Kalte Illusionen – ABC-Etüde 1/2020

Die ABC-Etüden

Wie immer bei Christiane

Von der diesmal auch die Wörter kommen 

Die 3 Begriffe sollen in einen höchstens 300 Wörter langen Text eingebaut werden

Zu seinem Unglück sah Max genauso aus, wie die klassische Flachland-Schikurs-Touristin sich einen feschen Schilehrer vorstellte. Oft fragte er sich, was sein berufliches Anforderungsprofil von jenem eines Gigolos in südlichen Tourismusländern unterschied. Sexy sollte er sein, sportlich getrimmt, über die mickrigsten Witzchen seiner Kursteilnehmerinnen sollte er natürlich-herzlich-alpenländisch lachen, flirten musste seine zweite Natur sein, obwohl die Kursteilnehmerinnen andererseits auch einen tiefsinnig-melancholischen Charakterzug erwarteten.  Und jede erwartete obendrein, dass er ihr zum Après-Ski in jeder Hinsicht und ausschließlich zur Verfügung stand. Eiserne Potenz wurde vorausgesetzt, gepaart mit romantischem Geflüster. Kenntnisse im Jodeln und Schuhplattln fielen wenigstens nicht in sein Ressort. Dafür waren die Kollegen vom Hüttenzauber zuständig.

Heute allerdings hatte er mit einem Kollegen getauscht und einen Hüttenzauber-Dienst übernommen. Der lokale Tourismusverband war straff durchorganisiert, auch wenn die Touristinnen es nicht bemerkten. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Die hohe Kunst effizienter  Organisation, die den Eindruck von charmantem Chaos weckt, beherrschte man hierzulande meisterhaft.

Voll Abscheu, aber mit einem lange antrainierten naiv-sinnlichen Lächeln betrachtete er die Touristin, die ihm sein Kollege, der Xaver, besonders ans Herz gelegt hatte. Eine mittelalterliche Dame, die ihn in preußischem Tonfall herumkommandieren wollte. Er ließ die schrillen, spitzen Töne an sich abprallen. Den Teflon-Trick beherrschte er schon lange. Immer unter Beibehaltung des sexuell-interessierten-Naturburschen-Lächelns natürlich. Eine Stunde hatte er noch Dienst und hoffte sehr, sich die militärische Tussi so lange vom Hals halten zu können. In fünfzig Minuten würde auf die Großleinwand ein Sonnenaufgang über den Bergen projiziert werden und das war sein Stichwort. Er würde langsam die Küche ansteuern und dann unauffällig durch die Hintertür verschwinden. Den Rest übernahm das Gastronomie-Personal.

Und morgen das ganze Elend wieder von vorne. Irgendwann, so träumte er, würde er auch auf Schiurlaub fahren, dorthin wo die Flachland-Touristinnen nicht hinkamen, in die Berge hinauf, in die felsige Einöde ohne Lift, unter gführigem Pulverschnee.

301 Wörter

 

17 Gedanken zu “Kalte Illusionen – ABC-Etüde 1/2020

  1. Ich habe Skilehrer noch nie beneidet – allerdings auch nicht angeschwärmt. Liest sich leider sehr realistisch, was du da schreibst.
    (Und das eine Wort hätte man einsparen können. Bestimmt.)
    Montagmorgengrüße
    Christiane, leicht grummelig 😼☕🍪

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  2. An meine Skilehrer als Kind kann ich mich nicht erinnern, aber meine letzte hieß Killerresi und sah auch so aus. 😉 Ich denke mal, sie war da eher eine Ausnahme. Ein wenig gruselig finde ich diese Art von Tourismus schon. Du hast sie sehr realistisch beschrieben.
    Grüße, Katharina

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  3. Ich bin kein Fan von Skipisten, man kann es hier gut auf dem Feldberg sehen, da wächst fast nix mehr, alles blank geschrubbt!
    Deine Etüde finde auch ich sehr realistisch, ich möchte hier weder Lehrerin noch Schülerin sein.
    Herzlichst, Ulli

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    1. Ja, es ist so eine Verschandelung der Natur und das, was am Schifahren so gepriesen wird, kann ja gar nicht stattfinden, weil die Pisten total überlaufen sind. Und dann gibt es noch die besonders Schlauen und Rücksichtslosen, die außerhalb der Pisten fahren oder gehen , auch bei hohen Lawinenwarnstufe und dadurch immer wieder die Leute von der Bergrettung zwingen, sich für sie in Lebensgefahr zu begeben.

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  4. Ja, ist wohl realistisch, aber durchaus nicht nur für den Skitourismus, sondern überhaupt für die Erwartungen von Touris an das, was ihnen im Urlaub geboten werden sollte, damit es sich „gelohnt hat, das viele Geld“. Dazu gehört eben auch die besondere Beachtung, die einem vom gut geschulten, charmanten Fremdenführer (Frendenführerin) und Bediensteten von Hotels, Bars etc pp. entgegenzubringen ist. Das Ganze hat auch eine Kehrseite: die Charakter-Korruption eben dieser „Einheimischen“.
    Bisschen übertrieben finde ich die „preußische“ Dame – ein in Bayern und Österreich sich hartnäckig haltendes Vorurteil gegen Menschen aus dem Norden Deutschlands. Das grenzt an Rassismus. 😉

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    1. Ui, ui, ja ich weiß, die preußische Dame hätte ich mir verkneifen sollen. Wenn es von dieser Sorte auch sehr viele gibt, aber die kommen wohl von überall her. Ich habe sie halt vom Standpunkt des Schilehrers aus betrachtet 😉
      zerknirschte Grüße

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  5. Was für ein gute Etüde, tatsächlich bis auf die preußische Dame, die kam mir nicht so ganz glaubwürdig vor, aber egal, dieser Zirkus ist auch nicht meins und bei Hüttenzauber gehe ich schon einen Schritt rückwärts *g*
    Skilehrer hatte ich wohl auch, aber meine ersten Versuche auf dem Feldberg (ich war 8 Jahre jung) im Schwarzwald, weil ich da zur Erholung war, wie so oft als Kind, verliefen mit den Betreuerinnen.
    Ich fror entsetzlich, lernte aber in den 6 Wochen mit Lederbindungen und sehr langen Skiern laufen. Skilehrer brauchte ich dann keine mehr. Eine Killerresie hatte ich nie 🙂

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