Nun also endlich habe ich diesen Mustertext für die neue Aufgabe in der Impulswerkstatt geschrieben

Als mir die Aufgabe eingefallen ist, inspiriert von Puzzleblumes Foto-Duos kam sie mir nicht so schwer vor. Als ich einen Beispieltext schreiben wollte, wurde mir klar, dass es so einfach auch wieder nicht ist. Zuerst musste ich mir zwei Objekte aussuchen. Das war schon nicht so einfach, weil diese beiden in dem Text in Verbindung miteinander kommen sollen.

Es geht also nicht darum, Worte in einen Text einzubauen sondern darum zwei Objekte, Personen, Situationen, die ursprünglich nichts miteinander zu tun haben durch einen Text in Verbindung zu bringen. Im Idealfall sollte es auch je ein Foto der beiden Dinge/Personen/Situationen geben.

Weil mir bewusst ist, dass so eine Idee im Kopf der Erfinderin ganz klar sein und dennoch bei den LeserInnen ziemlich unklar ankommen kann, habe ich diesen Mustertext geschrieben. Die Metallschildkröte, die ich übrigens auf einem Flohmarkt gekauft habe und sehr gerne mag, soll also in einem Text mit der Lampe in Verbindung gebracht werden. Die Lampe hängt tatsächlich in einem vom Abriss gefährdeten, baulich recht heruntergekommenen Künstlerhaus und ist höchst originell.

Wer gerne möchte, kann natürlich auch diese beiden Objekte in einen eigenen Text verpacken. Das wäre besonders interessant. Ich nenne diese Aufgabe „Verbindungsübung“ und sie ist ab nun in der Einladung zur Impulswerkstatt Mai-Juni und in der Liste der Beiträge Mai-Juni zu finden. Ich bin äußerst gespannt, ob jemandem dazu etwas einfallen wird. Das Schwierigste daran ist meiner Meinung nach zwei geeignete Objekte/Personen/Situationen zu finden, obwohl das auch noch keine Garantie ist, dass dabei ein kohärenter Text herauskommt. Länge und Art des Textes ist wie immer euch überlassen. Mehr als drei Sätze sollten es schon sein, außer diese drei Sätze wären so genial, dass sich darin alles unterbringen lässt.

Ich bin mit diesem Mustertext mittelzufrieden. Er ist am Ende etwas zu abrupt, den Weg zur Lampe und deren Wirkung könnte man genauer ausführen, aber nachdem ich schon so lange gebraucht habe um die Objekte zu finden und dann auch erst beim Drauflosschreiben überhaupt eine Möglichkeit gesehen habe, die beiden zusammenzubringen, bin ich wiederum auch ganz zufrieden.

Hier ist also mein Mustertext:

Gleichmut und Behäbigkeit, typische Merkmale ihrer Art sind dieser Schildkröte fremd. Sie ist ganz im Gegenteil quirlig und neugierig. Der perfekte, lebensverlängernde Stoffwechsel von Schildkröten ist bei ihr noch besser entwickelt: er findet gar nicht statt. Dass sie dafür Wasser sehr schlecht verträgt, wollen wir unerwähnt lassen.

Dieses ungewöhnliche Tierchen ist nun vor kurzem in ein Haus voller Künstlerateliers umgezogen. Der Trubel und Lärm, der dort ständig herrscht, belebt sie geradezu. Das Gewusel, die schreiend geführten Unterhaltungen von Stockwerk zu Stockwerk, das Herumtragen diverser Materialien von einem Atelier ins andere, alles Anlass zu Lebendigkeit. Ihre normale Verwandtschaft wäre davon wohl weniger begeistert.

Allein schon die verschiedenartigen Menschen, die in ihrer neuen Behausung aus- und eingehen, bescheren ihr ständig neue Eindrücke. Bislang konnte sie männliche und weibliche Menschen schon auf den ersten Blick unterscheiden, was ihr hier nicht mehr so ohne weiteres gelingt. Das Überarbeiten ihrer Unterscheidungskriterien gestaltet sich vielmehr recht schwierig. Besonders herausfordernd ist es, wenn ein Mensch, den sie bereits in eine der beiden Schubladen eingeordnet hatte, plötzlich mit den Merkmalen des anderen Geschlechts zu sehen ist. Zunächst hat sie eine Systematik der Unterscheidungskriterien erarbeitet, die jener zur Pflanzenbestimmung sehr ähnlich ist: Größe, Form der Blätter und Blüten, Standorte und Ähnliches. Das hat schlecht bis gar nicht funktioniert und so denkt sie schon länger über ein neues System nach.

Das Haus ist alt und nicht alles funktioniert zum Besten. Es gibt ein Heizungssystem, das nach undurchschaubaren Kriterien gelegentlich Wärme erzeugt, meistens aber nicht. Ähnlich sieht es mit der Stromversorgung aus. Die Beleuchtung der Gänge zwischen den Ateliers ist ganz besonders erratisch. Wäre nicht eine der eingemieteten Künstlerinnen in Fragen der Elektrik sehr bewandert, wäre die Lage noch schlimmer. Dafür, dass die Wasserrohre gelegentlich etwas Rost abgeben, hat sich die Schildkröte nicht interessiert. Gut für ihren Seelenfrieden, denn falls die Baubehörden diesen gesundheitsschädlichen Zustand bemerken würden, wäre es wahrscheinlich vorbei mit dem Künstlerhaus und dann würde die Schildkröte entweder allein zurückbleiben oder müsste wieder umziehen, wobei es ungewiss scheint, dass sie wieder einen Ort finden könnte an dem es ihr so gut gefällt.

Eines Nachts nun hörte die Schildkröte eine Stimme, die sie rief. „Komm“ verstand sie ganz deutlich, „komm zu mir“ . Nicht nur die Stimme war seltsam, auch das Licht, das vom Ende des Gangs zu kommen schien, war ihr ganz neu. Sie zögerte nicht und machte sich auf den Weg. Es würde ja eine Weile dauern, denn sie war nicht schneller als ihre biologisch entstandenen Artgenossen. Sie kroch also vorbei am Atelier von Kristin mit der schrillen Stimme und den Collagen aus Apfelkernen, vorbei am Atelier von Iwan, der Bilder aus Versatzstücken verschiedener Armeen produzierte, vorbei auch an der Tür von dem Menschen, der manchmal Anna und manchmal Anton hieß, aber immer riesige Leinwände mit einer Mischung aus Erde und Blut einfärbte und schließlich blieb ihr noch ein Stück Weg bis zu der Treppe von wo die Stimme und das Licht kamen.

Nun kann ich die Verwunderung der Schildkröte gut nachvollziehen, schließlich habe ich dieses interessante Stück Licht selbst gesehen. Eine leuchtende Schmetterlingspuppe, ein Stück der DNA eines Riesen, ein Turm einer urzeitlichen Burg ….

Beim Anblick der Lampe rief unsere Metallschildkröte „der Schildkrötengott“ und hätte sich sicher auf den Boden geworfen, wenn sie da nicht schon ohnehin gewesen wäre. Dieses göttliche Leuchten , flüsterte sie und erstarrte dann völlig. Seither sitzt im immer noch nicht abgerissenen Künstlerhaus eine metallene Schildkröte unbeweglich, wie es ja eigentlich ihre Natur ist, unter einer sehr originellen Lampe, die allen Verwirrungen und Schwächen der Verkabelung zum Trotz immer brennt .

*) Ein Gang ist in Österreich was in Deutschland ein Flur ist.

48 Gedanken zu “Nun also endlich habe ich diesen Mustertext für die neue Aufgabe in der Impulswerkstatt geschrieben

  1. Sehr schick. Ich mag die Idee, ich mag die Ausführung. Ich habe (noch) keine Idee, was ich miteinander verbinden könnte, aber ich bin mir sicher, dass sich etwas finden wird. Danke dir!
    Morgenkaffeegrüße ☀️🌳🎶☕🍪

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    1. Fein, das freut mich, dass dir die Idee gefällt. Ich fand die Ausführung schwieriger als gedacht Obwohl die Schildkröte von Anfang an feststand, hat sich die Lampe sehr geziert bis sie endlich aufgetaucht ist. Noch dazu habe ich mich im auktorialen Stil geübt, was ich auch nicht oft mache. Umso mehr freut es mich natürlich, dass dir die Ausführung gefällt!

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    1. Ich finde ja, dass du deine Idee sehr verständlich erklärt hast. Und ich habe sofort Lust bekommen, mich dran zu versuchen. 🙂 Eigentlich habe ich heute keine Zeit, mal schauen, ob ich (uneigentlich) doch eine finde … :)))

      Liebe Grüße, Andrea

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    2. Ah, tatsächlich. Ich habe eigentlich keinen Überblick, wo man in deutschsprachigen Regionen welche Ausdrücke für die gleichen Dinge verwendet und finde es immer interessant meine sprachlichen Landkarten im Kopf mit neuen Informationen zu bereichern.

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      1. Ich auch nicht, ich denke aber dass das eher im süddeutschen Raum der Fall ist. Im Kreuzworträtsel wird ein fränkischer Hausflur als Ern bezeichneten. Och bin von Geburt Unterfranken umd kenn in unserem Dialekt nur den Gang.

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        1. Ja, Österreich und Bayern haben sprachlich viel gemeinsam. Wobei ich natürlich keine Ahnung habe, wie der Unterschied zwischen Oberfranken und Unterfranken aussieht …
          für mich ist der Gang der „normale Ausdruck“, ein „Flur“ ist etwas anderes ….

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    1. Du hast völlig recht, der zweite Teil ist viel zu kurz ich habe die wirklich hübsche Lampe dadurch zum Requisit gemacht, statt sie richtig zu würdigen. Aber Hauptsache, die Idee ist klar geworden

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  2. Toll beschrieben..aber: mir selbst wird das jetzt irgendwie zu komliziert. Bin in der warmen Jahreszeit sowieso mehr drauszen und mit anderen Dingen beschäftigt – ich fürchte, die Impulswerkstatt kommt bei mir jetzt eh zu kurz bis nächsten Herbst. Sorry

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  3. Recht komplexe Idee, dank deines Beispiels gut verständlich. Ich bin gespannt, ob es verschiedene Grundmuster an Geschichten geben wird, oder ob sich sogleich das Muster „Erzählperspektive des einen Dings auf das andere“ etablieren wird. Zwar hast du das hier nur angedeutet, aber ich finde, es schimmert deutlich durch das Auktoriale.

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    1. Danke für den sachkundigen Kommentar !Du siehst wie immer genau den Punkt. Der Text ist im zweiten Teil zu kurz und es hätte etwa in der Mitte einen Perspektivenwandel gebraucht, die Schildkröte ist zu dominant. Naja, ich lerne ….

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    1. Die Lampe hat mich fasziniert weil man überhaupt nicht sieht, wie sie an der Wand befestigt ist. In einem Haus voller Künstler und Kunsthandwerker ist ja so einiges möglich 😉

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  4. … also das mit den drei Sätzen hat mich getriggert … :)))

    Gierig war diese Schildkröte, extrem neugierig meine ich, und so liegt es auf der Hand (es ist gewissermaßen einleuchtend), dass sie ihr angestrengtes Suchen, das sie über Kontinente und Meere bis in einen Wiener Künstlerhaushalt getrieben hatte, vor einer Leuchte einhalten ließ, die endlich alles vereinte: seltsam geformt und trotz verschiedener Abweichungen in Form und Umfang dem ersten Knochen, der je ausgegraben wurde, wie auch dem letzten, den man nicht einmal mehr einem Hund vorwerfen würde, ähnelnd hing sie an der Wand.

    Sie leuchtete nicht, vielmehr entwich ihr das Licht wider ihren Willen, trotzdem konnte die Schildkröte erkennen, dass dieses Licht die Farbe ihres Panzers einander glichen, nicht wie ein Ei dem anderen (um die Form ging es ja auch nicht), aber wie ein Schein und ein Widerschein.

    Zufrieden legte sich die Schildkröte der Leuchte zu Füßen, sie war angekommen.

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    1. ps .. zu schnell abgeschickt: der 2. Satz:

      Sie leuchtete nicht, vielmehr entwich ihr das Licht wider ihren Willen, trotzdem konnte die Schildkröte erkennen, dass dieses Licht und die Farbe ihres Panzers einander glichen, nicht wie ein Ei dem anderen (um die Form ging es ja auch nicht), aber wie Schein und Widerschein.

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    2. Juhuu, die sind super! Das ist halt Profitum, liebe Andrea 🙂 🙂 Das Verhältnis zwischen den beiden ist wesentlich ausgewogener und der Vergleich mit dem Knochen ist auch genial. Ich habe mir erlaubt, einen Beitrag daraus zu machen, weil ich die Verlinkerei auf die Kommentarspalten nicht mag. Einen schönen Tag!

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        1. Unter Chat-Rollenspiel kann ich mir so gar nichts vorstellen. Rollenspiel an sich kenne ich, wie man aber die Interaktion auf einen Chat überträgt, ist mir schleierhaft 🙂
          Ich wünsche dir einen guten Arbeitseinstieg!

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    1. Allerdings ist das sehr spannend. Ich bin ja durch deine Duo-Fotos darauf gekommen und bin nun sehr neugierig, welche Texte (oder Bilder?) entstehen werden. Drei sind es immerhin schon am ersten Tag, das sieht sehr gut aus …

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      1. Du hast eine Idee daraus entwickelt, die Worte hervorbringt, das wäre mir bei meinen eigenen Paarungen nicht gelungen. Momentan, muss ich gestehen, ringe ich damit, mich davon zu befreien, dass es einen Zusammenhang geben könnte, denn mein eigenes Bilddenken, das sich zu deiner Schreibidee inspiriert hat, erzählt keine narrativen Zusammenhänge. Das finde ich hochinteressant, aber blockiert mich. Selbst um dfas verbalisieren zu können, musste ich drübner schlafen. Was mich aber auch wieder herausfordert. Ich glaube, ich muss mich selbst überlisten und das Finden möglicher Bilderpaare in ein willkürliches Verfahren einbinden. sonst wird das bei mir nichts.

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        1. Das ist wirklich interessant ! Bei mir ist es so, dass eigenes Malen, Zeichnen, Gestalten nur sehr ungern in Wörtern ausdrücke. Ich mag auch keine Kunstkritik in geschliffenen Sätzen. Aber Bilder, die für mich in ihrer Aussage ganz klar sind, kann ich gut in Worte fassen. Wir sind wohl beide diesbezüglich etwas kompliziert gestrickt !

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  5. Liebe Myriade

    Bin von meiner Reise zurück und erinnere mich gerade, dass ich dir noch eine Antwort bezüglich des Alters meiner Schüler:innen schulde.

    Wenn sie das Wahlfach Bloggen besuchen, dann sind sie in der 3. Sek, dh. der 9. Klasse. Alter 15, 16.

    Gleichzeitig begleite ich als Klassenlehrerin zwei Klassen während drei Jahren (7. – 9. Klasse). Also offiziell bin ich nur von einer Klasse Klassenlehrerin, aber die Parallelklasse hat gleich viele Lektionen bei mir :-). Diese Schüler:innen beginnen bereits in der ersten Sek mit Bloggen, da sind sie in der Regel 12.

    herzlichst Gabriella

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