Mangelndes malerisches Selbstbewusstsein

„Also mir gefällt dieses Bild sehr gut“ hat sie gesagt. Da könnte ich mich darüber freuen, es könnte mir auch egal sein, ob dieser Malkollegin das Bild nun gefällt oder nicht. Aber nein, weder noch, sondern ich denke darüber nach, warum sie das „mir“ so betont hat. Hat sie damit gemeint, dass ihr dieses Bild zwar gefällt aber sonst niemandem, oder, dass ihr ohnehin alles gefällt, sogar dieses Bild?

Nun habe ich ja im Laufe meines Lebens gelernt, meine Leistungen in diversen Bereichen einzuschätzen. Ich weiß, was ich gut kann und was nicht. Wenn mich jemand positiv bestätigt, freut mich das, wenn jemand meine Fehler kommentiert, nehme ich es ziemlich emotionslos zur Kenntnis, wenn es konstruktive, berechtigte Kritik ist, denke ich darüber nach.

Aber beim Malen ist alles ganz anders. Da bin ich unsicher. Ich wollte immer schon malen, bin aber sehr spät dazu gekommen und habe einfach noch kein klares Urteilsvermögen über die eigenen Fähigkeiten und Unfähigkeiten entwickelt. Es ist ja auch ein schwieriger Bereich; was ist Kunst, was zeichnet ein interessantes, ein gutes, ein technisch perfektes, ein aussagekräftiges etc etc Bild aus? Wer ist in der Lage, das überhaupt zu beurteilen? Gibt es denn da überhaupt allgemein anerkannte Kriterien? Gut, ich habe schon einiges gelernt, ich erkenne ein dilettantisches Bild, nicht zuletzt deswegen, weil meine eigenen auch lange in diese Kategorie fielen. Ich kann oft erklären, was mir an einem Bild gefällt und was nicht. Nur – weil es mir gefällt, oder jemand anderem oder sogar vielen anderen – ist es deswegen „gut“?

Ich merke, dass mir meine eigenen Bilder immer öfter gefallen, es kommt kaum mehr vor, dass ich ein angefangenes Bild als hoffnungslos verwerfe. Es gibt sogar einige, die ich zur freien Besichtigung zuhause aufstelle oder aufhänge. Die dürfen dann nicht nur Menschen meines Vertrauens sehen, sondern auch andere Leute, die sich in meiner Wohnung aufhalten. Aber im Grunde sagt das natürlich nichts über die Qualität der Bilder aus.

Meine immer wieder als wenig hilfreich empfundene Malmeisterin habe ich nun doch nicht durch jemand anderen ersetzt, sondern ich habe die Anzahl der Malmeisterinnen um eine weitere Person aufgestockt. Sehr entspannend an dieser Situation finde ich, dass die beiden sich über die Beurteilungskriterien für ein Bild sowohl in der Theorie als auch in der Praxis öfters nicht einig sind. Daraus lerne ich seltsamerweise eine Menge ….

10 Gedanken zu “Mangelndes malerisches Selbstbewusstsein

  1. und warum zeigst du nicht mal was von deinem Oeuvre, liebe Myriade, damit wir auch unseren Senf loswerden können?
    Objektive Kriterien gibt es in der Kunst wie in allen anderen Bereichen auch, aber mit „gefallen“ hat das eigentlich weniger zu tun. Ein Auto zB kann alle technischen Daten einwandfrei erfüllen – braucht mir deshalb aber nicht zu gefallen. Hingegen kann eine alte und kaum noch fahrtüchtige Ente mir vielleicht durchaus gefallen. Vielleicht mag ich überhaupt keine Autos und bevorzuge Fahrräder? Mag keine Ölgemälde und bevorzuge Kritzeleien? mag Landschaften, aber keine Stillleben?
    Ich habe mal eine Ausstellung im Foyer des Goethe-Institus in Athen gemacht und erlebt, dass eine Frau (sie kannte mich nicht, ich aber sie) mir ihr Leid klagte: sie könne nicht entspannt ihren Kaffee trinken wegen all dieser schrecklichen Bilder, die sie an sozialistischen Realismus erinnerten. Ein anderer (mit mir verfeindeter) Kollege flüsterte mir im Vorbeigehen zu, er habe noch nie eine so tolle Ausstellung in diesen Räumen gesehen. Ich überlegte: warum wohl? Ich hatte Männerportraits, teils ganz figurig, ausgestellt – und das schlug der lesbischen Frau auf den Magen, dem Mann, der gay ist, gefiel es aber sehr wohl.
    So ist das mit den Geschmacks-Urteilen.

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  2. Die Kunst liegt im Auge des Betrachters, wie man so schön sagt.
    Mein Sohn hat künstlerisches Talent. Es wurde ihm in der Grundschule auch von einem Künstler bestätigt.
    In der weiterführenden Schule konnte die Lehrerin mit seiner Kunst nichts anfangen und er bekam eine 4.
    Ein Jahr später war diese Lehrerin weg und es lief alles wieder gut.
    Mein Fazit: Es gibt so vieles was der Eine gut findet und gleichzeitig der Andere total schrecklich.
    Ich denke, wenn du merkst das sich deine Techniken verbessern und dir gefällt was am Ende dabei rauskommt, dann ist es auch gut.
    Es gibt so viele Künstler die erst nach ihren Ableben berühmt geworden sind.

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  3. Ein Bild zu malen bedeudet in erster Linie Inspiration, eine Emotion oder ein Traum, oder etwas mit dem ich mich intensiv beschäftige, umzusetzen in meine eigene Bildsprache, dann loslösen von vorgegegenen Normen, die Basis aber auch sich die diverse Technik erarbeiten. aus welchem Grund möchte ich malen?? Ein vielschichtiges Thema, wa möchte ich damit ausdrücken, wie und warum. Davon lösen, dann viele Versuche starten, immer wieder neu. Hartnäckigkeit und Geduld denke ich ist erforderlich und hilfreich, um seine eigene Ausdrucksweise zu finden. Ein gemaltes Bild, zuallererst muss ich selbst davon überzeugt sein.
    Mit Kritik umgehen lernen, ist sie konstruktiv, annehmen, je nachdem von wem sie geäußert wird, alles andere ist unwichtig.
    Neid, abkupfern, Mißgunst und Eifersichteleien, kenne ich auch zur Genüge, nicht unbedingt angenehm, kann aber oft nützlich sein,
    sich zu verbessern. Beurteilen, Kritik üben ist einfach, selbst etwas zu schaffen etwas schwieriger………..

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  4. was ist Kunst, fragst Du.
    Unlängst stellte ich die Frage auch auf meinem Blog, aus Anlaß des Ausschlusses meiner Frau aus dem jährlichen „Tag der offenen Galerie“ unserer Stadt. Man begründete das, daß Nicht-Leinwand und Nicht-Grafik es schwer habe, in die Kategorie Kunst zu gelangen. WAS GENAU der Grund war: Wir können es nicht wissen.

    was ist Kunst, fragst Du.

    Das sind meine Kriterien:
    Sie muß frisch sein. Sie muß auch versiert sein. Möglichst keine Kopie, sondern Träger eines eigenen Gedankens.
    Zu Kunst muß es einen drängen. Hat man ständig neue Ideen, ist man auf dem richtigen Pfad.
    Usw.
    OB die anderen etwas mit deiner Kunst anfangen können, steht auf einem anderen Tablett.

    Ein Verriss kann ganz schön wehtun, deshalb wappne Dich beizeiten.

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