Sonntag 22. OKtober 2023 – Ein Wunder, dass sie nicht sinkt, die Serenissima

Ein Bild des Grauens bot sich uns beim Anlegen in Venedig, zigtausende Touristen. Eine Mischung aus Almauftrieb, Einfall der Barbaren und Disneyland. Die allerwenigsten interessierten sich allerdings für ihre Umgebung. Genausogut hätten sie ihre vergrinsten Selfies vor einer Papierleindwand machen können.

Dass es im Oktober ruhiger sein würde, hat sich als frommer Wunsch herausgestellt. Hätten wir als gelernte Wiener auch wissen können, dass der Städtemassentourismus das ganze Jahr über läuft. Obwohl, vielleicht ist es im Sommer noch schlimmer. Für den Eintritt in die Markuskirche und den Dogenpalast nicht gerade kilometerlange aber unerträglich lange Schlangen. Wir haben auf beides verzichtet zumal es, wenn man einmal drinnen ist, völlig unmöglich sein muss irgendeine Atmosphäre zu spüren oder auch nur näher an ein Objekt heranzukommen.

Wir haben uns durchgeschlagen durch die Massen (Natürlich waren wir selbst auch Teil der Masse. Das darf man nicht vergessen). Von Wien kenne ich die Situation: auf den Trampelpfaden ist kein Durchkommen, aber ein paar Schritte in eine Nebengasse, die es nicht in die Reiseführer geschafft hat und man kann durchatmen. Auch in Venedig ist das so ähnlich. Wir haben eine wunderschöne fast leere Kirche gesehen mit geschnitzten hölzernen Querbalken, wir haben ein Lokal gefunden in einer ruhigen Nebengasse mit Blick auf einen höchst sehenswerten Palazzo. Wir haben auch viele schöne Details gesehen. Ohne nähere Ortkenntnisse ist es aber schwer die Massen zu umgehen.

Schließlich haben wir uns dazu durchgerungen doch mit einer Gondel zu fahren. Man sieht die Orte, die schwarz vor Menschen sind vom Wasser aus etwas besser und hat immerhin einen gewissen privaten Luftraum garantiert. Etwas peinlich fand ich es trotzdem, aber gut. Es ist nicht schwer einen Platz zu finden von dem Gondeln abfahren. So eine Fahrt ist recht teuer daher ist der Andrang überschaubar.Wir hatten uns schon eine Gondel bzw einen Gondoliere ausgesucht, aber leider teilte er uns mit, dass das heute die letzte Fahrt war, weil das Wasser zu hoch stehen würde und man unter den kleinen Brücken nicht mehr durchkäme.

Mit anderen Worten: acqua alta. Unterwegs in Richtung Hafen stand an manchen Orten das Wasser 30. 40 Zentimeter hoch. Viele schlaue Menschen verkauften an allen Ecken und Enden solche schicken Plastikgaloschen in verschiedenen Farben und Materialien.

Es gab interessante Szenen zu sehen, wie die Menschen über die überschwemmten Stellen kamen. Ich sah zum Beispiel eine junge Frau mit Gipsbein (auch das sieht man kaum mehr) die von ihrem Partner (?) in ausgestreckter Position auf dem Rücken getragen wurde. Für mich war es interessant zu erleben, wie Venedig bei acqua alta aussieht, der F war wesentlich weniger begeistert.

Um zur richtigen Bootsstation zu kommen, mussten wir mehrmals durchs Wasser. Hand in Hand wateten wir über den Markusplatz. Nicht dass das eine besondere Freude gewesen wäre, aber es sind Momente, die guten Stoff für gemeinsame Erinnerungen liefern.

Es gab auch Leute, die seelenruhig mit den Füßen im Wasser im Café saßen und andere, die einfach im Wasser herumstanden. Man sieht auf dem Foto im Hintergrund auch die blauen, orangen und gelben Plastikgaloschen.

Es braucht ja nicht allzu viel um Venedig zu überschwemmen, es liegt nur einen Meter über dem Meeresspiegel. Wir werden einen zweiten Versuch machen um weiter vorzudringen uns aber vorher über die Lage erkundigen.

Alles in allem war es ein recht interessanter Tag. Ich war ja schon mehrmals in Venedig, zu Zeiten als es dort noch wesentlich ruhiger war und habe viele Erinnerung, insbesondere an die Markuskirche mit teilweise abgesunkenen Mosaikböden und starker Atmosphäre. Ich bewahre mir eben diese Erinnerung.

Zum Abschluss des Tages bekamen wir auf der Rückfahrt noch einen speziellen Sonnenuntergang geliefert.

An Wetterlagen haben wir schon so ziemlich alles durch, vom kühlen Regenwetter, dann idyllisch bewölkt mit melancholischer Stimmung und nun strahlender Sonnenschein und warm. Es ist ja schon etwas beunruhigend, wenn Ende Oktober Badewetter herrscht, aber nachdem es dadurch, dass man das Baden verweigert nicht besser wird, kann man es genauso gut genießen. Ich mache mich auf den Weg.

54 Gedanken zu “Sonntag 22. OKtober 2023 – Ein Wunder, dass sie nicht sinkt, die Serenissima

  1. Bisher hat es uns nie gereizt dorthin zu reisen, auch wenn es sehenswert erscheint.
    Nach deinem Bericht mit dem Massentourismus, selbst bei widrigen Wetter, wird es wohl auch so bleiben.

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        1. Ein Samstagsgewimmel. Bis zu einem gewissen Grad ja. Es waen heute immer noch sehr viele Leute, aber deutlich weniger und wir waren auf ganz anderen Wegen unterwegs. Ziemlich erschütternde Kunstwerke haben wir gesehen und so manch anderes.

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  2. Gern würde ich Venedig einmal selbst erleben. Aber mir graut vor dem Touristendasein, es würde mir auch keine Freude bereiten, mich in Massen durch die bekannten Gassen schieben zu lassen, ohne von der morbiden Schönheit wirklich etwas zu sehen. Deswegen schaue ich mir sehr gern solche Reiseberichte wie deine an. Ich finde es schon prima, dass wenigstens die dicksten Kreuzfahrtschiffe inzwischen aus der Lagune ferngehalten werden.
    Eine schöne Zeit noch, egal bei welchem Wetter.
    Grüße, Anja

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    1. Es waren heute viel weniger Leute, wir sind weiter in die Stadt vorgedrungen, weg von den Trampelpfaden und mit den öffentlichen Schiffen gefahren. Diesmal wr es ein tolles, positives Erlebnis.
      Ich habe gar keine Kreuzfahrtschiffe gesehen. Es ist wohl aber auch nicht die Jahreszeit dafür

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  3. Ist schon heftig mit dem extremen Andrang dort, zudem da grad auch noch Hochwasser und finde es toll wie du damit umgehst!
    Am schlimmsten aber empfand ich es in Bezug auf Venedig immer, dass lange Zeit diese riesigen hässlichen Kreuzfahrtschiffe in die Lagune fahren durften, denn kenne diese im Grunde sehr reizvolle Lagunenstadt noch aus einer wirklich schönen Zeit, mit sehr viel weniger Tourismus und entsprechend bezauberndem Flair. Genau das behalte ich mir auch in Erinnerung.
    Liebe Grüße, Hanne

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    1. Die Kreuzfahrtschiffe wurden – glaube ich – aus der Lagune verbannt. Ich habe zumindest kein einziges gesehen. Gut, wer macht auch Kreuzfahrten im Oktober.
      Die Stadt ist wunderschön. Wir haben es heute klüger gemacht und die Massen hinter uns gelassen. Es war ein schöner Tag.

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      1. Habs auch mitbekommen, dass diese Riesen inzwischen aus der Lagune verbannt sind und sie zerstörten ja auch einiges dort, was sich während der Coronazeit zum Glück wieder einigermaßen erholen konnte.
        Die Stadt ist wirklich wunderschön mit einem ganz besonderen Flair und seit wir uns die Urlaube sowie Zeit dabei als Rentner optimaler einteilen können, meiden wir Erkundungen an Wochenenden. Weil da vor allem die Besucher für nur Kurztrips die Gegenden zu sehr übervölkern und freue mich gerade darüber, dass es dann doch ein schöner Tag für euch wurde!

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  4. Die Fotos vom überschwemmten Marcusplatz mit den Spiegelungen und vom Sonnenuntergang über den Wellen sind wundervoll. Die Menschenmassen sind leider in allen schönen Städten unterwegs. In einem Andalusienblog einer dort angesiedelten deutschen Fremdenführerin las ich, wie froh die Einheimischen waren, als nach der Covid-Zwangspause, die ihnen sehr zu schaffen machte, die blöden verhassten Touristenmassen wieder durch ihr Quartier zogen, denn da belebten sich auch ihre Geschäfte wieder. Und zum Glück beschränken sich diese Massen auf die angesagten Orte, zu mehr haben sie keine Zeit.

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    1. Das ist schon wahr, mit etwas Glück kann man die ärgsten Orte vermeiden, aber andererseits möchte man ja doch auch die größten Attraktionen sehen und dort ist es dann sehr voll. Venedig lebt und stirbt durch den Tourismus. Andalusien ist auch ziemlich arg, ja. zB: um mit einer Gruppe in die Alhambra hineinzukommen muss man sich Monate vorher anmelden

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      1. Besuche in Venedig sind bei mir schon mehrere Jahre her, aber Granada mit Alhambra besuchten wir während unserem Andalusien-Urlaub vor 4 Jahren mit einer erst am Urlaubsort Benalmadena gebuchten Reisegruppe. War aber innerhalb der 14 Tage kein Problem, sogar mit ganz toller Führung, dort alles zu besichtigen. 🙄

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  5. Ich würde niemals nach Venedig oder sonst wohin reisen, wo so viele Touristen sind, aber ich bin alt und habe genug Fernreisen gehabt im Leben. Außerdem lebte ich viele Jahre auf Föhr und weiß, was der Massentourismus mit den Einheimischen anstellt. Deinen Bericht las ich mit großem Vergnügen und ich freue mich, dass Du es so schön hast!🙋‍♀️

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  6. Natürlich sind wir alle Teil der Massen an solchen Orten.
    Ich war das letzte Mal zwischen Heiligabend und Silvester in Venedig. Fast alle Restaurants und Cafés waren geschlossen. Mein Hotel, alt und ziemlich runtergekommen; aber tadellos sauber, war absolut filmreif.
    Nirgends Warteschlangen und man hatte seine Ruhe. Und der morbide Charme dieser einmaligen Stadt überwältigte die Empfindungen.
    Dennoch habe ich darauf geachtet, nirgends ein rotes Mäntelchen zu sehen.

    Gute Tage weiterhin,
    Robert

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    1. Ich finde auch, dass das Morbide einen großen Teil des Charmes ausmacht. Ob man zu Silvster noch in einiger Ruhe in Venedig herumstapfen kann, bezweifle ich, aber wer weiß. es ist auch eine gewisse Glückssache.
      Ein rotes Mäntelchen habe ich gesehen, allerdings steckte da drin eine Zweimeter-Frau, die ich als unverdächtig eingestuft habe 😉

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  7. Das Morbide – oh ja, es zieht an, wenn es in einer solchen Kulisse zu sehen ist.

    Aber Venedig und hohes Wasser. Daran habe ich noch nie gedacht, immer nur an die Kanäle und Gondeln, an die wundervollen alten Paläste und möglichst wenige Touristen…
    Genießt die Tage und lasst die Gondeln Freude tragen

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  8. das hat schon was mit dem acqua alta… mit wasser an den füssen im café sitzen finde ich gut. das volk der yoruba hat ein wort für menschen, die den unaufgeregten umgang mit höheren gewalten pflegen. so jemand, sagen sie, habe viel itutu.

    liebe grüsse!

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    1. Ah, danke. Das entspricht ja vielen Ansätzen zur Gelassenheit in vielen Kulturen. Besonders interessant finde ich den Ansatz bei den Yoruba, dass ein weiser Mensch erkennt, was eben „Schicksal“ ist und nicht geändert werden kann. Ich halte das für eine sehr erstrebenswerte Lebensphilosophie.
      In Wien gehört es zu den Jahreswechseltraditionen in eine Aufführung der Operette „die Fledermaus“ zu gehen und da wird gesungen „glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist“
      Wenn man in Zeiten lebt, in denen allzuviel unter die Rubrik „kann – zumindest von mir – nicht geändert werden, ist das ein schlechtes Zeichen.

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      1. Genau! Das mit dem Schicksal hängt damit zusammen. Und dort ist es nicht nur Lebensphilosophie, sondern itutu macht einen auch einfach sehr attraktiv.

        Und ja, das stimmt wohl… dann kann man ja ins Theater gehen.

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  9. Eu estive cerca de 14 anos atrás. Não havia inundação.
    Apesar de 14 anos atrás, eu tive também dificuldade em „sentir“ a cidade.
    A hospedagem foi maravilhosa, mas para as refeições não foi fácil. Era preciso ter muito cuidado para não ser enganado. Mesmo assim caímos em uma „cilada“ para turistas.
    Recentemente, eu li algumas notícias desagradáveis para os turistas. Por exemplo, alguém pediu para cortar um sanduíche ao meio, e isso foi cobrado. Ou pedir uma água com gás e ser cobrado quase o preço de uma boa garrafa de vinho.

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