ABC -Frauen und Fingerhüte

Bei Christiane
Die Wörter sind diesmal von Christiane selbst
3 vorgegebene Wörter (siehe unten) in einem Text von 300 Wörtern unterbringen

Zu Zeiten als unsere Urururahnen mit großen Nadeln Felle zusammennähten, waren Fingerhüte schon in Verwendung und haben sicher so manches neolithische Fluchen in Grenzen gehalten. Die Arbeit wird trotzdem noch unangenehm genug gewesen sein, die Felle steif und schwer zu durchstechen, die Beleuchtung in den Höhlen schlecht. Allerdings ist das Gerben schon aus der Altsteinzeit belegt und vielleicht waren die angewandten Techniken viel besser als gedacht und erleichterten das Nähen. Leder ist nicht ganz so schwierig zu bearbeiten wie Felle.

Ich stelle mir auch eine klösterliche Stickstube vor, wo bei süßlichen Unterhaltungen bunte, seidene oder goldene Fäden zu prunkvollen Zeugen der Bescheidenheit verarbeitet wurden. Messgewänder, Altardecken, jedes kleinste aus Stoff bestehende Utensil für Messen und Haushalte der Pfarrer wurde verziert. Vielleicht war auch den Nonnen hin und wieder eine bestickte Tischdecke erlaubt oder die eine oder andere Mutter Oberin, die besondere Freude an schönen Dingen hatte, gönnte sich ein zart besticktes Unterhemdchen. Solche frivolen Gedanken wollen wir aber gar nicht weiter verfolgen. Das Recht auf Schönheit, Prunk und Völlerei lag eindeutig auf der männlichen Seite der kirchlichen Hierarchie. Die Nonnen hatten dafür das Recht auf Arbeit und schweigendes Dulden.

Auch die optisch und haptisch eiskalten Wände alter Burgen und Schlösser wurden mit bestickten Textilien geschmückt. Manche Gobelins zählen zu den Kunstwerken. Es wird auch andere gegeben haben, die nur wegen des Fleißes und der trotz Fingerhut ständig leicht zerstochenen Fingerkuppen der Stickerinnen geschätzt wurden.

Ob heutzutage in den Sklavenhallen der Welt, wo die billige Wegwerfkleidung für uns Reiche genäht wird Fingerhüte benützt werden ? Sie wären ja auch nur eine unwesentliche Erleichterung der Arbeitsbedingungen. Näherinnen im sogenannten globalen Süden müssen schon froh sein, wenn sie nicht vom brennenden Fabriksgebäude begraben werden.

Schön aber giftig ist Digitalis auch in den Gärten. So schließt sich der Kreis: schön das Produkt giftig die Erzeugung.

(300 Wörter)

44 Gedanken zu “ABC -Frauen und Fingerhüte

  1. Ist das belegt, dass es frühe Fingerhüte gab? Dann würde mich mal das Material interessieren – vielleicht hätte ich recherchieren sollen, bevor ich das Wort ausgewählt habe? 🤔
    Es liest sich so, als ob dir der Gedanke, etwas zur höheren Ehre Gottes zu tun (oder eines Gottes, einer Göttin, ich beziehe das nicht ausschließlich auf das Christentum), unter Zurückstellung des eigenen Egos, wirklich völlig fremd wäre. Interessant.

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    1. Sorry, zu früh abgeschickt. Nicht dass ich glauben würde, dass es nirgendwo Eigennutz gegeben hätte oder gibt, aber du bist manchmal echt krass 🤔😉
      Und ja, danke für die erste Etüde im neuen Durchgang! 😁👍
      Mittagskaffeegrüße 🌤️🌱🎶☕🍪

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    2. Erstmals sind Fingerhüte – aus Knochen oder Elfenbein – in der Jungsteinzeit in der Nähe von Moskau belegt. Auch bei den Etruskern war der Fingerhut bereits um 500 v. Chr. gebräuchlich. In das Gebiet des heutigen Deutschlands kamen die Fingerhüte durch die Römer. Wikipedia 😉

      Nachdem ich nicht an die Existenz eines Gottes glaube und schon gar nicht an einen, dem es wichtig ist, dass seine „Geschöpfe“ sich zu seinen Ehren nicht einmal in der allerunschuldigsten Weise verwirklichen dürfen und zumeist völlig unsinnige Anforderungen erfüllen sollen, ist mir dieser Gedanke wirklich völlig fremd. Das Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse wegen eines anderen Menschen ist was anderes. Die höhere Ehre eines Gottes wäre mir dann ein Anliegen, wenn dieser sich in irgendeiner Weise positiv manifestieren würde, was ich aber nicht erkennen kann. Zumindest müsste er unterbinden, was alles in seinem Namen geschehen ist und geschieht

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      1. Du bist auch komplett weg vom Buddhismus? Wie sieht es dort mit Verehrung aus?
        Und was ist damit, eine Sache um der Sache willen möglichst gut zu machen, nicht, um dafür gelobt zu werden etc? 🤔

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        1. Im Buddhismus gibt es keinen Gott. Was ich dort aber auch vollkommen ablehne, ist die bedingungslose, unbegründete Verehrung der Lehrer. Es gibt sehr wenig Menschen, die ich verehre, Ich habe einfach kein Talent dazu, egal in welchem Bereich des Lebens 😉
          Eine Sache möglichst gut zu machen um ihrer selbst willen. Ja unbedingt. Was aber hat das mit einem Gott zu tun?

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      2. Ein Gott/eine göttliche Wesenheit, der/die es nötig hätte oder forderte, dass man ihm/ihr zuliebe irgendwelche ‚ehrenden‘ Sachen unternimmt, hat in meiner Vorstellung ein ziemlich großes Ego. Aus meiner Sicht führt das die ganze Sache ad absurdum. Wenn dann noch die ganze Patriarchatskiste dazukommt, wird es vollkommen schräg.

        Ich finde verschiedene Religionen und spirituelle Ansätze durchaus spannend, aber die meisten wenig zustimmungsfähig. Insofern: zwei Daumen hoch für Text und Sicht.

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          1. Also WENN es denn ein göttliche Wesenheit gäbe (was ich nicht rundweg abstreiten möchte… denn, was weiß ich denn schon wirklich, sicher?), dann hätte ich die Vorstellung, dass sie uns manifestiert hätte mit der Aufgabe, ein möglichst gutes Leben zu führen mit dem, womit sie uns beschenkt hätte. Von ‚IHR dienen‘ stände da nicht einmal etwas im Subtext.

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  2. Da ist oder wäre der Fingerhut (schon aufgrund seiner Größe) wohl wirklich nur der Tropfen auf dem heißen Stein als Erleichterung des Lebens einer Näherin im Billigstlohnsektor. Ein nachdenklich stimmender Beitrag. Und die Formulierung „das Recht auf Arbeit und schweigendes Dulden“ trifft es wohl genau.

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    1. Ich habe kürzlich eine Doku gesehen darüber, dass es irgendwo in England ein Zentrum für die Erzeugung von Wegwerfkleidung gibt, wo zu Bedingungen wie in Bangladesh oder Pakistan gearbeitet wird. Die Bezahlung ist etwa die Hälfte des englischen Mindestlohns natürlich ohne irgendwelche Sozialleistungen.

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  3. wieder mal eine deiner gekonnten Sachetüden mit gesellschafts- und ideologiekritischen Seitenhieben. Gern gelesen, besonders die Bilder von den Nähenden und Stickenden durch die Jahrhunderte, die dein Text evoziert, machen mir Eindruck – aber auch deine kirchenbezügliche Kritik kann ich nachvollziehen. Mit Gott hat die Eitelkeit der kirchlichen Würdenträger und die Verdammung der entsprechenden weiblichen Eitelkeiten freilich nichts zu tun.

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    1. Ich weiß nichts von einem Gott und es macht mich sehr misstrauisch wenn andere behaupten, dass sie wissen, dass es einen solchen gibt und auch meinen, genauere Kenntnisse über ihn/sie zu haben. Besonders seltsam und wenig glaubwürdig finde ich die Vorstellung von einem höheren Wesen, das Wert darauf legt, wie Menschen sich kleiden, was sie wann essen oder auch nicht essen uvm. Ich halte mich da an den gleichen Grundsatz wie bei der Beurteilung von Menschen. Wer großen Wert darauf legt, verehrt zu werden, ist es im Regelfall nicht wert

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      1. ich gehe, wie wohl auch du, davon aus, dass niemand etwas über „Gott“ (Einzahl oder Mehrzahl) weiß, sondern es sich bei allem, was wir über IHN (SIE) sagen, um menschliche Vorstellungen handelt. Selbstverständlich kann ich keine Auskunft geben, ob es „Gott/Götter“ gibt oder nicht gibt. Wenn ich dieses Wort benutze, so, weil es das in unserem Sprachraum übliche ist, um auf die wirkenden Kräfte hinzuweisen, die ich zwar empfinden, aber mit den üblichen menschlichen Erkenntnisorganen nicht erkennen kann.
        Im Grunde tut die moderne Astrophysik nichts anderes, nur weniger bescheiden, wenn sie vom „Urknall“ spricht, um auf etwas hinzuweisen, das die menschliche Vorstellungskraft bei weitem übersteigt. „Gott“ oder „Urknall“ sind beides Benennungen für X, beide meinen, weil sie eine Benennung gefunden haben, nun auch die Sache im Sack zu haben. Etwas mehr Einsicht in die Begrenztheit unserer Erkenntnismöglichkeiten würde uns Menschen gut tun.
        (Der Erdgeist sagt zu Faust: du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir)

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        1. Ja, da bin ich durchaus deiner Meinung. wir können es nicht wissen.
          Deswegen finde ich es so irritierend , dass viele esoterische Lehren behaupten, alles ganz genau zu wissen und ein riesiges Gebäude gebaut haben, das einzig und allein auf irgendjemandes frei erfundenen Behauptungen aufbaut

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  4. Ein weiter Boden, den du da gespannt hast und als Symbol vieler weiblicher, für selbstverständlich genommener Schmerzen mit dem Gift am Schluss auf den Punkt gebracht hast. Der unscheinbare kleine Fingerhut ist eine grosse Erfindung der Menschheit, der oder ein vergleichbarere Schutz müsste eigentlich noch vor dem Rad genannt werden.
    Ich müsste auch erst recherchieren, seit wann man annehmen kann, dass es etwas wie Fingerhüte gab. Aber warum sollen nicht menschliche Vorfahren schon auf die Idee gekommen sein, ihre Finger z.B. mit passenden Röhrenknochen-Stücken zu schützen, wenn sie irgenwo spitze Gegenstände hindurchgestossen haben?

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    1. Ach, ich liebe solche Bögen, wie sie erfreulicherweise in einem guten Geschichtsunterricht gemacht werden. Anstelle von Jahreszahlen, Schlachten und Königslinien werden Querschnitte zu bestimmten Themen gemacht. Ich bin keine Historikerin, habe aber solche Entwicklungen des Schulfachs „Geschichte“ mit Freude verfolgt.
      Vor 10.000 Jahren, sprich in der Steinzeit, hatten Menschen die gleichen Fähigkeiten wie wir und sind auch schon auf eine Menge kluger Ideen gekommen. Ähnliche Probleme, ähnliche Lösungen …

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      1. ich meinerseits kann es nicht gut aushalten, wenn aus der Tatsache, dass ich es nicht weiss, geschlossen wird, dass es da auch nichts zu wissen und zu erforschen gibt. Es ist ja nicht so, dass uns überhaupt keine Ahnung anfliegt, dass es da etwas zu wissen gäbe, wenn wir uns ernsthaft auf die Suche machen würden. Ich meinerseits habe viele solche Momente (insbesondere beim Aufstellen), bin aber zu bequem, mich konsequent auf die dann aufscheinenden Erkenntnisse einzulassen und weiterzuforschen.

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        1. Naja, mein Ansatz ist, dass es nicht möglich ist, zu erfahren, ob es denn ein oder mehrere höhere Wesen gibt oder nicht. Ich bin Agnostikerin und lebe damit gut

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          1. Da unterscheiden wir uns. Ich lebe nicht gut damit. Eine Welt ohne den Glanz der Göttlichkeit finde ich fad. Ein Leben nur auf dem „Boden der Tatsachen“ ohne den Himmel, den Kosmos, in dem unsere Erde kreist. ohne Verbindung zu den geistigen Welten, die größer sind als unser armseliger menschlicher Verstand scheint mir sinnlos. Und Sinnlosigkeit kann ich schwer ertragen.

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  5. Wohin so ein harmloser Fingerhut doch in der Debatte führen kann … Respekt!
    Was dein Text unter anderem schildert, sind ja Erscheinungen des geistlichen Lebens, die von Menschen erfunden und durchgesetzt worden sind. Das hat in meinen Augen erstmal gar nichts mit der Frage nach der Existenz von Gottheiten welcher Art auch immer zu tun, sondern eher mit dem Missbrauch des Bedürfnisses vieler Menschen nach solchen übergeordneten Wesen durch machtgierige Cliquen. Ich finde es immer wieder so wichtig, auf den Unterschied zwischen Religiosität und kirchenartigen Institutionen hinzuweisen.
    Dein Bogen von jungsteinzeitlichem Fingerhut zu moderner Ausbeutung in der Textilindustrie ist kühn und unterhaltsam zu lesen, wenngleich – den 300 Wörtern geschuldet – um einige Zwischenschritte verkürzt. Dir ist allerdings gelungen, eine ziemliche Menge in der Kürze unterzubringen. Fabelhaft!

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    1. Da kann ich dir nur zustimmen. Ja, der Unterschied zwischen Religiosität und kirchenartigen Institutionen muss unbedingt betont werden und ist ja auch für viele Menschen ein wichtiger.
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      Der neolithische Fingerhut aus Elfenbein, der in der Nähe von Moskau gefunden wurde, hat mich fasziniert. Das Elfenbein muss wohl von einem Wollhaarmammut stammen. Diese imposanten Tierchen waren ja einige Tausend Jahre lang Zeitgenossen des Menschen.
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      Die kleinen Fingerhutbilder, die entstanden sind, waren gar nicht chronologisch gedacht, das hat sich ergeben. Die Hochblüte des Fingerhuts kommt gar nicht vor … Aber man kann doch auf verschlungenen Wegen zu verschlungenen Themen gelangen 😉

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  6. Da verpackst du ja allerhand Wissen in diese wenigen 300 Wörter und verbindest deine Gedanken durch die Art der Betrachtung: kritisch-ironisch, kurzweilig zu lesen. Habs sehr gern gelesen! 🙂

    Liebe Grüße, Andrea

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    1. Ohja, ich habe kürzlich ausgestellte Messgewänder gesehen, als Objekte eine wahre Pracht, als Gewänder , in denen Bescheidenheit und Solidarität gepredigt wird eher ärgerlich …

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  7. Ein interessanter Streifzug durch die Zeit, danke dafür.

    In alten Geschichten wird einem ja immer wieder klar, was für ein elementares Alltagsutensil ein Fingerhut mal war – ic habe nie einen besessen.

    Ich gehe übrigens davon aus , dass die heutigen Näherinnen an der Maschine nähen.

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            1. Ich habe aber doch gar nicht geschrieben, dass die aktuellen Näherinnen ohne Maschine und mit Fingerhut arbeiten. Ich muss da bei dir in in irgendeine Gedankenschleife hineingeraten sein 🙂

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