht dein Ernst sein. Nein Gerda, da hört sich bei mir die Relativierung und Verharmlosung auf.

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              1. Es ist ein Missverständnis, Myriade, wenn du meinst, ich wollte ihn exkulpieren. Nein, natürlich nicht. Aber ich exkulpiere genauso wenig die sehr vielen, die sich mit Berufung auf diesen Hitler aus der Verantwortung ihres eigenen Mordens stehlen. Vielmillionenfacher Mord wurde verübt, in Deutschland und außerhalb von Deutschland, und es war nicht Hitler als Person, der mordete. Jeder hat seine eigene Verantwortung: der Anstifter genauso wie der, der den Mord ausführt.

                Warum ich „Hitler“ in Anführungsstrichen schreibe? Eben darum: weil es nicht der Mensch Hitler, der mordete, sondern das Prinzip „Hitler“, auf das sich Millionen Deutsche und Österreicher berufen haben, wenn sie mordeten. Er war ihre Entschuldigung, ihr Führer und übergroßer Sündenbock, den sie, nachdem er tot war, auf einmal nicht mehr kannten. Schnell wurden die Fahnen eingerollt, „mein Kampf“ heimlich verbrannt, die Parteizeichen im Klo versenkt und man hatte von nichts gewusst.

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                1. Dabei, dass nicht nur der Anstifter schuldig ist sondern auch die vielen, vielen ausführenden Köpfe und Hände, ja da treffen wir uns wieder.
                  Über eine mögliche Trennung von Mensch und Prinzip Hitler muss ich noch nachdenken. Wie auch immer wäre es eine akademische Trennung, die für alle Opfer irrelevant bleibt.

                  Eine der wenigen „Nazi-Anekdoten“ über die ich je lachen konnte, fiel in die Zeit , in der Waldheim zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt wurde, auch von denen, die nie etwas gewusst und nur „ihre Pflicht“ getan hatten. Der damalige Bundeskanzler Sinowatz spottete: nicht Waldheim war bei der SS, nur sein Pferd“.

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                  1. Vielleicht fällt es leichter, das Prinzip zu verstehen, wenn man das Wort „Hitler“ durch „Führer“ ersetzt. Denn dann wird klar, dass die, die „folgen“, hoffen, sich für ihr eigenes Hassen und Wollen und Tun nicht rechtfertigen zu müssen. Sie können es auf den „Führer“ abwälzen. Solange es gut geht, jubelt die Gefolgschaft. Wenn es schlecht ausgeht, wird das „Führerprinzip“ zum „Sündenbock-Prinzip“.

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                    1. Ich verstehe schon, wie es gemeint ist. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich damit so ganz einverstanden bin. Der Verführung durch einen strahlend charismatischen Psychopathen ist nicht so leicht zu widerstehen, vor allem in Notzeiten.

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                  2. Wieso machst du diesen Unterschied? Sind nicht beide, der Anstifter und der Gefolgsmensch, Menschen? Wenn der Anstifter ein „Psychopat“ ist, würde er nach heutigen Gesetzen sogar nicht im Gefängnis, sondern in der Psychiatrie landen. Der Gefolgsmensch aber gilt weiterhin als normal, anständig und leider in die Irre geführt.
                    Hitler war ein weithin ungebildeter Mensch, der unter sehr schwierigen Bedingungen aufwuchs, der im Krieg Schlimmes erlebte und der Bücher und Broschüren las, die andere, gebildetere Menschen geschrieben hatten. Das nationalsozialistische System wurde von vielen solchen Menschen durch Zustimmung und Gefolgschaft gestützt, sonst hätte es gar nicht existieren können. Hitler allein war nichts. Aber das Denken, das er sich zu eigen gemacht hatte, fand ein gewaltiges Echo in den Menschen um ihn herum. Drum funktionierte es. Was war das für ein Denken? Das ist die Frage, die mich umtreibt.

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                    1. Und leider können wir aktuell zusehen, wie dieses Denken Raum in der Gesellschaft einnimmt. Schuldige gegen den eigenen Frust, der aus wirtschaftlichen Nöten entsteht, finden sich leicht und die Angst vor Autoritäten führt vielleicht dazu, dass Menschen unterstützt werden, die die eigene, ohnmächtige Wut erlauben und fördern. Die werden dann tatsächlich gewählt, weil Zorn emotional blind macht.

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  4. Über den österreichischen Bürgerkrieg 1934 habe ich neulich erst in dem Roman „Aspergers Schüler“ gelesen. Das Buch kann ich empfehlen, es geht nicht nur um Dr. Hans Asperger, welche Rolle er während des Dritten Reichs gespielt hat, und seine Beobachtungen von Autisten, sondern auch um die furchtbare „Jugendfürsorgeanstalt“ Am Spiegelgrund, und was dort während der NS-Zeit abgelaufen ist. So furchtbar…
    Elon Musk will jetzt Chips in menschliche Gehirne verpflanzen. Angeblich zu medizinischen Zwecken und getarnt als medizinischer Fortschritt… Bei dementsprechender Programmierung werden in Zukunft keine Drogen mehr nötig sein, um Menschen zu manipulieren und gefügig zu machen. Bei der Vorstellung wird mir speiübel…
    Der 30. Januar zählt definitiv zu den Tagen, die wir allesamt als Mahnung im Gedächtnis behalten sollen.

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  5. Danke für diese hochinteressante Zusammenstellung der Grauen des 30.1. ….. Wir hätten an diesem Tag einen entscheidenden Gutachter Termin gehabt für unsere Therapie und konnten glücklicherweise sowohl Termin als auch Gutachter:in verschieben. Am Tag darauf ging der Termin ganz o.k. aus. 😅

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