Die Brüste des Modells – ABC-Etüde zum Thema „Kunst“

Sommerpausenintermezzo der ABC-Etüden, auch bei Christiane, der Etüden-Meisterin 

Diesmal geht es darum, eine alphabetische Liste von Begriffen zu einem selbst gewählten Thema zu erstellen und dann unter Verwendung aller 26 Begriffe einen Text zu schreiben.

Mein Thema ist „Kunst“ und ich habe zunächst den Text geschrieben und dann noch fehlende Wörter eingebaut. Sehr gut wäre ich auch ohne das Wörter-Alphabet ausgekommen. „Jadegrün oder nilgrün“ ist schon ein bisschen an den Haaren herbeigezogen, mir ist aber kein besseres Wort mit „j“ eingefallen.

Diesmal ist es keine Geschichte sondern einfach ein Text. Schließlich ist Sommer und der eignet sich wunderbar zum vor sich hin Sinnieren und Schreiben.

Die alten, buntgefleckten  Staffeleien lehnen an der Wand, ebenso die als Unterlagen verwendeten Malbretter, nach der Größe sortiert, die Holzstifte für die Staffeleien in einem geflochtenen Korb. In den Regalen stehen angeschlagene Teller, die als Malpaletten benützt werden. X-mal gewaschene Fetzen mit Regenbogen-Farbflecken liegen ordentlich zusammengelegt auf einem Regalbrett, die diversen Gläser für das Malwasser sind auch nach der Größe sortiert. Diese ehemaligen Heimstätten von Essiggurken, Oliven, Kompotten, und Salaten wurden sorgfältig ausgewaschen. Es herrscht hier eine Mischung von Bohème und Spießigkeit, keine Bobo-Atmosphäre eher Prekariat und Geldmangel.

Die Klospülung, ein Modell, das knapp hinter dem Plumps-Klo rangiert, funktioniert zwar, aber nur wenn man mit der genau richtigen Zugstärke an der metallenen Kette zieht. Sonst passiert gar nichts. Zum Reparieren fehlt seit Jahren das Geld. Hier werken Kreative, man sieht es: die Jalousie vor dem Fenster, die dem Klo Blickschutz bietet, besteht aus farbenprächtigen Dias, die kunstvoll zusammengehängt wurden, ein sehr originelles Einzelstück. Der Kühlschrank ist ausgesteckt, die Türe offen. Hier haben wir früher die selbstangerührte Ei-Tempera gelagert und gekühlt. Ob der Kühlschrank kaputt ist oder ob ihn nur gerade niemand braucht, habe ich nicht gefragt, muss ich auch nicht wissen.

Der Wasserhahn, der gleiche wie vor über zehn Jahren, rinnt immer noch nach nachdem er zugedreht wurde. Mir fällt auf, dass sich meine Hände an den richtigen Moment erinnern, an dem der Wasserhahn zugedreht werden muss um nicht zu viel und nicht zu wenig Wasser rinnen zu lassen. Ebenso wie meine Füße sich erinnern, wohin sie nicht treten sollten, auf kaputte Fliesen, auf morsche Holzteile, auf die Hühnerleiter, die in den Hinterhof führt und die schon seit Jahren jeden Moment zusammenbrechen kann. Dieses Atelier ist mir einfach vertraut, mit dem ganzen Körper.

Wir sind wenige und haben uns coronabedingt über den großen Atelierraum verteilt. Alle haben ihre Malnester gebaut: mit Tischen, Sesseln, Staffeleien, Papier, Leinwänden, Pinsel, Farben, Stiften, Kreiden, Kohle, Radiergummi, Messer, Fixierspray. Oft ist es eine wohlausgestattete Materialschlacht, die hier stattfindet. Die derzeit höchstwahrscheinlich prekären, finanziellen Verhältnisse im Atelier betreffen nicht die zahlenden Gäste. Nach mehreren Tagen kreativer Aktivitäten, wird der Boden so aussehen, als hätte ein Yeti mit besonders großen Füßen einen Hüpftanz geübt. Am Vormittag des ersten Tages ist es aber noch nicht soweit. Wir bereiten uns vor und erörtern schwierige Fragen wie Jadegrün oder Nilgrün zu Hellgrau oder Lila, Leinwände grundieren oder doch nicht. Die Größe und nötige Qualität des Papiers …

 Das erste Modell ist da, eine junge Frau in Begleitung einer anderen. Sie trägt blaue Shorts mit den unvermeidlichen weißen Streifen an der Seite, ein T-Shirt mit der Aufschrift „Filipinas“, Plastikschuhe und hat eine prachtvolle, gekrauste Mähne mit hineingefärbten blonden Strähnchen und ein richtig schönes, ebenmäßiges Gesicht. Vielleicht eine Somalierin, oder sie stammt aus Madagaskar. Sie zieht sich aus und nimmt zunächst eine einfach zu zeichnende Position ein: keine nennenswerten Verkürzungen, keine allzu verschlungenen Arme und Beine. Ihre Haut, ist jung, glatt, das Bindegewebe ist fest, man sieht die Muskelspannung unter der Haut. Ich überlege mir, wie man ein Inkarnat für dunkle Haut mischt. Zu Rot, Weiß, Blau, eine Spur Gelb, ein bisschen Braun, Hellbraun oder Dunkelbraun ? Am besten drauflos mischen …

Und dann sehe ich die Brüste des Modells und erschrecke. Die junge Frau sieht aus wie Mitte Zwanzig, vielleicht ist sie etwas älter, ich schätze dunkelhäutige Menschen immer etwas jünger als sie sind, aber diese ausgelaugten Brüste passen einfach nicht ins Gesamtbild. Hier gibt es kein straffes Bindegewebe, keine glatte Haut, ihre Brüste sehen aus als wären sie mindestens dreißig Jahre älter als der restliche Körper, als hätten sie dutzende Kinder gesäugt und nie irgendeine Stütze getragen, als wäre das Fettgewebe ausgesaugt worden. Aber warum sollte eine junge Frau mit einem sehr schönen Körper irgendetwas an ihren Brüsten verändern lassen. Wenn das doch geschehen sein sollte, wäre es ein tragisches Ergebnis. Ähnlich den völlig verunstalteten Gesichtern mit den auf froschähnliche Dimensionen aufgespritzten Lippen. Ihre Brustwarzen sind gepierct mit jeweils zwei Ringen, die aber unmöglich so schwer sein können, dass sie die Brüste derart hinunterziehen könnten.

Mir kommt vor, dass ich sie anstarre und ich komme mir voyeuristisch vor. Ein gewisser Voyeurismus lässt sich nicht vermeiden, wenn man ein Aktmodell abbildet, aber einen Teil ihres Körpers so intensiv anzustarren kommt mir doch ungehörig vor. Es wird ihr ja selbst auch klar sein, wie sie aussieht. Ich drehe eine Runde quer durchs Atelier um zu sehen, ob die anderen die Brüste so abbilden wie sie sind. Teils teils …

Wir machen eine Pause. Ich habe noch nicht so viele Aktmodelle erlebt, aber alle, die ich bisher gesehen habe, Frauen und Männer hatten die Gewohnheit sich in den Pausen zumindest ein Tuch umzuwickeln. Diese junge Frau bewegt sich ebenso nackt wie unbefangen, sieht sich die Bilder an, kommentiert sie, plaudert. Ich frage sie, ob sie Kunststudentin ist. Ja, sie macht Metallskulpturen und wäre sehr schlecht beim Zeichnen. Ihre Begleiterin dagegen, die sich zu uns gesetzt und mitgezeichnet hat, ist eine erfahrene Zeichnerin und zeigt uns ihre Skizze.

Dann nimmt das Modell eine neue Position ein, umschlingt ihre aufgestellten Beine mit den Armen. Dabei werden die Brüste gegen die Beine gedrückt und sehen dadurch noch schlaffer aus als zuvor, leere Säckchen. Das Stichwort „ausgeleiert“ erzeugt in mir ein Bild von einem dieser Nachtclubs mit Poledance und diesem als Tanz deklarierten schnellen Kreisen der mit Quasten dekorierten Brüste. Manche Tänzerinnen schaffen es sogar die Brüste in verschiedene Richtungen kreisen zu lassen. Wenn man diese Art der Zurschaustellung eine Weile betreibt, wird das Bindegewebe auch kleiner, fester Brüste garantiert ausgeleiert.

Eine mögliche Theorie wie viele andere. Alle Möglichkeiten, die mir einfallen, wie eine junge Frau zu alten Brüsten gekommen sein kann, hinterlassen einen unangenehmen Nachgeschmack von Ausbeutung und Würdelosigkeit. Obwohl diese Frau einen entspannten, selbstbewussten Eindruck macht. Der Weg zu Gelassenheit kann durch kleinere oder größere Höllenbereiche geführt haben.  

Und hier die Liste:

A – Atelier, Akt

B – Brüste, Bohème

C – coronabedingt

D – dunkelbraun

E – Ei-Tempera

F – Farbflecken, Fixierspray

G – grundieren, Geldmangel

H -Hellbraun

I – Inkarnat

J – Jadegrün

K – Kreiden

L – Leinwände

M – Modell, Malbrett

N – Nilgrün

O – ordentlich

P- Paleten, Pinsel

Q – quer

R – rot, Radiergummi

S – Staffelei, Stifte

T – Temperafarben

U – Unterlage

V – voyeuristisch

W – Wasserhahn, werken

X – x-mal

Y – Yeti

Z – Zurschaustellung

30 Gedanken zu “Die Brüste des Modells – ABC-Etüde zum Thema „Kunst“

  1. Haaach, das Bindegewebe der kleinen,festen Brüste, haaach ja. Und erst das der großen, jahrelang genutzten, haaach ja.
    Menschenskinder, hast du dir beim Schreiben eine Mühe gegeben! Doch es gab ja auch diesen freudvollen Sinn….nicht wahr.
    Gruß von Sonja
    P.S.: …nicht sinnlos vor sich hin kommentieren, ach, lieber nicht…

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    1. Ich schreibe immer zu meiner Freude? du nicht? Warum sonst?
      Das Thema Brüste und ihre Abnützungserscheinungen muss man ja nicht ständig im Auge behalten. Höchstens als Masochistin 😉 🙂

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      1. Tja, warum sonst, wenn nicht zur Freude?
        Vielleicht, weil mir nach dem Schreiben stets viel leichter zumute ist? Also mehr so im Sinne von Eigentherapie, wenn schon…Ab und zu allerdings die reine Freude!

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  2. Mir ist das von dir beschriebene Phänomen auf Bildern von Afrikanerinnen schon öfter aufgefallen. Ich halte das für keinen Einzelfall, habe aber auch keine Ahnung, wie, weshalb, warum es zustandekommt. Genetisch – „ist halt so“? Darf man das sagen, ohne politisch unkorrekt zu sein, wenn man es nicht weiß? Du weißt, wie ich das meine.
    Wenn/da du dich auch der Text-Fraktion des Alphabets angeschlossen hast (und nicht der „Lexikon“-Fraktion), würde ich es toll finden, wenn du am Anfang oder Ende noch mal auflisten könntest, welche 26 Begriffe du eingebaut hast – ich verstehe ja, dass du eine Abneigung gegen das Fetten hast, aber zur Aufgabe gehört auch das Finden von 26 Begriffen … Alice hat, eben gesehen, eine Grafik mit ihren Begriffen vorangesetzt, das finde ich sehr schick.
    Ansonsten klingt dein Text wirklich sommerlich entspannt, Gratulation! 🙂
    Liebe Grüße
    Christiane 😀

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      1. Nein, ist es nicht, denn ich erinnere mich, schon früher mit der gleichen Mischung aus Faszination und Entsetzen (vermute ich mal) wie du die platten Brüste angestarrt zu haben. Ich hab mal ein paar Semester Ethnologie studiert, daher kam ich damals öfter mit derartigen Themenkreisen/Abbildungen in Berührung.

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        1. Verstehe. Ja,, ich war richtig schockiert. Eine so junge, frische, lebendige Frau und richtige Hängebrüste. Dabei wäre mein Klischee gewesen, dass dunkelhäutige Frauen ganz besonders pralle, schöne Brüste haben, die der Schwerkraft trotzen. Tja, wie so viele Klischees hält auch dieses einem genauerem Blick nicht stand

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  3. Sehr schöner Text, man meint förmlich, die Farben riechen zu können!

    Afrikanische Brüste sind ein interessantes Thema, das ich der Ausgewogenheit halber gern um das – ebenfalls paarige – Gegengewicht erweitert sähe.

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    1. Danke schön!
      Nun ja, wir hatten auch ein männliches Modell mit dem entsprechenden paarigen Organ, das war aber ein Einheimischer dessen Betrachtung nichts zum Thema beitragen kann 🙂

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  4. Liebe Myriade,
    Nimm diesem Kommentar bitte als das, was er gemeint ist – als Gedankenanstoß.
    Lesend stelle ich mir vor, ich entblößte mich für ein mutmaßlich eher bescheidenes Entgeld vor Menschen, die sich selbst kostspielige Malnester (tolles Bild, nebenbei) zu ihrem Freizeitvergügen leisten können, und dann steht da plötzlich im worls wide web ein Text über meine Brüste, über ihre Mangelhaftigkeit im speziellen, Mutmaßungen über meine Herkunft und wie sich meine exotische Hautfarbe wohl mischen lasse.
    Habe zu viel von dir gelesen, um dir plumpen Rassismus zu unterstellen, aber mit dem kolonialen Resonanzboden, den unsere Geschichte nun einmal geschaffen hat liest dieser Text sich gruselig und stelle dir mal kurz vor ein Mann hätte ihn verfasst…
    Liebe Grüße
    Natalie

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    1. Nein, nein, nein Natalie, so ist das überhaupt nicht !
      Du stellst dir anscheinend vor, dass ein Aktmaltreffen eine Atmosphäre hat wie ein Sklavenmarkt oder eine öffentliche Anprangerung oder etwas Ähnliches, dass da reiche Leute sich um ein kleines Entgelt ein Opfer mieten. So ist das doch nicht! Das Atelier von dem da die Rede ist, ist sehr international besetzt. Es gibt Leute aus aller Herren Länder in der Position der Künstler und in der Position der Modelle. Modell zu sein, war schon vor hundert Jahren nicht mehr ehrenrührig! In vielen Gruppen stellen sich die Teilnehmer auch abwechselnd für die anderen als Modell zur Verfügung. (Das zweite Modell, das wir hatten, war übrigens ein älterer, weißer Mann, der sogar hauptberuflich Modell ist, weil ihm das Freude macht) Es gab nicht im allermindesten eine irgendwie rassistisch gefärbte Stimmung. Das Modell war Teil der Gruppe. Du vermutest von außen Dinge, die nicht da waren und die in dem Text auch nicht vorkommen und das möglicherweise ganz ohne Kenntnis des Milieus. Du willst doch nicht im Ernst sagen, dass es unmoralisch ist, wenn eine dunkelhäutige Frau, welcher Herkunft auch immer von hellhäutigen Menschen gezeichnet wird?
      Und was soll daran rassistisch sein, sich zu überlegen, wie ein Farbton zur Wiedergabe einer Hautfarbe am besten gemischt werden kann? Das ist nur dann rassistisch, wenn man davon ausgeht, dass eine dunklere Hautfarbe etwas Schlechteres ist als eine helle und es daher auf keinen Fall erwähnt werden darf, dass jemand eine dunklere Hautfarbe hat, weil das beleidigend sein könnte. Ich sehe mich aber durchaus in der Lage, alle möglichen Hautfarben, Größen, Formen etc eines Menschen als völlig normal zu sehen. Ich weigere mich auch ganz entschieden ständig über koloniale Hintergründe und irgendwelche leicht zu konstruierenden Rassismen nachzudenken, wenn ich mit Menschen anderer Hautfarben und Kulturen zu tun habe. Es ist sonst nicht möglich einen normalen, unbefangenen, menschlichen Umgang zu pflegen, was mir zur Verbesserung der Welt wichtiger und konstruktiver erscheint, als so manche völlig sinnlosen Debatten, anstatt derer menschliche Kontakte auf Augenhöhe gepflegt werden könnten.

      Es ist natürlich dein gutes Recht, diesen Text nicht zu mögen. Du kannst ihn auch unfreundlich finden, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass einer an diesem Treffen beteiligten Personen ihn liest zu Null tendiert. Aus meiner Sicht ist er schlicht und einfach realistisch. Man darf auch realistische Texte schreiben ! Ich halte es sogar für wichtig, die Hässlichkeiten der Welt auszusprechen, was hier noch gar nicht einmal der Fall ist. Nein, der Text muss dir nicht gefallen und ich verstehe auch, warum er dir nicht gefällt, aber ich verwehre mich gegen des Vorwurf des Rassismus, obendrein noch plumpen Rassismus.

      Am Rande kommt mir dazu auch in den Sinn, dass die liebste Unterhaltung in deutschsprachigen Wohnzimmern sogenannter politisch korrekter Bürger, die an koloniale Hintergründe denken, wenn sie eine Afrikanerin sehen, mehrere zerstückelte, ausgeblutete oder sonstwie vernichtete Leichen sind. Täglich ein paar, aus Büchern, Filmen etc , tagaus, tagein …

      Die sogenannte „politische Korrektheit“, die viele sehr seltsame Blüten treibt, kommt, wie wir alle wissen aus den USA. Dort ist jede Form von Brutalität, im Leben und in Medien und Unterhaltung völlig akzeptiert, aber wehe es gibt eine nackte Brust zu sehen. Wollen wir dorthin ? Die systematische Benachteiligung, Ausbeutung ja Ermordung der afroamerikanischen Bevölkerung ist eine Tatsache. Sie wird aber von vielen akzeptiert, von vielen, die sich auch damit Beschäftigen welche Wörter nicht gesagt werden dürfen. Wollen wir dort hin ?

      Nun ist es aber zweifellos zuviel Ehre für meinen Text, ihn als Beispiel solcher gesellschaftspolitischen Zusammenhänge anzuführen .

      Entschuldige, dass die Antwort so lange gedauert hat. Du siehst, sie ist lang geworden

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      1. Vorab, ich finde du hast schnell geantwortet.:)
        Ich finde überhaupt nichts problematisches dabei, wenn ein Mensch welcher Hautfarbe auch immer als Aktmodell arbeitet. Und natürlich auch nichts dabei, die nackte Brust zu zeichnen.
        Natürlich kenne ich die Hintergründe eurer Gruppe nicht, ich kann nur sagen , wie der Text auf mich wirkt
        Aber diese Sinnieren und Kreisen, wie eine zu einer so schlabbrigen Brust kommen kann, hätte mich auch ungeachtet der Hautfarbe gestört. Denn das hat mich am Lesen am meisten irritiert, möchte ich das jemand, dem ich eine Dienstleistung erbringe so über mich schreibt.

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        1. Das war zu schnell, sorry.
          Also ich kann nur sagen, wie der Text auf mich wirkt und es geht ja ausschließlich um Textkritik und nicht um Kritik an deiner Person oder eurer Kunstgruppe.
          Aber der Text – und auch ein Teil der Kommentare – wirken auf mich rassistisch und auch auf eine zweite Person, die ich um einen Eindruck gebeten habe und ja auch beim zweiten und dritten Lesen. Ich gehe gern noch einmal in mich, an welchen Formulierungen das für mich genau hängt.
          Gerade weil ich dich als weltoffen lese und davon ausgehe, dass das nicht deine Grundhaltung ist – sonst hätte ich den Text einfach weggeklickt – wollte ich dir diese Wahrnehmung zurückmelden.
          Achtsame Sprache und verkrampfte poltical correctness, sind in meinen Augen nicht das Selbe.
          Ich wünsche dir eine gute Nacht und gute Besserung für die Schulter.
          Natalie

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          1. Ich freue mich über Rückmeldungen, auch über kritische. In diesem Sinn, vielen Dank.
            Ich kann nur den Rassismusvorwurf wirklich, wirklich nicht nachvollziehen.
            Da steht: „Vielleicht eine Somalierin, oder sie stammt aus Madagaskar.“ und „Ich überlege mir, wie man ein Inkarnat für dunkle Haut mischt“ und „ich schätze dunkelhäutige Menschen immer etwas jünger als sie sind,“ Mehr steht in dem ganzen Text nicht über ihre Hautfarbe oder Herkunft.

            Du schreibst “ Achtsame Sprache und verkrampfte poltical correctness, sind in meinen Augen nicht das Selbe.“ Das ist ein schöner Satz, nur was heißt er konkret. „Achtsame Sprache“ kann nicht bedeuten, dass man Realitäten sprachlich nicht mehr ausdrücken darf. Das wäre Zensur oder liebliche Lügen und in meinen Augen völlig unauthentisch.

            Wenn du sagen würdest, dass es ein sexistischer Ansatz ist, über die Brüste einer Frau zu schreiben, so teile ich diese Meinung auch nicht, aber ich könnte verstehen, dass es bei jemandem so ankommen kann.
            Für mich ist eine realistische, völlig wertungsfreie Beschreibung einer Frau nicht sexistisch. Mein Sinnieren über mögliche Gründe dieser anatomischen Gegebenheiten ist inhaltlich auch nicht irgendwie herabwürdigend, außer man geht davon aus, dass es zur Würde einer Frau gehört straffe Brüste zu haben.

            Wirklich sexistisch finde ich die weit verbreitete Ansicht, dass eine Frau bestimmten Schönheitskriterien entsprechen muss, zu denen unbedingt auch eine straffe Brust gehört. Und dass dieses gesellschaftlich aufgesetzte „Ideal“ Millionen von Frauen in Schönheitskliniken treibt oder ihr Selbstwertgefühl vernichtet, DAS finde ich zutiefst frauenverachtend.

            Du schreibst, dass quasi dieser Text der undankbare Lohn dafür ist, dass sie mir Modell gestanden ist. Nein, das hat doch damit gar nichts zu tun. Einmal ganz abgesehen davon, dass sie diesen Text mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht lesen wird.

            Mir kommt vor, dass du dich in diese Frau versetzt und fühlst, dass du dich in ihrer Haut nicht wohl fühlen würdest. Das verstehe ich, aber das ist Empathie mit einer von mir beschriebenen Person, die bei der realen Person nicht ankommt. Weder du noch ich wissen, was sie fühlt und denkt und wie sie ihr Leben betrachtet.

            Puh, jetzt habe ich schon mindestens so viel geschrieben, wie der ganze Text. Wie gesagt, ich danke dir für den Kommentar und würde es auch sehr schätzten, wenn du mir genau sagen könntest, welche Formulierungen dich besonders gestört haben. Vielleicht ist es gar nicht dieser Text sondern das Thema, das man daran aufhängen kann.

            Danke für die guten Wünsche! Meine Schulter wird sehr langsam besser und das Ergebnis des Hüft-Röntgens kommt heute Nachmittag.

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            1. Liebe Myriade,
              Ohne die Dikussion ins Endlose ziehen zu wollen:.Ja, mein Impuls beim ersten Lesen war tatsächlich eine recht starke Identifikation mit der von dir beschriebenen Frau und dem ganz starken Gefühl , ich würde es nicht haben wollen, dass sich jemand öffentlich Gedanken macht , ob ich mir meine Brüste wohl beim Stillen oder beim Tabledance ausgeleiert habe.
              Natürlich weiß ich nicht, was sie darüber denken würde, nur was ich denke und fühle.
              Die explizite Beschreibung einer Schwarzen Frau, kombiniert mit dem Spekulieren, wie es zu ihrem Aussehen kommen konnte und wie es sich künstlerisch umsetzen lässt, erinnerten mich an Texte aus einer Zeit, in der „Weiße“ „Schwarze“ als Forschungsobjekt und nicht als Gegenüber empfunden haben, durch mehrere von dir nicht zu verantwortende Kommentare zu „afrikanischen Brüsten“, verstärkt sich dieser „weißer Forscherblick-Eindruck“ noch.
              Ich empfinde wie gesagt nicht DICH als rassistisch, sondern dass dieser Text so gelesen werden kann und zumindest bei meiner Freundin und mir so ankam, was wahrscheinlich nicht deine Absicht ist.
              Ich stamme mütterlicherseits aus einer Familie, die tief in den Kolonialismus verstrickt war und habe in der Auseinandersetzung mit dieser Geschichte einiges gelesen, was solche

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              1. jetzt ist es wieder passiert, die Kommentare werden zu lang und veröffentlichen sich selbst, vorm Drüberlesen natürlich …
                also ich habe in der Auseinandersetzung mit dieser Geschichte einiges gelesen, woran von der Ausdrucksweise mich dein Text – moderner natürlich – erinnerte.
                Deshalb schrieb ich schon in meinem ersten Kommentar, dass die Geschichte quasi als Resonanzboden die Wahrnehmung eines Textes mitbestimmt – das wird dir nicht neu sein.
                Es sind tatsächlich nicht einzelne Formulierungen, sondern dieser „Blick“.
                Ein letztes noch, meine Pflegetochter wird qua Aussehen von vielen, manchmal sogar Wildfremden auf der Straße einem bestimmten Kulturkreis zugeordnet – dem ihre Herkunftsfamilie aber nicht entstammt.
                Immer wieder kommt es dann zu so seltsamen Szenen, dass wenn das Geburtsland ihrer Mutter offenbart, Zweifel, „kann gar nicht sein“als hätten wir uns einen Dackel als Dalmatiner andrehen lassen und ich kann dir sagen, das nervt.
                Liebe Grüße
                Natalie

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                1. Tatsächlich vergesse ich immer wieder, dass Deutschland eine koloniale Vergangenheit hat, in Ö haben wir „nur“ mit der Nazivergangenheit zu kämpfen und der Rassismus gegen Dunkelhäutige ist eher eine Randerscheinung. Was die Betroffenen aber auch anders sehen. Und wenn du auch noch eine familiäre Beziehung zu dem Thema hast, verstehe ich völlig, dass du diese Art von entmenschlichendem Blick empfindest, obwohl er in diesem Fall zumindest nicht da war. Das wäre wohl beinahe ein Fall für eine Triggerwarnung gewesen.

                  Hihi „Dackel als Dalmatiner“ ist gut. Die Situation selbst ist wohl eher nicht lustig. In was alles sich die lieben Mitmenschen einmischen! Sie könnten das Thema ja wenigstens in ihren eigenen Behausungen lang und breit erörtern, da stört es die Betroffenen nicht.

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                  1. Sehr schön zu lesen, eine solch engagierte wie gleichermaßen kultivierte Diskussion.
                    Wie so oft, glaube ich, beide Standpunkte zu verstehen.
                    Zum einen, daß man möglicherweise bereits die Würde eines Menschen beeinträchtigt, wenn man auf eine als ‚Mangel‘ empfundene Körperregion hinwiese, was nach meinem Empfinden aber SO gar nicht passiert ist – zum anderen, daß die ’natürliche‘ Erwartungshaltung erschrickt, wenn da plötzlich eine Unregelmäßigkeit auftaucht, die noch dazu deswegen ein heikles Thema ist, weil sie nun ja tatsächlich männlicherseits häufig sexualisiert auftritt.
                    Kunst darf aufzeigen und auch auf ‚häßliche‘ Merkmale hinweisen, auch auf nicht zusammenpassende Proportionen als solche – Könner stellen sie in ihrem Werk ausreichend übertrieben oder neutral realistisch dar, was sie über Zweifel erhaben macht, die ‚Unpäßlichkeit‘, wie immer man sie einordnet, (hinterrücks) als sexistische Keule zu verwenden.

                    In diesem Sinne freue ich mich darüber, daß das Modell selbst mit ihrem Aussehen offenbar keinerlei Probleme hat 😉 – denn würde es dann nicht wenigstens in Pausen ihr ‚Manko‘ teilverhüllen ? Offenbar ist für diese junge Frau Nacktheit vollkommen natürlich und ihr Aussehen für sie ebenso … und ich gratuliere all jenen, welche die Realität abbildeten, wie sie sie sahen – oder bewußt übertrieben darstellten, falls sie die Verwerfung ihrer Ästhetik so empfanden und nicht beschönigten, was sie nicht aushielten… eine Herausforderung der besonderen ART ;-?

                    M, die eben zu Besuch war, hat eine ähnliche Meinung zum Thema wie ich, wir haben es allerdings -deswegen?- nicht sehr breitgetreten, die verfügbare Zeit war außerdem zu kurz dafür – und sie kennt die Situation von Aktmodellen – von beiden Seiten.
                    Im Übrigen meint sie, daß manfrau als Modell ganz gut leben könne, sie hat das fallweise -als Künstlerin mit nichtfixem Einkommen- ebenfalls gemacht, um fallweise zB neben der Miete, auch die Butter aufs Brot dazuzuverdienen, bevor ihr Klientel groß genug wurde, daß sie davon leben konnte … der Kunstbetrieb, wie ich ihn kennenlernte um funktionieren zu können, braucht beides – Menschen die sich ausziehen, wozu ich auch die Zurschaustellung eigener Werke auf Vernissagen oder bei Lesungen vor fremdem Publikum zähle – und solche, die anderweitige Einnahmequellen haben, die jene Werke kaufen können/möchten … 😉

                    In diesem Spannungsfeld von Gebenden und Nehmenden gibt es eine Menge an Dingen , welche auf beiden Seiten oder für Dritte leicht zu Mißverständnissen führen können – speziell bei empfindsamen Geistern, wie man oben lesen kann … und jeder hat seine persönliche Geschichte zu tragen (?), das kommt zum Ausschlag in ‚ihre/seine‘ Richtung hinzu…

                    Trotzdem: für mich als zaungästlicher Nutznießer, eine feine Abhandlung beider Standpunkte, sehr fein.

                    Danke euch beiden.

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                    1. Vielen Dank für Lese, Bemerken, Kommentieren und Loben der Diskussionskultur. Ich finde auch, dass wir das gut gemacht haben und die verschiedenen (oder auch gar nicht so verschiedenen) Standpunkte für andere ganz interessant zu lesen sein können. Standpunkte, die halt immer nicht nur aus reflektierter Meinung sondern auch aus der persönlichen Geschichte entstehen.

                      Wir hatten auch noch ein zweites Modell, der den Job hauptberuflich betreibt. Ich hatte meine Zweifel, ob man nur davon wirklich leben kann. Aber wenn die M, die sich offenbar im Milieu auskennt das auch bestätigt, freut mich das sehr. Modell zu sitzen ist ja nicht anstrengend, aber es braucht für manche sicher -zumindest am Anfang – eine gewisse Überwindung. Portraitmodell, habe ich schon ein paar Mal gehört, wäre wesentlich anstrengender, weil der Gesichtsausdruck nicht verändert werden darf und auf keinen Fall die Augen geschlossen.

                      Sehr wahr finde ich, dass es auch ein Ausziehen, eine Entblößung, ein Zurschaustellen ist, eigene Werke, gemalt, fotografiert, geschrieben oder was auch immer herzuzeigen. Natürlich gibt es da viele Empfindlichkeiten. Obwohl eigentlich jeder Mensch, der irgendetwas geschaffen hat sich nicht nur über Lob sondern auch über konstruktive Kritik freuen sollte.

                      In diesem Sinn, vielen Dank für den interessanten Kommentar !

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  5. Ein sehr interessanter Text, liebe Myriade, den ich mit Inteesse von vorne bis hinten gelesen habe.
    Bei afrikanischen Müttern habe ich diese hängenden , wie ausgeleierten Brüste öfter gesehen
    und dachte immer, es wäre vom langen Stillen. Aber es muß mehr sein, denn ich selbst habe drei Jahre
    gestillt und dieses Problem gar nicht gehabt.

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