Die ABC-Etüden
Wie immer bei Christiane
Die drei vorgegebenen Wörter in einen Text von maximal 300 Wörtern verpackt.
Wer nicht sexuell ausgehungert war, würde das Spektakel im besten Fall kurios finden, eher wohl abstoßend oder auch lächerlich.
Das Seil, über das sie balancierte war nur gerade 10 cm über dem Boden gespannt. Das Publikum hätte es gar nicht gemocht, wenn sie nicht immer wieder heruntergefallen wäre, denn das Balancieren diente nur dem Zweck ihren Körper in Bewegung zu bringen und ihre Kleidung zu verschieben. Auch die Zuschauer waren vermummt, unkenntlich. Die Stimmlage ihres Johlens und Grölens wies sie aber als Männer aus. Irgendwo brannte immer ein Feuer, das die Szene beleuchtete. Irgendwo gab es immer einen improvisierten Unterschlupf für danach, wenn jemand ihren sich windenden und immer wieder fallenden Körper nicht nur sehen wollte.
Ihre Bewegungen waren automatisiert, an viele Abende konnte sie sich nicht einmal erinnern, ihre Gedanken ganz woanders. In der Zukunft, bei dem wunderbaren Leben, das sie mit Benedikt führen würde. Benedikt, der für sie alles so umsichtig organisierte, der sie so gut verstand, sie selbst samt ihren Träumen für eine ganz andere Zukunft. Sie wusste nicht genau, wie viel Geld sie schon verdient hatten. „Bald reicht es“ sagte Benedikt oft. „Bald gehen wir hier weg“.
Der Zuhälter, der sich derzeit Benedikt nannte, stand sehr zufrieden am Rande des Geschehens. Viele waren heute gekommen, der Bau der Hütte würde nicht vergebens gewesen sein. Sehr viel Geld war durch diese Frau schon geflossen und langsam wurde es zu gefährlich. Bald würde er wieder Ort, Frau und Identität wechseln.
Die Vorführung hatte lange genug gedauert, der Zuhälter sprang hinter die Frau und schob ihre Gesichtsverhüllung weg. „Seht die Katzenaugen“ rief er und das plötzliche Licht ließ die Pupillen ihrer grünen Augen ganz klein werden. Ein Luftholen der Zuschauer, fast sah man sie geifern. Benedikt verbeugte sich. Sie sah ihn verliebt an. Der Abend war noch nicht zu ende.
Genau 300 Wörter
Puh – heftig und leider sehr realistisch! Und äußerst gut geschrieben!
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Vielen Dank! Was einem halt so aus der Tastatur fließt 🙂
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Liebe Myriade,
Selbst wenn der Text wie gewohnt sehr gut geschrieben ist, kann ich kein gefällt mir geben. Nicht bei dem Inhalt, der nicht gefallen kann. Und wir mögen das Wort Missbrauch ja gar nicht. Gibt’s denn einen „Gebrauch“ von Menschen? Ich finde, dass diese gängige Bezeichnung schon selbst ein Teil der Gewalt ist, die durch ihn beschrieben wird. Es werden Frauen (mehrheitlich) dadurch zu Objekten gemacht. Ebenso wie mit der ausgeübten Gewalt. Wir fragen uns oft, wie ein solcher Terminus es sogar bis ins Gesetzbuch schaffen konnte. Es sagt viel über unsere Gesellschaft aus und den Umgang mit sexualisierter Gewalt an mehrheitlich Frauen und Kindern.
Danke aber für die Auseinandersetzung mit diesem Thema und dass du es mit dem Beitrag auf deinem Blog vielleicht auch Leuten näher bringst, die Blogs wie meinen nie lesen würden.
Alles Liebe
„Benita“
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Liebe Benita ! Ich habe beim Schreiben eh an dich gedacht, weil ich deine Abneigung gegen das Wort ja vollkommen verstehe, mir ist nur noch kein annähernd passendes Synonym untergekommen. Manchmal bietet die Sprache einfach nichts an. Ich könnte das Texterl auch zB „Verliebt in den Feind“ nennen oder etwas in die Richtung, aber da kommt mir der Titel schon länger vor als der Text und in die Kitschecke soll es ja auch nicht gehen …..
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Liebe Myriade,
Die Kritik an dem Wort ging nur bedingt an dich, weil wir es eben schon sehr schlimm finden, dass dieses Wort so klar im Bewusstsein verknüpft ist mit sexualisierter Gewalt. Dass eben alle wissen, worum es geht und das mit einer fragwürdigen Bezeichnung. Darum sind wir auch sicher sehr nachdrücklich es immer wieder zu kritisieren im Netz. Denn es kann jemand deinen Text lesen, ohne Erklärung und dann will ich gesagt haben: „Ich finde es nicht gut!“ Ist also auch nicht passend, bloß haben es alle akzeptiert, außer die meisten Betroffenen!
Im Grunde ist deine Erzählung mehr eine Loverboy-Geschichte, die eben mit psychischer Gewalt (zunächst) arbeiten. Körperliche Gewalt kommt meist später dazu. Wenn eine nicht mehr mitmachen will.
Herzlich
„Benita“
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Ich hatte auch gar nicht so sehr an körperliche Gewalt gedacht sondern an das Ausnützen ihrer Gefühle für seine Zwecke, somit ist es wohl eine Loverboy-Geschichte
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Iiih. Möchte ich wissen, was mit dem Mädel passiert, wenn er weiterzieht? Möchte ich nicht. Deprimierende Vorstellung und bestimmt realistisch 😦 Es ist so ein Verbrechen, was so oft mit Frauen geschieht.
Liebe Grüße
Christiane
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Ich habe bewusst versucht, den Ort und die Zeit undefiniert zu lassen, weil es diese Art von Beziehungen, wohl immer und überall gibt und gegeben hat
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oh, oh, was für ein Text… und heute abend erst habe ich eine Diskussion zu diesem Thema gesehen…
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Da gibt es viel zu sagen und zu tun ….
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JA!
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