Dienstag 27.11.18

Ein Tag, der klar in zwei Teile zerfiel, mit einem Mittelstück und einem Epilog zuhause.

Der erste Teil des Tages war meinem derzeitigen Thema Nummer eins gewidmet: ich war für die OP-Freigabe im Krankenhaus. Alles beginnt extrem früh in einem österreichischen Krankenhaus. Das sind noch die Reste der militärischen Disziplin aus der Zeit Maria-Theresias. Militärische Disziplin für Militärs, aber warum man als PatientIn den Tag so früh beginnen muss, werde ich nie verstehen.  Zumindest ist hier alles wirklich gut organisiert. Die zu Operierenden werden durch fünf Etappen geschleust: Anmeldung, Röntgen, Chirurgie, Anästhesie und Abmeldung und dann hat man einen genauen Termin und einen Berg Informationszettel zu jedem denkbaren Detail.

Unangenehm fand ich nur den Chirurgen, einen extrem ernsten Mann, der offenbar Statistiken sämtlicher möglicher Fehler und Gefahren rund um eine OP im Kopf hatte und großzügig mit diesbezüglichen Informationen um sich warf. Wollte ich wissen bei wie vielen Menschen es nach Hüft-OPs zu Muskelverkürzungen kommt ? Oder habe ich ihn etwa danach gefragt, ob beim Fräsen ein Oberschenkelknochen zerspringen kann? Habe ich irgendein Interesse für die Frage gezeigt, ob durch eine Gelenksprothese ein Bein länger werden kann als das andere? Von all diesen Möglichkeiten hatte ich keine Ahnung und lieber wäre es mir, wenn ich sie immer noch nicht hätte. Eine gute Gelegenheit um über erzwungene Aufklärung nachzudenken.

Der spätere Nachmittag war meiner Lieblingsschmuckproduzentin gewidmet. Das Kaffeehaus war voller verschiedenster Menschen, die Steine funkelten, die Ketten schlängelten sich über den Tisch. Wir tranken echte Zitronenlimonade und verzichteten ganz standhaft auf die Torten, die in einer Vitrine standen. Am Nebentisch wurde tarockiert. Mein Großvater saß auch gerne im Wirtshaus zum Tarockieren, nur erlaubte meine Großmutter das eigentlich nicht und so ging er immer sehr lange mit seiner kleinen Enkelin spazieren und besagte Enkelin kam zu allen Wetterlagen viel an die frische Luft und lernte obendrein ein nahe gelegenes Wirtshaus recht gut kennen. Bis heute weiß ich nicht, wie es meinem Großvater gelungen ist, mich davon abzuhalten der Großmutter von den Kartenrunden zu erzählen. Ich kann mich nicht erinnern, dass das jemals als Geheimnis behandelt wurde. Trotzdem hat meine Großmutter nie erfahren, dass ihre Enkelin schon als Kleinkind auf den lasterhaften Wegen des Kartenspiels unterwegs war. Rückblickend denke ich, dass das wahrscheinlich daran lag, dass wir nach der Tarockrunde immer noch wirklich lange spazieren gingen und die Eindrücke vom Spaziergang frischer und daher erzählenswerter für mich waren.

In dem Kaffeehaus, in dem wir heute Nachmittag saßen, gibt es zwischen dem Nichtraucher- und dem Raucherbereich eine automatische Schiebetür. Die Toiletten liegen im Raucherbereich und möchte man dorthin, so riskiert man zunächst eine Rauchgasvergiftung, derartig verraucht ist es dort und obendrein muss man durch diese Schiebetür. Hinein kommt man leicht, egal wie man den Weg anlegt, die Schiebetür geht pflichtschuldig auf. Aber hinaus! Ich vergesse diese schikanöse Tür immer von einem Mal aufs andere: will man den Raucherbereich verlassen, geht sie nicht auf. Egal ob man eher in der Mitte, eher links oder eher rechts, mit schnelleren oder langsameren
Schritten auf sie zugeht. Sie rührt sich nicht. Große Gestik nach oben, hinunter zur Seite bringt auch keinen Erfolg. Die Kartenspieler schauen mir mit je einem halben Auge zu, amüsieren sich königlich und geben pantomimische Ratschläge. Wahrscheinlich bietet sich ihnen dieses Vergnügen häufig und regelmäßig, womöglich zählt die blöde Schiebetür zu den geheimen Marketingmaßnahmen des Wirts, gemeinsam mit dem im Nikotinnebel verschwimmenden Billardtisch. Als endlich einer der Kartenspieler aufstehen will um mir die Tür von der anderen Seite aufzumachen, entschließt sich die Unnachgiebige doch – ohne erkenntliche Veränderung der Situation – und schiebt sich zuvorkommend zur Seite. Allerdings bin ich mir ganz sicher, dass sie hinterhältig gegrinst hat.

Zwischen Spital und Kaffeehaus habe ich zwei der gefühlt hunderten Prüfungsangaben geschrieben, die ich bis Ende nächster Woche brauche. Hunderte sind es natürlich nicht, aber doch sehr viele und der Stress blubbert im Hinterkopf.

17 Gedanken zu “Dienstag 27.11.18

  1. bei mir sind jetzt auch die letzten Ereignisse frischer – also die Schiebetür, die hinterhältig grinst, und so brauche ich den Chirurgen eigentlich nicht zur kenntnis zu nehmen. Er erinnert mich an meinen Bruder, der Arzt ist. Sage ich dem auf Anfrage, dass ich leichte Kopfschmerzen habe, so erzählt er mir unaufgefordert, was das bedeuten könnte, und zwar so drastisch, dass ich jetzt immer sage, es gehe mir gut. …..

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  2. Ich habe 1999 eine Op im Hals-Nasen-Bereich gehabt. Der Arzt war von Forschungsdrang verzehrt und wollte unbedingt nachweisen, dass man Sachen gleichzeitig operieren kann, bei denen die Fachliteratur zwei oder sogar drei zeitlich getrennte Operationen empfiehlt. Er hat mich wissentlich so gut wie ÜBERHAUPT nicht aufgeklärt. Einen Tag nach der Op, als ich lieber sterben als leben wollte, hatte er die Dreistigkeit, mich darum zu bitten, für seine Studenten Vorzeigepatientin zu sein. Alle Risiken und Nebenwirkungen, die er dort aufzählte und die ich also zum ersten Mal hörte, sind auch eingetreten – u.a. lief mir wochenlang beim Trinken das Getrunkene wieder aus der Nase raus. – Er hatte mir durch eine zu hohe Laser-Watt-Zahl den gesamten Rachen verbrannt und zusätzlich das Zäpfchen abgeschnitten.
    Als ich ihn dann verklagte, haben er und der Gutachter gelogen, dass sich die Balken bogen.
    Verurteilt wurde er nur – und ich mit einer Entschädigung von ?Tausend DM abgefunden – weil er mich nachweislich nicht aufgeklärt hat. – Die Ärzte müssen sich absichern und deswegen muss man auch alle Risiken unterschreiben.
    Jede Op ist ein Wagnis und eine Sache des Vertrauens, dass es schon gut gehen wird. Und das wird es!!!!!!

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    1. Owei, Forschungsdrang ist ja prinzipiell etwas sehr Positives, nur selbst ist man ungern das Objekt der Wissenschaft.
      Du hast ja wahrhaftig schon genug erlebt in punkto medizinische Überraschungen. Aber diesmal wird es sicher zur Abwechslung wunderbar laufen – toi toi toi – zukünftig Adlersichtige 🙂

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      1. Ein AA, was alter Adler bedeuten soll, würde mir ja schon reichen.
        Dieser beschriebene HNO-Arzt hatte unendlich viele Klagen am Hals, das Geld hat alles seine Versicherung bezahlt. Dann ist er aus diesem Krankenhaus verschwunden und hat sich als Schönheitschirurg selbständig gemacht.
        Offensichtlich hat es mit der wissenschaftlichen Anerkennung seiner mehrfach Operationsmethode nicht geklappt

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        1. Ja, ja als Arzt sollte man gut versichert sein und als schlechter Arzt ganz besonders 🙂 Schönheitschirurgie ist ja überhaupt eine sehr zweifelhafte Sache von jedem möglichen Gesichtspunkt aus …

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          1. Ich glaube, dass er sogar ein exzellenter Arzt war. Aber er war von wissenschaftlichem Ehrgeiz zerfressen. Bei mir vermute ich ganz stark Komma das seine Wut oder sein Ärger über mich mit ihm durchgegangen ist. Wir hatten uns nämlich im Vorgespräch richtig gefetzt. Und wenn ich nur ein wenig klug gewesen wäre, hätte ich die Operation von einem anderen Arzt machen lassen Punkt während der Gerichtsverhandlung hat er so richtig bewiesen, was er für ein Charakterschwein sein konnte.

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              1. … ja – und zum Glück wohne ich nicht in einer Region, wo das R so richtig gerollt wird und bin auch keine Russischlehrerin. Du wirst es nicht nachvollziehen können – aber OHNE Zäpfchen im Rachen kann man oder ich kein deutliches R sprechen.

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  3. Die Aufklärung soll natürlich keine Angst einjagen – daher auch die Statistiken. Wenn man weiß, dass bei 100 Operationen nicht mal eine schief geht, bei 1000 OPs vielleicht eine Zehntel und erst bei 10.000 eine ist das doch beruhigend.

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  4. Wie gut, daß ich weder Schwester noch Bruder habe 🙂
    Eine solch umfassende Aufzähung all der Schwierigkeiten bei einer OP wäre für mich kaum zu ertragen, deshalb höre ich kaum hin, vergesse alles Miese ganz schnell wieder und unterschreibe dann halt, daß ich über Risiken und Nebenirwkungen ringsum aufgekärt bin, denn daß ich die OP will, das weiß ich!
    Du solltest dem Chirurgen Deinen Text zu lesen geben. Vielleicht hat er Humor und überlegt sich für die Zukunft, wie er ein wenig einfühlsamer werden könnte…

    Zur miesepetrigen Tür kann ich Dir nur eines sagen, liebe Myriade, ich kenne sie gut, weil sie immer anders öffnen als ich es möchte *g* und all die kleinen Übeltäter, die sich mir in den Weg stellen, so daß ich über sie stolpere 🙂 Gestern morgen, ich war noch nicht ganz wach, weil ich das vor dem ersten Kaffee nie bin, da stellte sich mir doch tatsächlich die Schrankecke in den Weg. Hinterhältig finde ich das und den blauen Fleck beobachte ich jetzt ganz genau… wer weiß, was der noch so alles vorhat.

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  5. Zum Glück war das ja nicht „mein“ Chirurg, den ich mir ausgesucht habe. Der, der mich operieren wird, hat sich kurz gefasst und nur gesagt „natürlich kann auch einmal was passieren, aber das ist sehr selten“ Damit wäre ich bestens ausgekommen.

    Haha, ja, ich finde auch, dass Möbel und sonstige Haushaltsgegenstände eindeutig sadistische, hinterhältige Züge haben können. *lach*

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