Den heutigen Vorschlag von Jutta Reichelt, ebenso inspirierend wie bisher alle ihre Anregungen, wollte ich gleich ausprobieren. Es geht darum kleine Texte in irgendeiner Art miteinander zu verbinden. Ich habe den Vorschlag mit einer ABC-Etüde verbunden. Es ist also quasi alles mit allem verbunden. Mein verbindendes Element war die Forsythie, die ich ursprünglich als zu verwendendes Wort kreativitätsvernichtend gefunden habe. Aber, die Zeiten ändern sich, gewissermaßen …
AC-Etüden bei Christiane
Diesmal mit 5 Begriffen, die in 500 Wörtern untergebracht werden
Der Hund grub mit vollem Elan neben der Forsythie, dann ließ er sich mit einem Plumps auf dem ausgehobenen Hügel nieder und blickte herausfordernd um sich. Ha, sollte die blöde gestreifte Katze mit ihrer lächerlichen Schwanzkringlerei nur kommen, er war bereit und gerüstet, absolut Herr der Situation. Heute konnte sie ihre Krallen woanders schärfen als in seinem Gesicht. Heimtückische Wesen diese Felinen. Zuerst zuckten sie freundlich mit dem Schwanz, was jeder Hund als Begrüßung interpretierte. Kam man aber näher um sie etwas zu beschnüffeln, fuhren sie in aberwitziger Geschwindigkeit die Krallen aus und schlugen auf den wehrlosen Hund ein.
Am späten Nachmittag rückte ein Filmteam rund um die Forsythie an. Die Darsteller, ein junges Paar brachten sich auf einer schmiedeeisernen Gartenbank in Position. Sie trug ein Kleid mit Krinoline und ein Spitzenhäubchen, er enganliegende Pantalons und ein Sakko in himbeerrot und einer sehr großen Schleife um den Hals. „Nächstes Mal muss ich dann als Marienkäfer auftreten“ murmelte der Schauspieler grimmig. Das Team wartete auf den Sonnenuntergang und der Regisseur nutzte die Gelegenheit den beiden ihren Text nochmals vorzusagen. Du sagst „ach, Herr Adalbert, es ist heute so warm hier“ und du sagst „Ach Fräulein Hildegund, an meiner Seite sollen sie niemals erfrieren“
Hinter der Forsythie begann das Nachbargrundstück. Mitten auf der verwahrlosten Wiese war ein Hügel aufgeschüttet worden. Darunter befand sich der vollständig ausgestattete Bunker von Herrn Helmer. Eine Zeit lang ging es sehr laut und geschäftig zu, die Wagen vieler unterschiedlicher Firmen standen vor dem Haus. Dann wurde es ruhig. Der Bunker war perfekt ausgestattet. Es fehlte weder an Lebensmitteln noch an Filteranlagen für Luft und Wasser. Die Betten waren bezogen, die Antennen ausgefahren, das Kurbelradio und die Wiederaufbereitungsanlagen betriebsbereit. Viele Tage verbrachte Herr Helmer in seinem Bunker, den er immer wohnlicher ausgestaltete. Nur manchmal fehlte ein wenig Farbe. Heute hatte er sich einen Forythienzweig abgeschnitten.
Der junge Mann kam gerade an der Forsythie vorbei als ihm einfiel, dass er vergessen hatte für den morgigen Geburtstag seiner netten, immer hilfsbereiten Nachbarin einen Strauß zu besorgen. Er blieb abrupt stehen und dachte nach. Konnte er … Wäre es sehr unverschämt … Sollte er tatsächlich… Der Garten der Nachbarin war riesig, sie hatte ganz bestimmt keinen Überblick über alle ihre Pflanzen. Ein Forsythienzweig, ein besonders schön verzweigter, zwei Birnenblütenzweige, vielleicht fand er auch noch Palmkätzchen. Im Teil des Gartens, vor dem er stand, hielt sich nie jemand auf. Mit einem Sprung war er über der Mauer. (98)
Eine Biene flog über die Forsythie. Ein angewiderter Blick aus Facettenaugen traf den blühenden Strauch. Gelb – eine furchtbare Farbe. Manche Bienen hatten ja überhaupt keinen Kunstverstand und von Farben verstanden sie auch nichts. Schlimm genug wenn man mit einem wuselnden Volk voller Banausinnen leben musste, besonders im Frühling. Sie liebte die warmen Töne, rot, rosa, manche blaue Blüten mochte sie auch. Aber gelb ! Selbstverständlich suchte sie die Blüten, die sie besuchte nach rein künstlerischen Kriterien aus, nach ihren Proportionen, dem Schwung der Blütenblätter, den farblichen Harmonien. Das Leben war schön.
497 Wörter
Hey! Sehr kunstvoll! Und das alles noch für die Etüden, das gibt Extrapunkte für die B-Note.
Ja, gefällt mir auch, Juttas Idee. Das könnte man für die Etüden – ist gut, ich hör schon auf.
Gut gemacht mit den Forsythien als verbindendes Element. Wirkt sehr rund.
Liebe Grüße
Christiane 😁🌼👍
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Dabei kann ich Forsythien wirklich nicht leiden. Aber für die B-Note tue ich natürlich fast alles 😉 🙂
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Gut dass die Biene sich nicht auf die Forsythie niederließ. 😉
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Ha, endlich mal Eine, der es so geht wie mir, ich mag sie nämlich auch nicht. Aber deine verbindende Etüde dagegen sehr.
Liebe Grüße
Ulli
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Danke ! Mir gefällt die Idee sehr gut
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@Ulli: Ich auch nicht! Nie!
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🙂 🙂 🙂
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Ich mag sie fest so wenig wie Thujen 🙂
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Thujen sind doof und nicht mal schön gelb 🙂
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😇
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Deine Geschichten haben Witz und Schwung, ich bin begeistert. Ich glaube, diese Jutta-Anregungen haben bei dir eine Schleuse geöffnet. Her gefällt mir sehr, wie du mit dem Standort auch die Perspektive vollkommen veränderst und sehr verschiedene Szenarien entwickelst. Und alles rund um eine Forsythie!
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Vielen Dank ! Ja, Juttas Vorschläge finde ich sehr anregend. Ich habe allerdings auch viel Zeit und wenig Druck und das lässt das Scheiben fließen…
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Hat alles, was man so im Leben mal erleben möchte: endlich wehrt sich der Hund mal; Filmaufnahmen ganz in der Nähe und ich bin dabei; Frage, ob der in seinem Bunker auch Kinder gefangen hält; So sind die Männer: klauen nur die Blumen, die sie uns schenken; einzige Ausnahme: die widerwillige Biene.
Tolle Kombination! Und ein Strauß Vergimmeinnicht!
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Danke für die Blumen ! Es bleibt die Frage offen wieso „die Blumen, die sie UNS schenken“. Hast du etwa die Ufer gewechselt 😉
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Also, erstens sollte es Vergissmeinnicht heissen und zweitens habe ich das UNS nur als Zitat gesehen und drittens bin ich noch nie in Wechsel-Laune gekommen und viertens liebe ich Deine Etüden. Gruß nach Austria.
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Ohhh, viertens gefällt mir ganz besonders gut. Da schicke ich einen virtuellen Magnolienzweig, weil die realen womöglich heue Nacht alle erfrieren …
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Ich freue mich auch (wie Gerda) sehr an deinem Schwung und Perspektivenreichtum. Und wirklich lustig, dass das sogar mit einer ungeliebten Forsythie geht 😉
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Wunderschön verbunden, bzw. drei Geschichten um eine einzige Forsytie erfunden! Und das alles so locker und leicht. Mit Charme geschrieben, liebe Myriade
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Schöne Geschichten.
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Die unterschiedlichen Blickwinkel sind wirklich super, Sehr leicht zu lesen udn sehr erheiternd. Ich hatte ja Mitleid mit dem Hund. Ist schon doof, wenn man einfach eine andere Sprache spricht und das nichtmal weiß. 😉
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Ich sag´s ja immer Fremdsprachen lernen ist wichtig 🙂
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