Die ABC-Etüden bei Christiane
Es soll ein Text entstehen mit einer Länge von maximal 300 Wörtern, in dem die 3 vorgegebenen Wörter vorkommen.
Die Art des Textes kann frei gewählt werden.
Sie sah ihn schon von weitem kommen, er trat auf exakt die gleichen Pflastersteine wie jeden Tag, im bankgrauen Nadelstreif, dem schuldigweißen Hemd und der vor Selbstzweifeln schluchzenden gestreiften Krawatte. Sie wartete bis er sie sehen konnte. Jetzt war der richtige Moment. Zeremoniell hob sie die große, schwarze Salatschüssel hoch und ließ sie dann ganz langsam und bewusst los. Genug. Es.reicht! Das schwarze Ding stand für die letzten fünfzehn Jahre. Die Schüssel fiel vor ihren Augen, in Zeitlupe, auf den Steinboden und zerbrach langsam und endgültig in Dutzende von verschieden geformten Scherben. Von jeder einzelnen Scherbe, die am Boden ankam, verdampfte das Schwarz in einem kleinen Wölkchen, das hochschoss und verschwand. Zurück blieben spitze Scherben, runde Scherben, raue und seidige Scherben, die plötzlich in den verschiedensten Farbschattierungen und Oberflächenstrukturen leuchteten.
Das wellige Blau des Meeres in dem er ihr immer den Tauchkurs vermiest hatte, das bewegte Orange der Faschingsumzüge, zu denen die Kinder nie gehen durften, das sanfte rot-beige der Katze, die ihm niemals ins Haus kommen würde, das wehende Grün des Gartens, den er niemals betrat, die samtigen roten Theatersitze, die sie ewig nicht mehr gesehen hatte und das diamantene Leuchten lebendiger Liebe.
Er kam heran, blieb sprachlos stehen. Die Scherbe mit den scharfen Kanten und dem eintönigen einheitsgrauen Muster sprang seine Hosenbeine hoch. Sie stand für sein ewiges Gejammer, seine Feigheit und bedingunslose Konformität, dafür was für ein gleichgültiger Partner und Vater er war. Die Zeiten der schwarzen Salatschüssel waren endgültig vorbei, ihre zersprungenen Teile, bunt und vielfältig ließen sich zu Verschiedenem zusammensetzen und auch wieder auseinander nehmen. Bunt, lustig, traurig und intensiv sollte das Leben werden in dem sie nun wieder selbst die Verantwortung und das Ruder übernehmen würde.
Große, graue Wölkchen im Nadelstreifdesign stiegen in die Höhe, er verdampfte.
3. Februar 2019 um 20:05
Hach, wie gut – endlich verdampfte er, der Miesepeter und Allesvermieser, der schockgefrostete Oberschlau!
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4. Februar 2019 um 00:06
Ach, schade, dass ich deine schönen Beschreibungen nicht noch einbauen kann 🙂
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3. Februar 2019 um 19:26
wow klasse! Ich stell mir seinen Gesichtsausdrucl vor…. Toll geschrieben Myriade!
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4. Februar 2019 um 00:04
hehe, es wird ihm wohl nicht gefallen haben … 🙂
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3. Februar 2019 um 16:52
Vor-F-Myriade-Aktivitäten?
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3. Februar 2019 um 16:53
Nicht autobiografisch 🙂 🙂
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Pingback: Schreibeinladung für die Textwochen 06.07.19 | Wortspende von Petra Schuseil | Irgendwas ist immer
3. Februar 2019 um 00:34
Scherben bringen Glück?
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3. Februar 2019 um 12:03
In dem Fall unbedingt 🙂
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2. Februar 2019 um 19:08
Genau wie Ulli. Meine ersten Gedanken. Und oh, schön bunt. Großartig.
Liebe Grüße
Christiane
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2. Februar 2019 um 19:11
Danke schön. Manche Leute sähe ich gerne verdampfen 🙂 🙂
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2. Februar 2019 um 18:57
Ganz großes Kino, liebe Myriade 🙂
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2. Februar 2019 um 19:10
Zeitlupe 🙂 🙂
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2. Februar 2019 um 19:17
Der Fall der Schüssel auf alle Fälle, verdampfen ging schneller –
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