Um diese Jahreszeit denke ich gerne an einen Kollegen namens Hans, der Haus und Garten im tiefsten Waldviertel besitzt und meist Anfang März mit den ersten Gartenarbeiten beginnt. Sofern kein Schnee mehr liegt und es auch nicht mehr sehr kalt ist. Manchmal kann es auch April oder gar Mai werden, denn das Waldviertel ist der österreichische Kältepol.
Sein Garten liegt direkt an der Sonntagsspazierstrecke des Orts und er erzählt immer gerne, wie sich die Kommunikation mit den vorbei spazierenden Ortsbewohnern abspielt. Es ist normalerweise Sonntag und daher kommen zunächst die Kirchgänger vorbei. Hans hat mit der Kirche nichts mehr am Hut, ist aber immer bemüht nicht zu sehr aus dem Rahmen zu fallen. Wenn die Vorbeigehenden leicht kritische Bemerkungen dazu machen, dass er im Garten arbeitet statt in die Messe zu gehen so benützt er abwechselnd die Standardsätze „der liebe Gott wird´s sicher verstehen“ oder „es ist ja dem Herrgott seine Natur“
Auf die Frage, ob ihm nichts davon im Hals stecken bleibt, meint er, dass er das im Lauf der Jahre schon so automatisiert habe, dass ihm gar nicht mehr auffällt, wie falsch das klingt. Außerdem meint er grinsend, dass auch in seinem abgelegenen Ort die Kirchgänger immer weniger werden.
Nach den Kirchgängern kommen die Spaziergänger. Das ist genauso wie in der Stadt, wenn man einander im Aufzug trifft. Da hält sich die Originalität der Bemerkungen, die man mit den Nachbarn austauscht auch sehr in Grenzen. Ebenso in dem kleinen Dorf im Waldviertel. Irgendetwas muss man unbedingt sagen, es wäre eventuell unhöflich einfach nur vorbeizugehen und so machen die Spaziergänger meist eine Bemerkung darüber, wie fleißig der Hans in seinem Garten arbeitet. Darauf sagt der Hans Sätze wie „es ist halt immer was zu tun“, „es muss halt sein“ „bei der Temperatur/dem Wind/der Trockenheit/dem Regen … geht´s ja nicht anders“.
Auf die Frage, warum er sich das antut und nicht zum Beispiel einen Zaun aufstellt, antwortet er, dass das völlig unmöglich wäre. Das Austauschen dieser leeren Phrasen führt dazu, dass alle Beteiligten das gute Gefühl haben, ihre sozialen Pflichten erledigt zu haben, er selbst auch. Man kann darüber lachen, ich tue es auch gerne, auch der Hans lacht darüber, aber es ist doch auch wahr, dass dieser Austausch von leeren Floskeln, je nachdem wie man selbst gerade drauf ist, ein gutes Gefühl der Zusammengehörigkeit erzeugen kann. Und der Hans übertreibt wahrscheinlich etwas und es werden sich manchmal auch andere Gespräche ergeben.
Ich bin auch schon sehr gespannt, wie das in PB sein wird.
Das kann ich komplett bestätigen: die kleinen Gespräche mit den Leuten, die am Garten vorübergehen, geben ein Gefühl von Geborgenheit im dörflichen Miteinander. Sogar, wenn der Oberkathole grimmig murmelt: “ Sündachs Arbeit gedeiht nich“, um meinen sonntäglichen Fleiß zu missbilligen. Er gehört eben auch zum Dorf.
Im Winter, wenn niemand im Garten werkelt, vermisse ich die kleinen Plaudereien.
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Ich sehe euren grimmig murmelnden Oberkatholen vor mir 😉 Aber es hat sicher viele schöne Seiten in einem kleinen Dorf zu wohnen und alle zu kennen …
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Das ist es. Wenn ich bedenke, dass ich gut 20 Jahre lang ein überzeugter Stadtmensch war – unvorstellbar heute.
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So ist es in unserem 380-Seelen Dorf auch noch.
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380! So klein! Das muss wirklich ein völlig anderes Leben sein als in der Großstadt mit schönen und sicher auch weniger schönen Seiten
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Nix verkehrt dran nich 😉
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🙂 🙂
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Die ritualisierten Begrüßungen sind ganz wichtig, ohne sie würde so mancher/manche völlig sprachlos durch den Tag gehen. Sie entlasten gerade deshalb, weil sie nichts wirklich Persönliches enthalten. Hier sind sie gang und gäbe, auch in den Großstädten.
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Ich hätte gedacht, dass man in Griechenland ähnlich kommunikativ ist wie in Südwesteuropa?
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Ja, ist man. Aber oft bleibt es doch beim ritualisierten Austausch. Und dessen Bedeutung darf man nicht unterschätzen.
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Ich bin offenbar ganz gut drin, Leute zum Gespräch einzuladen..Oft mit einer witzigen Bemerkung.
Mir sind Kontakte wichtig.
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Das ist aber was anderes, als wenn man nur immer die gleichen Floskeln austauscht
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Das stimmt.
Eigentlich ist das Abwehr, Floskeln zu gebrauchen.
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Oft ist das wohl so, ja
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Ein Kunde trat oft ins Büro und begann seine Aufwartung beim Kollegen meist so: „Was für ein schöner Tag das wieder ist, Herr XYZ“.
Mich nervte das massiv, weil es immer so kam, immer Hülsen.
Ich hatte derweil konzentriertest an Programmen herumzudoktern …
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Ich mag diese kleinen Gespräche – das fühlt sich wie ‚Zuhause‘ an.
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Auch wenn es Floskeln sind, so ein kleiner Austausch untereinander hat doch oft auch etwas Wertschätzendes.
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Manchmal schon, ja
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Da werden sich mit Sicherheit sehr viele unterschiedliche Gespräche ergeben. Von sozialen Geräuschen bis hin zu interessierten und interessanten Austäuschen. Beunruhigend wäre es nur, wenn das keiner täte 😉
Morgenkaffeegrüße 😁🌦️☕🍪👍
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Ich kann noch keine Erfahrungen beisteuern, aber der Hans sagt, dass sich die Floskeln zu den tatsächlichen Unterhaltungen 95% zu 5% verhalten, maximal.
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Herrliche Kommunikation! Die stieseligen Hannoveraner sparen sich alle Bemerkungen solcherart. Daher fehlen mir die sozialen Geräuschen. In meiner linksrheinischen Heimat ist man daran gewöhnt..
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„stieselig“ ist auch ein schönes Wort 🙂 Das Fehlen von Phrasen, die man gewöhnt ist, ist sicher auch ein seltsames Gefühl. Auf städtische Verhältnisse übertragen, wäre das dann, dass man im eigenen Haus im Aufzug steht und die Mitfahrenden keine Bemerkungen übers Wetter machen. Das wäre tatsächlich richtig ungemütlich …
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Ein Guter, der Hans, der so unabhängig den Leuten das Gefühl schenken kann, das Richtige zu tun, weil es ihm einfach wurscht ist.
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Von dem Gesichtspunkt aus habe ich das noch gar nicht betrachtet. Aber ja, du hast recht, er bestätigt alle obwohl er alles ganz anders sieht.
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Irgendwie musste ich lächeln, als ich Deine Beschreibung las. Sicherlich sind solche Zaungespräche Geschmackssache, aber so, wie Du es schreibst, stelle ich die Situation mir ziemlich heimelig vor. Jeden Sonntag – gerade durch die immergleichen Floskeln – die Gewissheit, dass sich die Erde noch dreht und alles irgendwie im Rahmen ist.
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Ja, den heimeligen Aspekt sehe ich schon auch, aber es ist auch ziemlich langweilig …..
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Na, dann bin ich mal gespannt, wie es Dir und dem F ergehen wird, wenn Ihr dort wohnt, wo der Hans nur um die Ecke ist 🙂
Floskeln üben? Oder kommt das von alleine?
Bei mir ist es sehr stimmungsabhängig *g*
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Floskeln beherrsche ich, ich mag sie nur nicht besonders 😉
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🌞🙂😊
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