Als ich Ullis Ankündigung zu diesem Projekt las, gefiel mir die Idee sehr gut. Inzwischen gefällt mir die Idee immer noch sehr gut, aber es ist mir klar geworden, dass mein Alltag nur sehr wenig mit jahreszeitlichem Ablauf zu tun hat und ich mir daher etwas anderes werde einfallen lassen müssen um zu einem Thema zu kommen. Ich habe darüber nachgedacht und festgestellt, dass es mir schwer fällt, aus meinen Tagesabläufen herauszufiltern, was genau Alltag nun ist. Daher werde ich mich einfach hinsetzen und schreiben, was mir gerade Alltägliches einfällt. Dies ist Nummer 1
Betrachtungen über das Wäschewaschen

In dem Haus, in dem ich wohne gibt es im Keller eine Waschküche für alle Hausbewohner, die mit zwei sehr großen Waschmaschinen, einer Schleuder, einem riesigen Trockner und zwei Bügelmaschinen ausgestattet ist. Wir haben dort einen Kalender liegen, in den man sich eintragen kann. Das System funktioniert im Normalfall klaglos. Die Eintragungen im Kalender bieten obendrein Einblicke in das Leben der Bewohner. Wenn jemand einen neuen Kalender zur Verfügung stellt, das geschieht meist im Dezember für das nächste Kalenderjahr, trägt sich zum Beispiel Frau S. für jeden einzelnen Freitag Nachmittag des nächsten Jahres ein und das seit Jahrzehnten. Weder Herrn S. noch Sohn S, der inzwischen über 30 ist, habe ich jemals in der Waschküche oder auf dem Weg dorthin gesichtet. Herr S. ist eher für Informationen rund um das Leben im Haus zuständig. Er weiß schlicht und einfach alles, was sich im und rund um das Haus ereignet, wobei mir völlig schleierhaft ist, wie er das macht. F und ich nennen ihn zwar „Blockwart“, was aber gar nicht böse gemeint ist, weil es eigentlich sehr angenehm ist, wenn jemand immer alle Informationen zur Verfügung hat, nach denen man gerade sucht.
Die Cs waschen meistens am Wochenende, so wie ich auch und daher treffen wir uns immer wieder in der Waschküche. Herr C ist ein Sauberkeitsfanatiker. Während ich mich mit ihm unterhalte – im Normalfall darüber, was viel zu schmutzig ist in diesem Haus – pflegt er die ohnehin sauberen Wäschewagerln zu putzen oder die Tische abzuwischen, manchmal bearbeitet er auch die Außenflächen der Waschmaschinen. Wer mit Herrn C. eine Waschküche teilt, kann sich auf die dort herrschende Hygiene verlassen. Frau C wiederum gehört zu den ungeduldigen Menschen. Wenn ich vor ihr wasche kommt sie nachfragen, ob ich schon fertig bin. Wäscht sie nach mir, kommt sie mehrmals vorbei um mir mitzuteilen, dass sie eh bald fertig ist.
Unsere Waschküche ist recht groß und so haben sich im Laufe der Jahre dort eine Menge Wäscheständer und Kleiderhaken angesammelt, die nach Ausmusterung aus den Wohnungen eine zweite Berufskarriere starten, so dass man bequem in der Waschküche seine Wäsche auch aufhängen kann. Offenbar ist noch nie etwas verschwunden, sonst wüsste Herr S. das und würde alle vor Langfingern warnen.
Das Führen eines gemeinsamen Haushalts beinhaltet auch das Sammeln und Waschen von schmutziger Wäsche. Wenn man jahrelang zusammenlebt, ist das so eine Selbstverständlichkeit, dass man keinen Gedanken daran verschwendet. F und ich sind aber ein noch ziemlich frisches Paar und ich finde, dass eine gemeinsame Wäscheverwaltung durchaus einen intimen Aspekt hat. Wenn sich durchgeschwitzte Wäsche von zwei Menschen in einem Wäschekorb begegnet so ist das nichts, was von romantischen Dichtern besungen wird, aber ein solides Element von alltäglicher Gemeinsamkeit. Schließlich ist in einer Beziehung jenseits der Teenagerjahre ein geglückter Alltag wesentlich herausfordender als geglückte Höhepunkte des Lebens, letztere gelingen ja fast von selbst.
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