Montag 22. April 2024 – EU-Wahlen auch in Ungarn

Unter meinen verschwundenen Fotos befindet sich auch ein viel besseres von diesem Plakat, aufgenommen an einer prominenten Stelle an einer Uferpromenade des Balaton. Ich hatte ihm schon nachgeweint aber plötzlich habe ich im Vorbeifahren ein gleiches gesehen. Der F hat an einem ziemlich unorthodoxen Platz angehalten und ich bin hingestürzt um es nochmals zu fotografieren. Leider hatte ich keine Zeit eine bessere Beleuchtung zu suchen, aber gut, man sieht ein wenig davon.

Das wundervolle Plakat ist hinter Glas, vielleicht fürchtet man Schmieraktionen. Wegen der Spiegelung , die ausnahmsweise nicht erwünscht ist, kann man es auch sehr schlecht lesen. „migráció“ und „gender“ erklärt sich selbst. Als dritten Schrecken, den die EU angeblich verursacht, steht hier „háború“ = Krieg. Man beachte, dass von der Leyen ein männliches Gesicht bekommen hat. Von den anderen Feinden Orbáns, die hier als „Diener von Brüssel“ bezeichnet werden, kenne ich nur Peter Magyar, der große Demos gegen Orbán organisiert hat. Die anderen drei gehören sicherlich der Opposition an.

Warum dieses Land mit seinen ungemein freundlichen Menschen einen Orbán gewählt hat, lässt sich sicher nicht in zwei Sätzen analysieren….

11 Gedanken zu “Montag 22. April 2024 – EU-Wahlen auch in Ungarn

  1. Vorab: Ich war noch nie in Ungarn. Dennoch überrascht mich an deinem Eintrag allein die Aussage über die „ungemein freundlichen Menschen“.

    Bestimmt ist der Fall Orbán nicht in wenigen Sätzen zu analysieren, Tatsache ist aber, dass er von 1998 bis 2002 und seit 2010 ununterbrochen Ministerpräsident von Ungarn ist, momentan der dienstälteste Regierungschef innerhalb der EU, also trotz allem, was er seinem Volk und Europa antut, mehrmals wiedergewählt wurde. Ich weiß nicht, ob das so sehr für ungemein freundliche Menschen spricht. Orbán ist allerdings kein Einzelfall. Wir müssen allmählich die Realität zur Kenntnis nehmen, dass Völker sich verderbliche Regierungen mit Mehrheit wählen. Der italienische Philosoph und Psychanalytiker Sergio Benvenuto hat aus dieser Entwicklung gerade in seinem Artikel „Israelis, Palästinenser“ in der aktuellen Ausgabe des Lettre International zugespitzt gefolgert: „Die erbauliche Rhetorik, der wir uns heute fast alle beugen, wiederholt permanent, daß wir zwischen Bevölkerung, militärischer Führung und politischer Führung unterscheiden müssen… Das ist nicht wahr… Eine solche Unterscheidung wäre Heuchelei.“ – Ziemlich starker Tobak für unsere Denkgewohnheiten, trifft aber anscheinend in einigen Fällen durchaus zu. Bei allem anzunehmenden Wahlbetrug: auch Vucic in Serbien und Putin in Rußland dürfen sich einer Mehrheit im Wahlvolk immer noch recht sicher fühlen. Und Orbán in Ungarn wohl ebenfalls.

    Kleines Apercu zum Schluss. Unter meinen Bekannten sind mehrere, die ihr Medizinstudium z.T. in Ungarn absolviert haben. Sie kamen alle von dort zurück und meinten übereinstimmend, in Ungarn müsse Lächeln bei Strafe verboten sein.

    Bitte um Verzeihung für die Länge der Zuschrift, aber die Frage, welche Einstellungen sich unter den Völkern Europas mehr und mehr breit machen, beschäftigt mich ziemlich.

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    1. Lange Kommentare mit interessantem Inhalt schätze ich durchaus sehr!
      Eindrücke sind natürlich immer subjektiv und lassen sich nur sehr begrenzt objektivieren. Ich habe Zeit meines Lebens immer schon einen positiven Eindruck von den Werten der ungarischen Gesellschaft gehabt. Das Land liegt ja bei uns vor der Haustür, ich habe auch Verwandte in Ungarn. Auch bei touristischen Aufenthalten wie diesem, waren die Menschen, die mir begegnet sind, sagen wir mal zu 95% freundlich und hilfsbereit. Immerhin haben wir diesmal mehrere Mechaniker kennengelernt 🙂 Auch die ungarische Sprache ist äußerst höflich!
      Die Ansicht, dass es Heuchelei sein soll zwischen Bevölkerung und politischer /militärischer Führung zu unterscheiden, teile ich nicht. Einmal abgesehen davon , dass es so etwas wie einen „Volkscharakter“ nur bis zu einem gewissen Grad gibt, sehen wir viele Beispiele auf der Welt, dass völlig ungeeignete Menschen an die Staatsspitze kommen, durch Wahlen wohlgemerkt, Orban, Meloni (sind nun alle Italiener grimmige, unangenehme Menschen geworden ? ) Trump, Erdogan, Bolsonaro, Netanjahu und etliche weitere fallen mir gerade nicht ein.
      Ja, ich bin auch der Meinung, dass die Welt insgesamt ein Führungsproblem hat. Höchst ungeeignete, korrupte, diktatorische Gestalten kommen an die Macht. Man fragt sich, was – falls überhaupt irgendwas – sich die Menschen denken, die diese Figuren wählen. Übrigens ist auch Hitler durch Wahlen an die Macht gekommen. Waren alle Deutschen damals Faschisten und Mörder?
      Ich bin überzeugt, dass jemand ein guter, freundlicher Mensch sein und doch schwer verständliche Wahlentscheidungen treffen kann.
      Ist auch etwas lang geworden 😉

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  2. Wohl die meisten von uns sind in dem Bewusstsein groß geworden, dass Demokratie automatisch gut ist. Das war längst nicht immer so, und durchaus nicht nur bei Anhängern totalitärer Regime. Viele Denker und wichtige Persönlichkeiten im 19. Jahrhundert hatten Angst und Argwohn vor der Demokratie. Sie fürchteten die Macht des „Pöbel“, verkürzt ausgedrückt. Wir merken seit einigen Jahren, dass wir uns hier tatsächlich in einem weiten Feld bewegen. Unnötig zu sagen, dass Mechanismen der Manipulation und Meinungsbeeinflussung infolge der Auswirkungen des Wirkens großer Tech-Konzerne (über social media) letztlich zeigen, wo der eigentliche Hammer hängt.

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    1. Ich finde auch, dass das Konzept Demokratie eindeutiger definiert werden muss. Die Demokratie ist in manchen Bereichen mit ihren eigenen Mitteln aushebelbar und so wie die Welt gerade aussieht, sollte das nicht so sein

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  3. Freundlichkeit scheint nicht mit politischer Klugheit zu korrelieren, in Ungarn und anderswo.
    Abgesehen davon glaube ich, dass der Eindruck, ob Menschen freundlich sind, stark davon beeinflusst wird, wie man ihnen entgegenkommt, als Echo sozusagen. Und da traue ich dir eine Menge Provokation zu.

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    1. Das ist schon wahr 🙂 Ich habe mich über jedes Mini-Gespräch gefreut und war von allem begeistert, was ich verstanden habe. Klar sind das gute Voraussetzungen für gegenseitige Sympathie …

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