Freitag 14. Juli 2023 – am fünfundzwanzigsten Sommertag nichts über Fische

Aus der Tiergarten-Groteske, die wir in den letzten Tagen in Wien erlebt haben, muss man wohl lernen, dass ein erfolgreicher Zoo sowohl eine wissenschaftliche als auch eine kaufmännische Leitung braucht. Ein erfolgreicher Zoo ist einer, der genügend Einnahmen aus Eintrittsgeld, Tierpatenschaften und sonstigen PR-Aktionen lukrieren kann um Forschungs- und Artenschutz-Projekte wie ZB die Nachzucht und Auswilderung von Waldrappen zumindest teilweise finanzieren und betreiben zu können.
Nun wollte der ziemlich neue Tiergarten-Direktor, Hering-Hagenbeck, dass die Tiere keine öffentlich bekannten Namen mehr tragen sollen. Warum? Weil der Zoo den Fokus auf die Tierart, besonders wenn es sich um eine bedrohte Art handelt, und nicht mehr auf einzelne Individuen legen möchte. Diese Argumentation finde ich nicht einleuchtend. Inwiefern wird der Artenschutz besser oder schlechter, wenn die Namen, die den Zoo-Tieren ohnehin von ihren Pflegern gegeben werden öffentlich bekannt sind ? Inwiefern soll es dem Artenschutz schaden wenn die Besucher sich nicht auf die Panda-Zwillinge sondern auf Fu Feng und Fu Ban freuen?

Die Züchtungserfolge des Schönbrunner Tiergartens sind recht beachtlich. Der erste auf natürlichem Weg gezeugte Panda Europas wurde in Schönbrunn im August 2007 geboren. Fu Long („Glücklicher Drache“) wurde ein Star, was ihm aber wohl ziemlich egal war, Pandas sind ja nicht übermäßig temperamentvolle Tiere, die hauptsächlich schlafen und Bambus vertilgen. Weitere 4 (!) Pandas wurden in Schönbrunn geboren und mit zwei Jahren vertragsgemäß der China Wildlife Conservation Association (CWCA) übergeben, die die Tiere auswildert und dadurch den nur noch geringen Bestand an wildlebenden Pandas in China erhöht.

Derzeit gibt es im Schönbrunner Zoo ein vor einem Monat geborenes Orang-Utan-Baby, das man als Zoobesucher noch nicht sehen kann, von dem man aber weiß, dass es Nilah heißt, was im Indonesischen soviel wie „Erfolg“ bedeutet. Jeder neugeborene Orang-Utan ist ein Erfolg für die vom Aussterben bedrohte Art. Wäre der Erfolg kleiner, wenn niemand wüsste, dass das Orang-Baby Nilah genannt wird? Einen Tag nachdem der Zoodirektor seine neue Strategie bekannt gegeben hat, wurde eine kleine Giraffe geboren. Große Empörung herrschte in Wien darüber, dass der Name der kleinen Giraffe nun nicht bekannt gegeben werden sollte, der Boulevard und die „sozialen Medien“ haben die ganze Sache genüsslich aufgeblasen und der Zoodirektor musste zurückrudern. Die Giraffe hat einen Namen, es können weiterhin Patenschaften für einzelne Tiere übernommen werden, es bleibt alles beim Alten.

Ich will dem Herrn Hering-Hagenbeck nicht zu nahe treten, er mag ein renommierter Zoologe sein, aber mit kurzem Nachdenken oder auch einer Nachfrage bei der ortskundigen Kollegenschaft, wie sein Plan wohl aufgenommen werden würde, hätte er sich den ganzen Aufstand ersparen können, hätte damit den Artenschutz-Projekten des Zoos in keiner Weise geschadet und den dafür benötigten Einnahmen schon gar nicht.

In die andere Richtung gedacht, könnte man ja auch die Bevorzugung mancher Tiere durch die Besucher*innen dadurch ausgleichen, dass auch weniger beliebte Tiere Namen bekommen. Etwa so : „Die Gottesanbeterin Lisi hat gestern nach erfolgtem Koitus ihren Partner Odoaker verspeist“ Wär das nix?



30 Gedanken zu “Freitag 14. Juli 2023 – am fünfundzwanzigsten Sommertag nichts über Fische

  1. Toller Post und tolles Foto. Der Schlusssatz ist prima!! Alles, was wir gern haben, bekommt einen Namen, und was ist an Tieren nicht gernzuhaben?! Ich finde es immer wieder berauschend, welche Artenvielfalt auf diesem Planeten herrscht.

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  2. Vielleicht hat der Zoodirektor auch deshalb die Schnapsidee mit den namenlosen Tieren aufgebracht, um dem Tierpark mal wieder ein paar Schlagzeilen zu bescheren. 😉 Negativwerbung ist häufig die wirksamste. 😉
    Wobei das Ganze ein so sinnloser Einfall gewesen ist. Jede/r gibt doch seinem/ihrem tierischen Begleiter zuhause einen Namen, das ist immer so gewesen. Warum sollte das in einem Tierpark partout anders sein? Die Besucher:Innen identifizieren sich mit benamsten Viecherln weitaus besser und leichter als mit z. B. der Giraffe Nr. 14 oder dem Elefantenbullen Nr. 2.

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    1. Ja, wer weiß, was ihn auf diese Idee gebracht hat. Im Grunde ist der Schönbrunner Tiergarten an manchen Tagen total überlaufen und eigentlich immer gut besucht. Besonders viel Werbung braucht es da nicht …

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  3. Ach ja, darüber hat Richard hier auch schon berichtet, wenn das mal kein Eigentor ist.
    Was ist daran falsch am Artenschutz zu arbeiten und den Tieren eine Identität zu geben.

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  4. Unsere Katze heißt Lilith, die dunkle Seite des Mondes, weil sie so eine zweigeteilte Fellfärbung im Gesicht hat. Wir rufen sie so und manchmal hört sie darauf und manchmal nicht. Im Grunde isses ihr scheißegal 🙂 Solange ihre Interessen und Bedürfnisse bedient werden.

    Der Zoodirektor soll mal die Kirche im Dorf lassen.
    Man muss ja nicht gleich einen Wolf Hitler nennen …

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    1. Oh, Lilith, die dunkle Seite des Mondes ist aber sehr schön. Wie alle Katzen wird eure aber eher auf Fleischgeruch und Dosengeklapper hören als auf ihren Namen 🙂
      Hehe, nein einen Wolf namens Hitler gibt es nicht oder Stalin oder … naja, in diese Richtung gäbe es ja viele Möglichkeiten 🙂 🙂

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  5. Die Geschichte zeigt auch sehr gut, wie Soziale Medien funktionieren. Der Zoo hat das neue Konzept schon vor einem halben Jahr auf Facebook etc. vorgestellt, und keinen hat es interessiert. Dann war da dieses Interview in der Tiroler Tageszeitung, und einen Tag und einen Shitstorm später, war das ganze Konzept Geschichte. Diese Massenreaktion in Sozialen Medien sind selten sinnvoll, aber in diesem Fall haben sie eine unverständliche Entscheidung sehr schnell zu Fall gebracht.

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    1. Ja, tatsächlich solange etwas nicht in der richtigen Blase angekommen ist, erfährt die große Öffentlichkeit nichts davon. Das war natürlich auch ein sehr geeignetes und eher harmloses Thema für gewaltige Aufregung und überbordende Emotionen 😉

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  6. Ehrlich gesagt ist es mir so schnurzegal wie den Zootieren, ob sie Namen haben oder nicht. Den PflegerInnen erleichtert es wahrscheinlich die schnelle Verständigung, von welchem Tier gerade die Rede ist (wahrscheinlich ginge das auch mit Nummern, wäre aber nicht so „nett“). Menschenpsychologisch und medientechnisch war die Aktion sicher blöd.
    Was ich aber hochinteressant finde, ist die Perspektive, aus der du den Fisch auf dem Beitragsbild aufgenommen hast, und die Grüüüns wieder – Wahnsinn!

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    1. Dem Fisch bin ich gewissermaßen allein auf Augenhöhe begegnet und das Aquariumsglas war sehr sauber 😉 Und bei den Aquarien sind selten so viele Leute wie bei anderen Tierarten. Ja, die Blaugrüns und Grünblaus sind schon eine Freude

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  7. Ich bin bei seinem Namen stutzig geworden. Der Mann hat nicht nur in eine Tierpark-Dynastie eingeheiratet (daher der Doppelname), sondern er hat in der Leitung des besagten Tierparks (Hagenbeck, Hamburg) auch hohe Funktionen eingenommen. Der weiß, dass Namen Öffentlichkeit und damit Einnahmen generieren. Ich schließe mich der Fraktion an, die vermutet, dass mit namenlosen Tieren unauffälliger zu verfahren ist: Tiere sind Kassenmagneten, wenn sie jung sind, danach weniger, was natürlich auch von der Art abhängig ist. Aber wer kommt für eine zweijährige Löwin, wenn er*sie ein Tierbaby sehen kann?
    Was weiß man wirklich über das Wirtschaftsunternehmen Zoo und die gängigen Praktiken? Ich weiß, dass ich sehr wenig weiß …
    Heiße Vormittagskaffeegrüße 🌞🐘🌳☕🍪

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    1. Ein moderner Zoo ist ohnehin im Bereich der Arterhaltung engagiert. Es gibt bei den Züchtungen internationale Vernetzungen der Zoos. Für Tierarten, die akut vom Aussterben bedroht sind wie eben zB die Pandas und die Orang-Utans betreiben die Zoos Zuchtprogramme, tauschen auch Tiere aus. Bei der Züchtung und Auswilderung diverser Tierarten gibt es Erfolge.
      Früher war das nicht so, aber heute ist das Zeigen von Tieren nicht mehr die Hauptbeschäftigung eines Zoos aber sehr wohl die Einnahmequelle aus der das Unternehmen samt Forschung und Arterhaltungsprojekten finanziert wird. Maßnahmen, die die Besucher verärgern und den Tieren nichts bringen, finde ich daher kontraproduktiv.
      Ich war kürzlich im Zoo und habe gesehen, dass überall auf bedrohte Lebensräume und die Bedeutung der Artenvielfalt und deren Erhaltung hingewiesen wird. Die Tiere nicht als Einzelwesen sondern als Vertreter ihrer gesamten Gattung zu betrachten, ist ein theoretischer Ansatz, den man gut finden kann, der aber nichts zum Wohlbefinden dieser Tiere und ihrer Artgenossen beiträgt. Wohl aber tragen die Einnahmen aus dem Zoobetrieb zum Wohlbefinden der Tiere bei: es werden die Anlagen und Gehege renoviert, verbessert, vergrößert, die Forschung und ihre Projekte bekommen mehr Geld und den Besuchern wird viel geboten.
      Tierbabys sind natürlich besondere Publikumsmagneten, aber auch die alten Tiere „arbeiten“ in Tiergärten an der PR. Es gab in Schönbrunn zB einen Schimpansenveteranen, der allgemein bekannt war, ein alter Giraffenbulle wurde in ein eigenes Gebäude umgesiedelt in Begleitung von zwei weiblichen Giraffen…
      Für deine Vermutung, dass alte Tiere „entsorgt“ werden, kann ich keine Hinweise finden

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      1. Ich sprach auch nicht von alten Tieren, ich sprach von Graubereichen. Wenn ich wieder mal darauf stoßen sollte, sage ich dir Bescheid, ich weiß nicht mehr, wo ich es gelesen habe – aber ich bin sicher, dass das nicht so eine Quelle war, die bloß Klicks generieren wollte.

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  8. Schnapsidee, häte ich spontan gesagt, aber wer weiß, was wirklich dahinter steckte.
    Nun ist es nichts damit geworden, gut so!

    Dein letzter Satz ist so irre schön, liebe Myriade.
    Ich denke an die Gottesanbeterin und grinse vor mich hin 🙂

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