Mittwoch 6.Oktober 2021 – ungarisches Geflüster

Der erste Ungarischkurs, mit etwas durchwachsener Bilanz. Die Kursleiterin war eine Vertretung der tatsächlichen Kursleiterin, die wir also erst in der zweiten Stunde kennenlernen werden. Das ist ja nicht so schlimm. Diese Lehrerin war sehr charmant, die Gruppe angenehmerweise auch nur aus fünf Personen bestehend, perfekt.

Bücher wurden verkauft, die sich zunächst niemand angesehen hat, was ein Fehler war. Es wird ein einsprachiges Lehrbuch und eine einsprachige Grammatik verwendet. Man stelle sich vor, ich beherrsche 3,5 Wörter ungarisch und soll nun die hochkomplizierte Grammatik dieser Sprache ausgehend von ungarischen Erklärungen, die ich natürlich nicht verstehe, erlernen. Schon in den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wusste man, dass diese Lernmethode für Erwachsene und ohne sprachliches Umfeld völlig ungeeignet ist.

Ich möchte mich aber ungern als Horrorkursteilnehmerin profilieren nach dem Motto „ich habe jahrzehntelange Erfahrung als Sprachlehrerin und weiß, wie das geht“ und dann womöglich noch mit dem Zusatz „so nämlich nicht“. Ich will auch nicht jedes Mal bedeutungsvoll schauen, wenn irgendwas nicht funktioniert.

Nicht so toll fand ich auch, dass die Kursleiterin zuerst meinte, es wäre didaktisch völlig verkehrt gleich in der ersten Stunde in die nicht ganz einfache Grammatik des Ungarischen einzusteigen, aber zehn Minuten später mit hellen und dunklen Vokalen und dem Plural begann.

Die Lösungsmöglichkeit, zu der ich mich entschlossen habe, ist, großen Aufwand zu treiben. Mindestens ein anderes Lehrbuch und eine Grammatik erwerben, eine Vokabelkartei anlegen, die Arbeitsanweisungen und Erklärungen aus dem einsprachigen Buch durch DeepL jagen. Das wird recht mühsam, aber wahrscheinlich ist es letztlich recht effektiv, weil ich mir alles besser merken werde, wenn ich es abgeschrieben, eingetippselt und übersetzt habe.

Intrinsische Motivation übersteht schlechte Bedingungen, schlechte Lehrer*innen und ungeeignete Bücher.

„Tartalom“ wird wohl Inhaltsverzeichnis heißen

17 Gedanken zu “Mittwoch 6.Oktober 2021 – ungarisches Geflüster

    1. Ja wahrhaftig. Nix erinnert an irgendwas 🙂 Sogar die Verben dürften agglutinierend sein. Ö zB. bedeutet er oder sie. Es ist ein völlig anderes Konstrukt als eine indoeuropäische Sprache. Aber sehr spannend, ich bin ziemlich begeistert !

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      1. Mehr als ausnahmsweise ein einsamer „Einwanderer,“ etwa ein „telefon,“ wird da nicht anzutreffen sein. Aber es wird sicher ein spannendes und längerfristig durchaus lohnendes Projekt. Zumal für dich die geografische Nähe auch Anreize bietet, längerfristig auch wirklich dranzubleiben. So richtig angekommen in einer Sprache fühlt man sich ja, wenn die Buchhandlungen auch von innen interessant werden. 😀
        [Manche finden auch Zeitungen spannend. Aber ich bin da eher skeptisch. Dem potenziellen Zeitungsleser würde ich empfehlen: „Wissen S‘ was, lernen S‘ Russisch und lesen S‘ die Prawda – die ist wenigstens im Titel der Wahrheit verpflichtet.“ 😉 ]

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        1. Ja, ein telefon ist mir schon untergekommen und ein auto und ein paar sonstige vereinzelte befreundete Einwanderer 🙂
          Zeitunglesen (anfangs nur die Überschriften) finde ich zum Lernen recht gut. Man hat eine ungefähre Vorstellung, was da drin steht.

          Wenn zB. eine der Varianten von Újságíró
          Újságírók …
          újságíró …
          Újságírónő …
          Újságírói …
          Újságírója …
          Újságírónk …
          újságírók …
          újságírója …
          Zsurnaliszta …
          újságírói …
          újságírónő …
          vorkommt in Kombination mit Viktor Orbán kann das heißen „Orban hat Journalisten abgeschafft/eingesperrt/hinrichten lassen“ oder vielleicht „Orban findet Journalisten überflüssig/heimtückisch/verlogen“ Vielleicht auch eine interessante Partizipform „Abzuschaffen sind Journalisten“.
          Ich sehe schon ungarische Phantasien sind vielseitig 🙂 🙂

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          1. Ja, so ist das dann freilich eine andere Dimension des Zeitungslesens. Das Ungefähre lässt viel Spielraum für die Vorstellung und die Herausgeber sind fein raus, denn die Leser sind ja weitgehend selber verantwortlich für das, was sie aus den Artikeln herauslesen. 😉

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  1. Für Menschen wie dich ist so ein Kurs sowieso nur Motivation, Gelegenheit zu sprechen und Fragen zu stellen. Den Rest machst du sowieso selber zuhause.
    Womöglich erweist sich die einsprachige Grammatik als kleine Herausforderung gegen zu langsames Lerntempo.
    Was deine Einwände gegen die angekündigte Methode betrifft, kann ich nur zustimmen: Zeitverschwendung, Lernbehinderung, jedenfalls im ersten Lernjahr.

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    1. Genauso wie du es beschreibst, habe ich mir das Prozedere tatsächlich vorgestellt 😉 Vielen Dank für die positive Einschätzung 😉 Ein brauchbares Lehrbuch und eine Grammatik habe ich mir schon gekauft und wahrscheinlich werde ich Ehrgeiz entwickeln …

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  2. Viel Freude beim Lernen! Dein Beitrag hat mich daran erinnert, dass „Tartalom“ auch auf Lebensmittelverpackungen steht, um zu.B. den Fettgehalt anzugeben 🙂 Ich lerne gerade Dänisch per App (das ist natürlich recht einfach im Vergleich…), ich mag Sprachenlernen auch sehr! Liebe Grüße!

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    1. Ah, das ist interessant. Dazu fällt mir ein, dass ich mich gar nicht erinnern kann jemals ein verpacktes ungarisches Produkt in der Hand gehabt zu haben …..
      Dänisch ? auch interessant. Kann man damit auch – zumindest in Ansätzen – norwegisch und schwedisch verstehen ?

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