Donnerstag 25.4.2024 – Wiedersehen

Seit Wochen war ich nicht im Atelier, unter anderem wegen der Augenentzündung, die schon schlimm genug war ohne dass ich mir noch Farbe ins Auge geschmiert hätte. Nicht, dass mir das schon passiert wäre, aber das erste Mal kann ja im ungünstigsten Moment stattfinden. Heute habe ich mich dort mit dem D und der A-D getroffen, die ich auch beide schon ewig nicht mehr gesehen habe. Es war sehr nett und vertraut. Wenn man einmal bis zu einem gewissen Grad von Vertrautheit vorgedrungen ist, lässt sich dieser Zustand auch sehr schnell wieder herstellen, egal wie lange man einander nicht gesehen hat.

Viele von meinen Bildern stehen im Atelier herum, sie reifen gewissermaßen. Ich bin ihnen auch schon lange nicht mehr begegnet und habe mich auch über dieses Wiedersehen sehr gefreut. Die Rezeption auch eines eigenen Bildes verändert sich ja. Wenn man es ein paar Wochen nicht gesehen hat, kann es plötzlich sehr gut gefallen oder gar nicht mehr. Ich finde es ganz und gar unvorhersehbar in welche Richtung sich diese Veränderungen der eigenen Wahrnehmung entwickeln. Jedenfalls ist es ein sehr schönes Gefühl sich umgeben von eigenen Bildern in einem Raum aufzuhalten.

Nein, ganz so schlimm sieht es in unserem Atelier doch nicht aus, die Scheiben sind dicht.

Héviz – ein vielschichtiges Erlebnis

Wir haben ja nur ein paar Tage dort verbracht und sind mit dem Autoproblem schlecht eingestiegen. Der Aufenthalt war aber sehr angenehm, Unterkunft und Verpflegung erstklassig. Der riesige Thermalsee von Héviz, der obendrein ganz in der Nähe des Balaton liegt, war der Magnet für unseren Kurzurlaub in Ungarn

Der Heilsee in Hévíz ist mit einer Fläche von rund 4,4 Hektar der größte natürliche und biologisch aktive Thermalsee der Welt, in dem man im ganzen Jahr baden kann. Dieser wird durch eine Thermalquelle aus einem Krater in 38 Metern Tiefe gespeist. Die Quelle ist mit 410 Litern pro Sekunde derart ergiebig, dass sich das Wasser innerhalb von etwa 84 Stunden komplett austauscht. *)

Ein seltsames Gefühl war es doch über einer Quelle in 38 Metern Tiefe zu schwimmen, in Begleitung von Seerosen und Enten übrigens. Die besonders heißen Bereiche“ sind unter dem Gebäude in der Mitte.

Ein etwas kleines Foto und obendrein gefladert, aber so sieht der See von oben aus.

Das Wasser enthält Schwefel, Kohlendioxid, Kalzium, Magnesium sowie Hydrogenkarbonat und es besitzt leicht radioaktive Eigenschaften. Das Thermalwasser soll dadurch zur Entspannung des Körpers und damit zum Erfolg bei der Behandlung von rheumatischen und motorischen Beschwerden beitragen. Ferner wird im Winter der Bereich über dem Wasserspiegel zu einem riesigen Freiluft-Inhalatorium, da es zu einer starken Dampfentwicklung kommt. Diese Dämpfe sollen sich wohltuend auf die Stimmbänder auswirken. *)

Die Sache mit dem Freiluft-Inhalatorium hat sich zumindest an dem Tag, an dem wir dort waren, nicht bestätigt. Ich hatte mir den See riesenkochtopfartig mit ausgiebigem Wasserdampf vorgestellt. Es war aber gar kein Dampf zu sehen, obwohl die Außentemperatur im einstelligen Bereich lag. Das Wasser war aber doch so warm, dass man angenehm im Freien schwimmen konnte.
Tatsächlich sind wir eine gute Stunde im Wasser gewesen, was doppelt so lange ist wie empfohlen aber wir waren auch nur einmal im Seebad.

Es gab auch in unserem Hotel – neben mehreren Becken mit Normalwasser – zwei kleine Thermalbecken, die in manchen Teilen des Gebäudes einen schwefligen Geruch erzeugt haben. Leise Anklänge an die Hölle, aber nur geruchlich.

Auch der Schlamm vom Grund des Sees wird für physiotherapeutische Maßnahmen angewandt. Er enthält sowohl organische als auch anorganische Bestandteile, wobei die wichtigsten davon Schwefellösungen und Radiumsalze sind.

Die Wassertemperaturen des Sees betragen im Sommer etwa 33 bis 36 °C, im Winter rund 23 bis 25 °C. Dadurch ist ein ganzjähriger Badebetrieb unter freiem Himmel möglich. *)

So sieht der Eingang zum Thermalbad aus. Zu Lande und gespiegelt im Wasser

Zu den beiden Drachen, die den Eingang bewachen, meinte der F das wären wohl durch das radioaktive Wasser mutierte Miezekatzen. Eine natürlich völlig aus der Luft gegriffene Theorie. Als ob Katzen – mutiert oder nicht – ruhig herumsitzen und ein Wappen halten würden.

Der See ist riesig, das Badgebäude ist auch sehr groß. gut organisiert, bis auf die Tatsache, dass man nur in Forinth bezahlen kann. An den Kassen wird nicht gewechselt und man muss, wenn man nicht genug Forinth hat, an einem Bankomaten mit Gebühren wechseln. Nicht besonders kundenfreundlich, aber als Bürgerin eines Tourismuslandes verstehe ich vollkommen, wie sehr einem die vielen Touristen, die alle das gleiche wollen und nur als Ausnahme für sich selbst, auf die Nerven fallen können. Die Angestellten an der Kasse waren auch sehr freundlich, sie haben nur nicht gewechselt. Forinth werden übrigens mit HUF abgekürzt, was für ein Reitervolk wie die Ungarn doch eine sehr passende Abkürzung ist.

Von HTME – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=519215

Wer immer dieses Foto aufgenommen hat, hatte dabei dasselbe Problem wie ich mit der Metallstange vom Zaun (links unten), die man wegen der Spiegelungen nicht wegschneiden kann, die aber verhindert, dass die Türmchen ganz zu sehen sind.

Man kann im See baden oder im Untergeschoß des Badegebäudes. Dort unten herrscht der Charme einer etwas verwahrlosten Fabrikshalle: die zahlreichen Metallsäulen sind von Schwefelablagerungen bedeckt. Jedes verwendete Material sieht irgendwie extrem beansprucht und halb verrottet aus. Also die Instandhaltung der inneren Schwimmbecken, wo das Wasser noch wärmer ist als draußen und vielleicht die Mineralien besonders konzentriert, kommt mir etwas vernachlässigt vor. Die letzte Renovierung fand 2006 statt, es sieht aber alles um einiges älter aus.

Insgesamt war es aber ein wirklich schönes Erlebnis und wie man auf dem historischen Foto sehen kann, waren die baulichen Gegebenheiten früher schlimmer

Héviz hat eine lange Geschichte:

Funde römischer Münzen aus dem See weisen darauf hin, dass die Gegend vor knapp 2000 Jahren bereits besiedelt war.
Forschungen belegen, dass germanische und slawische Stämme zur Zeit der Völkerwanderungen ebenfalls das Gewässer nutzten.
Hévíz wird erstmals im Jahr 1328 als Locus vulgariter Hewyz dictus (im Volk Hewyz genannter Ort) urkundlich erwähnt.
Die Kur in ihrer heutigen Form mit dem Badebetrieb besteht mittlerweile seit über 200 Jahren. Im Jahr 1795 ließ Graf Feštetićs den Ort zum Heilbad ausbauen, indem er Badehäuser und Kureinrichtungen errichten ließ. Das Thermalbad wurde in den Jahren von 1964 bis 1968 erbaut und im Jahr 1987 durch einen Brand beschädigt. Zuletzt wurde es im Jahr 2006 baulich erneuert. *)

*) Quelle: Wikipedia

Der Familie Festetics gehört in der Gegend sehr viel. Das ist ähnlich wie bei den Esterházys im Burgenland. Wir haben ein Festetics-Schloss besichtigt mit einem sehr schönen Park mit verschiedensten, alten Bäumen und mit bestens bestückten Gewächshäusern mit Dutzenden verschiedenen blühenden Kakteen in allen formen und Farben. Die Fotos davon sind im Nirvana gelandet. Ebenso jene von der schönen Balatonpromenade . Die Theorie mit der defekten Speicherkarte der Kamera hat sich übrigens bestätigt. Einen internen Speicher hat die Kamera leider nicht und somit sind die Bilder eben pfutsch. Ärgerlich, aber es gibt wahrhaftig Schlimmeres.

Dienstag 23. April – das Auto-Wunder und der Ungarnaufstand 1956 – Impulswerkstatt

Unser ungarischer Automechaniker war offenbar sehr viel effizienter als er selbst angenommen hat. Wir sind ohne jedes Problem zunächst in der Gegend von Héviz herumgefahren, zum Balaton und dann zurück nach Wien. Nicht das allerkleinste Geräusch.

Der Zustand der Straßen hatte sich nun einmal in ein paar Tagen nicht gebessert. Manche Strecken waren ganz in Ordnung, andere hatten ordentliche Löcher, aber das Auto hat alles weggesteckt. Wir fuhren durch kleinere und größere Dörfer. Ein einziges habe ich in Erinnerung, das wirklich heruntergekommen aussah. Ansonsten waren es teilweise ganz schmucke Dörfer teilweise solche, die sehr einfach aussahen mit sehr kleinen Häusern, Vorbauten aus Hartplastik. Menschen waren kaum zu sehen. Nun sind wir ja durch Westungarn gefahren. Je näher man der Grenze kommt desto gepflegter sieht alles aus. Im Osten des Landes ist es sicher noch eine andere Sache.

Nachdem das Auto so klaglos funktionierte, waren wir nach einer Weile schon so entspannt, dass wir sogar eine Zwischenstation gemacht haben, in Sümeg, wo wir uns eine Burg und eine Kirche angesehen und diesen Gedenkstein gefunden haben. Es wird der lokalen revolutionären Gruppe gedacht, die am 27. Oktober 1956 dort getagt haben soll. Höchstwahrscheinlich wurde sie dann von den sowjetischen Panzern niedergewalzt.

An der Straße zur Brücke von Andau, über die 1956 so viele Ungarn nach Österreich geflüchtet sind, nachdem der Aufstand gegen die UDSSR blutig gescheitert war, steht auch diese Holzskulptur aus der Impulswerkstatt.

Montag 22. April 2024 – EU-Wahlen auch in Ungarn

Unter meinen verschwundenen Fotos befindet sich auch ein viel besseres von diesem Plakat, aufgenommen an einer prominenten Stelle an einer Uferpromenade des Balaton. Ich hatte ihm schon nachgeweint aber plötzlich habe ich im Vorbeifahren ein gleiches gesehen. Der F hat an einem ziemlich unorthodoxen Platz angehalten und ich bin hingestürzt um es nochmals zu fotografieren. Leider hatte ich keine Zeit eine bessere Beleuchtung zu suchen, aber gut, man sieht ein wenig davon.

Das wundervolle Plakat ist hinter Glas, vielleicht fürchtet man Schmieraktionen. Wegen der Spiegelung , die ausnahmsweise nicht erwünscht ist, kann man es auch sehr schlecht lesen. „migráció“ und „gender“ erklärt sich selbst. Als dritten Schrecken, den die EU angeblich verursacht, steht hier „háború“ = Krieg. Man beachte, dass von der Leyen ein männliches Gesicht bekommen hat. Von den anderen Feinden Orbáns, die hier als „Diener von Brüssel“ bezeichnet werden, kenne ich nur Peter Magyar, der große Demos gegen Orbán organisiert hat. Die anderen drei gehören sicherlich der Opposition an.

Warum dieses Land mit seinen ungemein freundlichen Menschen einen Orbán gewählt hat, lässt sich sicher nicht in zwei Sätzen analysieren….

Das darf nicht wahr sein

Es wird wirklich Zeit für eine neue Kamera ! Oder liegt es an mir?Heute ist es mir zum zweiten Mal passiert, dass die Kamera die Fotos eines ganzen Tages einfach nicht gespeichert hat. Dabei habe ich mir die meisten davon am Display angeschaut, da müssen sie ja gespeichert gewesen sein. Und jetzt sind sie eben weg, aufgelöste Pixel oder was weiß ich. Pechsträhne, sich häufende, undurchschaubare Fehlleistungen ?

Nicht den ganzen Tag …

haben wir in dieser schönen Wohngegend verbracht, zwei Stunden haben auch vollkommen gereicht, denn so schön war sie nun auch wieder nicht.

Die Lage hat sich etwas verbessert, aber repariert ist das Auto nicht. Das würde länger dauern als wir hier sein werden. Aber immerhin, mehrere kompetente Mechaniker meinen, dass wir in diesem Zustand bis nachhause kommen können. Falls nicht, gibt es immerhin zwei Optionen wie wir von irgendeinem Punkt unterwegs alle drei nach Wien kommen. Der F meinte, wir hätten den Abenteuerzusatz doch nicht buchen sollen, aber dafür ist es jetzt zu spät.

Wir hatten großes Glück mit diesem Mechaniker: er ist schon gestern zum Hotel gekommen um sich das Auto anzusehen und heute hat er sich Zeit genommen und zwei Stunden geschraubt und gedreht und die Reifen an- und abmontiert. An meiner Beschreibung sieht man, wie viel ich davon verstehe. Was mir aber klar ist ; es ist in Ungarn nicht einfacher als anderswo Freitag Nachmittag eine Werkstatt zu finden,

Der restliche Tag war durchaus entspannend und immerhin das Essen ganz köstlich. Irgendetwas zu lachen gibt es auch immer. Das Navi hat schon auf deutsch eine sehr gewöhnungsbedürftige Aussprache, jedesmal lache ich, wenn es „Favoriten“ englisch ausspricht, sein Ungarisch ist aber noch viel schlimmer, im Vergleich dazu, ist menes geradezu perfekt.

Donnerstag 18. April, 2024 – Magyarországon

Bis kurz vor dem Ziel lief alles bestens. Wir sind nicht auf der Autobahn sondern auf Nebenstraßen gefahren. Alles grün, die ungarischen Landstraßen werden nicht nur von Bäumen gesäumt sondern auch von Büschen und dadurch ist ein undurchdringliches Dichicht entstanden, das keinen Blick hindurch erlaubt. Hinter dem Dickicht könnten sich menschenleere Landschaftrn oder dichtbesiedeltes Land befinden. Den Eindruck der menschenleeren Gebiete hatte ich hauptsächlich In der ungarischen Tiefebene. Hin und wieder ein winziges Dorf, nur durch ein Schild gekennzeichnet, verborgen hinter Bäumen und blühenden Büschen. Große Rapsfelder schreien in Gelb. Geradezu geschwelgt habe ich in ungarischen HInweistafeln, Aufschriften, Werbungen, in allem, was ich gesehen habe, in Minimalgesprächen mit Ungarn.

Die Straßen waren streckenweise miserabel, voller Löcher, teilweise schlecht ausgebessert, teilweise gar nicht. Dafür gab es sehr wenig Verkehr. Nicht sehr lange vor unserem Ziel gab das Auto ein ziemlich besorgniserregendes Geräusch von sich, das wir nicht deuten konnten. Es hörte auf, kam wieder, die letzten paar Kilometer waren erschreckend. Zum Glück schafften wir es bis zum Hotel. Ein besonders netter Rezeptionist organisierte einen Mechaniker, morgen werden wir mehr wissen.

Es war ein sehr langer, insgesamt wenig entspannter Tag. Sollte die Werkstatt das Problem finden und beheben, könnte aus der Entspannung noch was werden, wenn nicht, wird es schwierig und aufwändig. Allein schon die ziemlich begrenzten Möglichkeiten nach Wien zurückzukommen. Vorläufig bin ich optimistisch und gehe heute für meine Verhältnisse sehr früh schlafen, die Theorie mit den Pechsträhnen geht mir aber im Kopf herum.

Kokoschka und Oppenheimer

Im selben Museum in dem es die Münter-Ausstellung zu sehen gab, fand auch noch eine weitere Ausstellung statt. Ich bin nur durchgeschlendert, weil ich nicht mehr sehr aufnahmefähig war. Dennoch hat es sich gelohnt.

Einen Hinweis auf den hochgeschätzten Schiele kann ich aber nicht übersehen, ob noch aufnahmefähig oder nicht.

Es ist alles nur Chimäre aber mich unterhalts …. *)

Um ins Schreiben einzusteigen, schleiche ich über einen schmalen Weg, der nur streckenweise von dornigen Ranken befreit ist. Er windet sich irgendwo zwischen Gedanken und Emotionen, schweift einmal ins eine Gebiet, einmal ins andere. Im Vorbeigehen ziehe ich leicht zerfledderte Erinnerungen aus Blüten und Müllcontainern, versuche Giftpflanzen zu vermeiden und erinnere mich doch genau an ihren Nachgeschmack. Manche Wegstücke müssen mit der Machete frei geschlagen werden, andere bestehen aus Treibsand. Die Muse ist eine Chimäre, man muss sich schon selbst in Bewegung setzen

*) Nestroy „Die Papiere des Teufels oder der Zufall“

So viel …

… zu den gesunden Sprossen. Die Schimmelformationen sind ja sehr hübsch, aber kaum zum Verzehr geeignet.

Gesund ist das eindeutig nicht. Da kaufe ich mir doch lieber die fertigen Sprossen. Dabei habe ich nicht die Freude, sie wachsen zu sehen, aber es ist weniger Aufwand und sicherlich gesünder.
Hätte ich Schimmel züchten wollen, wäre es aber ein voller Erfolg geworden, diese feinen, kunstvollen Fäden, wie Spinnweben. Die Pflänzchen wachsen dazwischen auch ganz ungerührt.

Vielleicht versuche ich es noch einmal, immerhin habe ich ja Berge von Samen gekauft. Also die Schalen mit Essig ausbürsten, in der Sonne trocknen, nochmals ausbürsten, neu säen …. und abwarten…

101. Station meiner Literaturweltreise – Libanon

Der Erzählstrang, der in der Gegenwart läuft, handelt in Beyrouth, Hauptstadt des Libanons. Daher die Zuordnung.

Ich habe bisher vier Bücher von dem renommierten französischen Autor Eric-Emmanuel Schmitt gelesen „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“, „Oscar und die Dame in Rosa“ , Odysseus aus Bagdad“, das „Evangelium nach Pilatus“. Alle fand ich gut geschrieben und inhaltlich interessant und hatte somit sehr positive Erwartungen an sein neues Buch „Der Morgen der Welt“, die deutsche Übersetzung von „La traversée des temps“ (Verlag Albin Michel), das bei Bertelsmann herausgekommen ist und wie es scheint der erste Band einer achtbändigen Reihe ist. Die deutsche Übersetzung des zweiten Bands wird schon angekündigt, während in Frankreich gerade der vierte Band herauskommt.

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Schmitt ist ein beliebter, preisgekrönter französischer Schriftsteller und Dramaturg, ein Humanist, der sich mit vielen brennenden Themen der Welt beschäftigt hat, ein guter Erzähler. In dieser achtbändigen Reihe ist sein Anspruch, die gesamte Geschichte der Menschheit in Romanform darzustellen. Mir scheint allerdings, dass dieses Werk nicht sein bestes ist.

Die Geschichte ist nicht kompliziert. Sie beginnt in der Steinzeit mit einem jungen Mann namens Noam, der sich in weiterer Folge als der Noah der Sintflut herausstellt und der durch ein mysteriös bleibendes Ereignis zum Unsterblichen wird, der durch die Zeiten irrt. Das ist keine neue Idee, es geistern viele Unsterbliche oder auch Wiedererweckte durch die Literatur, die Belletristik und den Trash. Dieser Unsterbliche ist ein Ich-Erzähler und eigentlich das Produkt eines guten Autors.

Als Abenteuergeschichte, liest sich der Roman flüssig und spannend, aber die Figuren sind undifferenziert geschildert, flach, klischeehaft und eindeutig in gute und böse eingeteilt. Die weibliche Protagonistin etwa, die wie eine Art launische Barbiepuppe dargestellt wird, trägt an einer Stelle ein transparentes Gewand. (aus welchem Material könnte es sein?) Ich gehe davon aus, dass Schmitt über die Steinzeit, in der der Roman hauptsächlich spielt, recherchiert hat. Allzuviel Wissen darüber gibt es aber gar nicht, und es gelingt ihm keine glaubwürdige Darstellung weder der Zeit und ihrer Lebensumstände noch seiner Protagonisten: sie agieren und sprechen wie Menschen aus dem 21 Jahrhundert, die – warum auch immer – in angedeuteten steinzeitlichen Kulissen leben.

Im Zentrum des Geschehens steht einerseits die sich ankündigende Sintflut und andererseits mehrere Liebesgeschichten und Familientragödien. Der Autor geht davon aus, dass man im Neolithikum in polygamen Familien lebte, was, wie vieles andere in dieser Geschichte beschriebene nur auf Vermutungen beruht.

Nun könnte man sagen, dass doch eine in der Steinzeit spielende Geschichte erdacht werden kann. Ja schon, aber der Autor bezieht sich immer wieder in Form von langen Fußnoten auf die gesamte Geschichte der Menschheit. Einerseits mit erhobenem Zeigefinger zu Themen wie zum Beispiel Umweltverschmutzung und Klimakrise, andererseits mit Anekdoten aus dem Leben des unsterblichen Noam, der sich mit allen möglichen bekannten Persönlichkeiten der Geschichte getroffen hätte. Beispielsweise hat er Einstein das Leben gerettet, weil dieser ein sehr schlechter Segler war und sie gemeinsam in einen Sturm kamen (S 507), er hat Diderot und Jean-Jacques Rousseau getroffen, die beide in ihren Werken stark beeinflusst wurden von einzelnen Sätzen, die Noam von sich gab.(S.238) In der Sprache der Zwanzigjährigen würde ich sagen, es ist einfach too much.

Dieser erste Band einer in acht Bänden angelegten Geschichte hat durchaus auch Stellen , die mir gefallen haben, es sind nur nicht allzu viele. Ich denke, dass dieses Projekt auch gar nicht zu bewältigen ist, zumindest nicht in dieser erzählerischen Form. Eine Geschichte der Menschheit vom Neolithikum bis in die heutige Zeit mit demselben Protagonisten und in einer realistischen Erzählform mit gelegentlichen mystischen Einsprengseln. Weder wird das Leben in der Zeit einigermaßen glaubwürdig dargestellt noch kann man sich die handelnden Personen außerhalb der Gegenwart vorstellen.

Der Roman ist in zwei Zeitstränge gegliedert: die Gegenwart im Libanon und die Jungsteinzeit irgendwo an den Ufern des Schwarzen Meers. Die Übergänge von einer Erzählzeit in die andere sind so gestaltet, dass der Text spannend bleibt, aber den Übergang vom Ich-Erzähler in der Steinzeit zum Ich-Erzähler in der Gegenwart finde ich nicht besonders gelungen.

Insgesamt finde ich „der Morgen der Welt“ als Abenteuergeschichte nicht schlecht, für Leser*innen ohne Anspruch auf glaubhaftes historisches Ambiente und mit hoher Toleranzschwelle für klischeehafte vor allem weibliche Figuren.