ABC-Etüde – vom Glücklichsein

Die ABC-Etüden
Wie immer bei Christiane
Drei vorgegebene Wörter sollen in einem höchstens 300 Wörter langen Text untergebracht werden
Die Wörter kommen diesmal von Doroart

Glücklich zu sein war immer Magdas Thema gewesen. Schon in ihren Schulaufsätzen und in ihren Kinder-Tagebüchern gab es kaum andere Themen als das Glücklichwerden. Wie es zu erreichen war, was man dafür brauchte und wie man sich verhalten musste um den richtigen Weg zu finden.
Nachdem ihre Eltern sich getrennt hatten, wurde das Thema „wie werde ich glücklich“ zur Obsession. Sie bearbeitete es nun von einem anderen Zugang aus „was muss ich vermeiden, wenn ich glücklich werden will“. Menschen, die nur ein einziges Thema kennen, sind immer in Gefahr, ihre Umgebung zu langweilen, umso mehr je länger sie ihre gesamte Aufmerksamkeit auf ein einziges Gebiet konzentrieren. So ging es auch Magda.
Wurde sie von den wenigen Menschen, die noch Zeit mit ihr verbringen wollten zu irgendetwas eingeladen, so waren ihre Standardantworten „das wird mich auch nicht glücklich machen“, „macht euch sowas glücklich ?“ und ähnliches. Irgendwann wurde es auch den freundlichsten zu viel und die Einladungen blieben ganz aus. Von sich aus ging Magda nicht auf andere Menschen zu. Sie war bei ihren Glücksforschungen zu dem Schluss gekommen, dass es nicht die anderen waren, die sie glücklich machen würden. Sie selbst musste diesen Zustand erreichen. Leider blieben die Erfolge immer noch aus.
Magda war seit einigen Jahren freie Mitarbeiterin bei einer Firma die glücklich machende Kosmetik- und Wellnessprodukte verkaufte. Da Menschen sie nicht interessierten, war sie in dieser Tätigkeit ziemlich erfolglos. Seit sie aber zu dem Schluss gekommen war, dass materielle Dinge sie auch nicht glücklich machen würden, kümmerte sie das nicht weiter.

Eines Tages als Magda – wie immer einmal völlig in Gedanken versunken – eine Straße überqueren wollte, wurde sie von einem LKW erfasst. Wegen zahlloser Verletzungen lag sie wochenlang im Koma doch zum Erstaunen der Ärzte erholte sie sich und wachte wieder auf. Von diesem Moment an machte sie große Fortschritte.
Heute wurde ihr der Katheter entfernt, der lange in ihrem Körper gewesen war und sie würde nunmehr eine Bettpfanne benützen können. Und das Erstaunliche geschah: Magda fühlte sich glücklich.

33 Gedanken zu “ABC-Etüde – vom Glücklichsein

  1. Ein kleiner Fehler hat sich eingeschlichen: im letzten Absatz heißt Magda plötzlich Martha …
    Ansonsten stimme ich zu, es kann nicht pausenlos ums Glücklichsein oder -werden gehen. Blöd nur, wenn man, um sich überhaupt glücklich zu fühlen, erst einen UNfall braucht.
    Herzlichst, Ulli

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  2. Ich dachte:nicht nur ihr Gllckksempfinden, auch ihre Persönlichkeit samt Namen hat sich durch den Unfall geändert. Im übrigen halte ich es mit Brecht:
    „Ja, renn nur nach dem Glück
    Doch renne nicht zu sehr
    Denn alle rennen nach dem Glück
    Das Glück rennt hinterher.“

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  3. Bei dir hatte ich gedacht, dass du eine andere Pfanne wählst, wenn du schon eine suchst, die es noch nicht gab 😉 (wobei ich mich gerade frage, ob ICH mich irre). Ich halte es mit Gerda.
    Ansonsten ist „Glück“ ein Markt geworden, was ich schon immer völlig widersinnig fand. 😁
    Mittagskaffeegrüße, was sonst? 😁🌞☕🥖🧀👍

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  4. Hi hi, als jemand, die die Glücksforschung durchaus fasziniert, (und die ansonsten momentan hauptsächlich EIN bestimmtes Thema kennt – und manchmal Gefahr läuft, ihre Umgebung damit zu langweilen…;-)) hat mich deine Geschichte natürlich besonders angesprochen… :-).

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  5. Die Sache mit dem Glück wird vielen schon von Kindesbeinen an vollkommen fehlgeleitet beigebracht, mit vielem wie Erarbeiten, Sichverdienen und Richtigmachen. und so scheint es scheint mir wie Ironie und Logik zugleich, dass Magda, die Chance endlich ungestört ergreifen kann, als ihr das Leben ein zweites Mal geschenkt wurde.

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  6. Das Thema „Glück“ hast du hier ziemlich umfassend beschrieben, scheint mir. Es kommt, wenn wir grad gar nicht dran denken, und allzu oft merken wir, dass es da war, wenn es schon wieder weg ist.
    Nicht viele Menschen haben Talent zum Glück. Aber vielleicht wird es auch überschätzt? Die Glücksbranche verdirbt uns mit ihren überdrehten Vorstellungen jedenfalls die Fähigkeit dazu.

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