„Bleisund“ – ABC-Etüden

AC-Etüden bei Christiane  

Diesmal mit 5 Begriffen, die in 500 Wörtern untergebracht werden

Ganz glücklich bin ich mit dem Text nicht. Die Idee gefällt mir, aber er hätte noch ein paar hunderte Wörter mehr gebraucht und ist so zu  gerafft.

Ich bin Historikerin, Fachgebiet „Geschichte der Barbaren“, also zwanzigstes, einundzwanzigstes Jahrhundert wie wir die Epoche heimlich nennen. Sie werden sagen, dass das keine besonders interessante Zeit ist, aber ich halte Ihnen entgegen, dass das nur die offizielle Haltung des Regimes ist.  Darf ich Sie an den Mythos „Europäische Union“ erinnern, der zwar von der Weltregierung in Beijing für lächerlich erklärt wird, über den aber doch immer wieder Hinweise auftauchenIch bin unterwegs zum Institut für Geschichte, zu Fuß. Es ist nicht verboten historisch zu forschen, aber die Anzahl der Minuspunkte auf dem Bürgerkonto ist allein aufgrund dieser Berufswahl immer sehr hoch. Fliegen oder die Benützung irgendeines anderen Verkehrsmittels ist mir praktisch nie möglich. Nach zwei Stunden Weg nähere ich mich jetzt der Universität. Der Sonnenuntergang hinter dem Gebäude der Historiker ist an Symbolik kaum zu überbieten.

„Bleisund“ begrüßt mich mein Kollege Gün-Ter, der sich gerade auf den Heimweg macht, mit der Flugbahn natürlich und in einem Schutzanzug der neuesten Generation. So heiß kann es nicht sein, dass es da drinnen nicht genau die individuelle Wohlfühltemperatur hat, nicht zu warm nicht zu kalt.

„Bleise“ antworte ich höflich. Gün-Ter ist der politische Hauptspitzel an unserem Institut. Er gibt vor, über die  Trumpbol Sonaro-Renaissance zu forschen, mit der angeblich der Klimabetrug der Europäischen Union ein Ende fand. Nachdem man aber offiziell die Europäische Union in den Bereich der Mythen verbannt hat, kompliziert das seinen Stand am Institut etwas. Natürlich frieren alle Gesichter ein, wenn Gün-Ter die neuesten Forschungsergebnisse erfahren möchte und es gelingt uns ganz gut ihn auszuschalten. Vielleicht fährt die Regierung aber auch eine Doppelstrategie und wir stehen alle mit einem Bein in einem Straflager.Vorläufig forschen wir aber noch und ich bin mit Kollegen von der linguistischen Abteilung verabredet. Sie haben mir auf komplizierten Wegen von einem Durchbruch erzählt, den sie in der Forschung über die Sprache des einundzwanzigsten Jahrhunderts erzielt haben wollen. Eine Entdeckung, die die illegale These stützt, dass es bevor der Held Trumpbol aus der Familie der Sonaro die chinesische kommunistische Partei angefleht hat, die Weltherrschaft zu übernehmen nicht nur ein Staatengebilde mit dem Namen Europäische Union sondern auch ein anderes mit dem Namen Vereinigte Staaten von Amerika gegeben haben soll. Die offizielle Geschichtsschreibung bezeichnet alle Gebiete außerhalb des chinesischen Kernlandes als ursprünglich wirtschaftlich und kulturell barbarisch. Wir vermuten aber, dass sie dies keineswegs waren, sondern dass ihre Staatsformen mit dem Chinesischen Kommunismus nicht vereinbar waren. Darüber warum sie so vollständig zusammengebrochen sind, gibt es eine offizielle Version und einen Mythos. Die Kollegen behaupten nun starke Hinweise zur Stützung dieses Mythos  gefunden zu haben.Gebannt höre ich der Kollegin zu, die darüber referiert, wie sie den zufälligen Fund eines uralten Archivs vor der Uni-Verwaltung und vor Gün-Ter geheimhalten und was für ungeheuerliche Fakten sie dort entdecken konnten. Über Bürgerrechte und Meinungsfreiheit, über regionale Regierungen und nicht staatlich gelenkte Kultur. Und über eine Pandemie, die alles vernichtete.

Und gegrüßt haben sie damals mit „Bleib gesund“, wir sagen heute noch „Bleisund“ und sie sagten „Bleiben Sie zuhause“, daraus ist „Bleise“ geworden.  

 

33 Gedanken zu “„Bleisund“ – ABC-Etüden

  1. YES! Wie oft haben sich Historiker schon gewundert, dass versunkene Zeiten gar nicht sooo barbarisch waren. ZB die minoisch.kykladische Kultur vor dem großen Tzounami. Was die alles SCHON oder NOCH kannten, hatten, taten.
    Das „chinesische Modell“ ist auch für mich eine echte Menschheitsbedrohung, denn schon jetzt werden Menschenrechte und Bürgerliche Freiheiten gegen Lebenserhaltung ausgespielt (auch in Deutschland). Nach dem Modell Entweder – Oder. Das sind böse Gedankenspiele der Herrschenden und Kontrollfreaks, denen die Freiheit des Einzelnen ein alter Lumpen ist.

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    1. Ideal wäre eine Balance zwischen den Interessen von Gesundheit, Wirtschaft und Bürgerrechten. Nur welche Über-Politiker könnten diese Balance herstellen?
      Ich mag auch dieses starre Entweder-Oder nicht. Klar ist es positiv, wenn man diue Ansteckungskurve verlangsamt, nur um den Preis des wirtschaftlichen Ruins Tausender und obendrein noch mit der Gefahr des Einschleichens von Big-Data …

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      1. So ist es. Ich halte mich ja auch an die Vorschriften, will keine Extrawurst für mich. Mein Problem ist eher, dass unsere Pollitiker geradezu gezwwungeen sind, den „sicheren Weg“ von immer mehr Einschränkungen und Subventioneen zu gehen, weil sie sonst in die Bredouille kommen. Wer will schon verantworten, wenn die Gesundheitssituation außer Kontrolle gerät? Aber was ist, wenn die Finanzsituation außer Kontrolle gerät? Dann würde auch die Krankenversorgung zusammenbrechen. Bedenklich stimmt mich der Selbstmord des hessischen Finanzministers und die Rede, die der MP von Hessen hielt. Er sah richtig verstört aus und meinte, der Finanzminister hätte den Druck nicht mehr ausgehalten, der auf ihm lastete. Wenn das der wahre Grund ist, dann ist es wirklich übel. .

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        1. Ich beneide die Politiker wahrhaftig nicht. Positiv finde ich, dass man von so manchen Großmäulern gar nichts mehr hört, weil sie immerhin erkannt haben, dass sie sich in so schwierigen Zeiten nur blamieren können .
          Was ich am beunruhigsten finde, ist, dass die ohnehin vorhandenen Gräben durch die Gesellschaft noch mehr aufgerissen werden, die Interessen verschiedener Gruppen sind kaum unter einen Hut zu bringen und wenn sich Verzweiflung breit machen sollte, wird das schlimm. Alt gegen jung, reich gegen arm, jede/r gegen jede/r …
          Von diesem Selbstmord wusste ich nichts, da muss ich mich morgen schlau machen. Vielleicht gab es dafür auch ganz andere Gründe oder weiß man Genaueres ?

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          1. es gab die Rede von Bouffier, und es gab auch ein Abschiedsschreiben, das kurzzeitig in der FAZ veröffentlicht, dann aber wieder zurückgezogen wurde – in rücksicht auf die Ermittlngen und die Familie. Mehr weiß ich auch nicht.

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    1. Ein herzliches Bleisund, liebe Christiane ! 😉 Nein, weiterschreiben mag ich nicht, aber vielleicht eine zweite mit einem möglichst ganz anderen Thema . Gibt es überhaupt noch andere Themen ?!

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  2. Puh! Das klingt nach sehr schweren Zeiten und einer drohenden Faust, die uns alle in Schach halten könnte. Wie immer in schweren Zeiten wird der Ruf nach einer starken Hand sicher bei uns auch noch größer werden. Das ist m.E. ziemlich fest in uns verankert und die Geschichte zeigt ja, wie oft sich das schon wiederholt hat, und wie oft die Menschheit damit an die Wand gefahren ist. Ja, die Bewährung für unsere Demokratie steht noch aus!

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    1. Ich hoffe doch sehr, dass es so nicht kommen wird ! Die Corona- Entwicklung schaut ja ganz gut aus und das ist wohl die Grundvoraussetzung für alles andere …. Mögen uns die starken Männer erspart bleiben

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  3. Ich liebe deine Etüden und diese hier ist eine sehr passende Fiktion. Auch wenn sie mir ein bisschen aufs Gemüt schlägt. Denn, denkbar ist so vieles.
    Nun aber Bleisund. (Genial!) und Bleise (ich auch!)
    liebe Grüße
    Ulli

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    1. Es freut mich sehr, dass sie dir gefällt ❤ Ich sitze ja recht gemütlich zuhause und habe viel Zeit.
      Eigentlich halte ich so eine Entwicklung nicht für wahrscheinlich. wenn man die große Politik so betrachtet, kann man wohl den Eindruck gewinnen, dass China gerne die USA als Supermacht ablösen würde, so einfach geht das aber auch wieder nicht.
      Bleisund und möglichst gelassen. ganz liebe Grüße

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  4. Liebe Myriade,
    stimmt, aus dieser Idee ließe sich ein ganzer Roman machen absolut großartig, auch in der Etüden-Kurzform!
    liebe Grüße
    Lea, die Dir das eigentlich schon vor ein paar Tagen schreiben wollte

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  5. Die späten Entdeckungen sind häufig die interessantesten … 😉
    Das Auftreten einer neuen Supermacht praktisch über Nacht (in historischen Dimensionen gedacht) scheint auch jenen nicht aufzufallen, welche ihren Schrott in Fernost produzieren lassen – weil es da halt so günstig ist – da liefern wir doch gerne das nötige Knowhow gratis mit, die Chinesen halten sich bekanntermaßen doch peinlich genau an Patente usw … Wirtschaftsspionage per hacking ? Niemals.
    Mir fällt dazu ein Leitspruch kommunistischer Propaganda ein: „Die Kapitalisten werden uns die Stricke verkaufen, an denen wir sie aufknüpfen werden“.
    Gut gebrüllt, Löwin … 😉
    Du mußtest offenbar eine Menge wegkürzen, das könnte ich mir gut vorstellen nach dem Schreibstil; als gepfercht finde ich den Text trotzdem nicht, er fühlt sich -für mich- noch immer recht aufgelockert an – und die Spannung in der Geschichte wird vordergründig wohl nicht durch Worte erzeugt, sondern durch die Fiktion … 😉
    Nicht, daß ich nicht ebenfalls fände, daß dir geniale Kreationen gelungen sind – sehr erbauliche sogar 😉

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    1. Vielen Dank für das konstruktive Feedback. So etwas schätze ich sehr !

      Deine Stricke erinnern mich an ein französisches Zitat, mir fällt nur nicht ein, von wem es ist, dass sinngemäß sagt, man müsse den letzten König mit den Därmen des letzten Priesters erwürgen

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            1. Gut, gut, ich habe also auch nachgeschaut:
              Der Satz stammt ursprünglich von einer sehr interessanten Persönlichkeit, einem gewissen Jean Meslier, dem Pfarrer von d’Étrépigny (verstorben 1729) , der heimlich das erste atheistische Manifest Frankreichs schrieb. (Muss man sich vorstellen: ein Pfarrer, der ganz normal seinen religiösen Geschäften nachging und aber im stillen Kämmerchen atheistisches Gedankengut niederschrieb ! Ein Zeitgenosse von ihm, der ähnliche Gedanken hegte, wurde als Ketzer verbrannt) Diese Schriften wurden klandestin verbreitet und Voltaire war der bekannteste, der die Gedanken des atheistischen Pfarrers publik machte, allerdings in einer etwas abgeschwächten Form, die ihre Veröffentlichung leichter ermöglichte.
              maskenfreie Grüße 🙂

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