Mittwoch 20.5.2020 – die Seltsamkeiten des Tages

Meine Lieblingsbluse von vor einem Jahr um diese Zeit gefällt mir gar nicht mehr so besonders. Wie vergänglich und relativ die Begeisterung doch ist. Und über welche Banalitäten ich schreiben kann ohne dass es mir peinlich ist. Nein, es ist mir überhaupt nicht peinlich, es macht mir Freude, mich in schön gedrechselten flüssigen Sätzen zu üben.

Die Ablesung der Fernwärme, die im Fall meiner Wohnung normalerweise im Mai durchgeführt wird, übrigens von einem sehr netten jungen Mann, den ich schon ein paar Jahre kenne, muss heuer von den Fernwärmekunden selbst erledigt werden. Bei derzeit ungefähr 400 Covid-19- Infizierten in ganz Wien und weniger als 800 in ganz Österreich kommt mir das doch – sagen wir –  etwas übertrieben vorsichtig vor. Ja, andererseits, natürlich könnte einer dieser Ableser infiziert sein und dann mit sehr vielen Menschen Kontakt haben. Vorsichtsmaßnahmen sind zur Vorsicht da.

Derzeit sieht es ja so aus als würde man mit einem großen Vergrößerungsglas und einer starken Lampe in die düsteren Winkel der sozialen und arbeitsrechtlichen Ungerechtigkeiten hineinsehen und – welche Überraschung – da sind auch die Infizierten. In extrem engen Wohnverhältnissen, in prekären Arbeitssituationen, die es ihnen gar nicht erlauben wegen Krankheit von der Arbeit wegzubleiben, weil sie dann keine Arbeit mehr hätten. Ja doch, ich spreche von Europa, von Leiharbeiterfirmen, von Lohnsklavenbarracken, von Flüchtlingsunterkünften.

Zwei Weinstöcke haben wir erworben, einen mit dunklen, einen mit weißen Trauben, also zunächst theoretischen Trauben, weil es ja keineswegs sicher ist, ob sie auch im 6. Stock bei extremer Sommerhitze und viel Wind tragen werden. Das ist ein Projekt von F, der Bilder von schattigen Weinlauben im Kopf zu haben scheint.

5 Gedanken zu “Mittwoch 20.5.2020 – die Seltsamkeiten des Tages

  1. Mein Traum von der Zeit in Rente ist der, dass ich tags im eigenen Weinberg arbeite, die Reben beschneide, unnütze Blätter entferne und mehr. Und am Abend sehe ich mich jetzt schon am Rande des Weinbergs sitzen. Wie ich den Sonnenuntergang genieße. Und ich schaue zufrieden und glücklich auf mein Tageswerk.
    So ein Leiharbeiter wird im Moment noch nicht mal von so einem Feierabend träumen können. Und wer ist schon frei, zu sagen, dass er auf Geld verzichtet und zu Hause bleibt. Um so einer Ansteckung zu entkommen. Hier in Deutschland werden die Erntehelfer auch nicht gut behandelt. Missachtung der Arbeitsschutzmaßnahmen, des Mindestabstandes in den Unterkünften und der Hygienevorschriften, des Mindestlohngesetzes und Einbehaltung der Pässe. Sklaverei im 21. Jahrhundert. Das so was überhaupt möglich ist und von Menschen ausgedacht wird. Schlimm, wozu Menschen fähig sind.

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  2. Ich finde Fs Projekt ein bissel riskant, aber es geällt mir sehr. Wer weiß, mit welchem Ergebnis Ihr rechnen könnt. Vielleicht habt Ihr Glück und es klappt. Ich drücke die Daumen dazu.

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      1. Junge Weinstöcke brauchen etwas länger, aber vielleicht ist es eine besondere Sorte, extra für Terrassen und Balkone in luftiger Höhe gezüchtet *schmunzel*

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