Alte und doch aktuelle Geschichte

Zu den Dingen, die ich am Bloggen schätze, gehört die gegenseitige Inspiration für dieses und jenes. Heute inspiriert mich Ulli zum Erzählen einer alten Geschichte aus meinem Leben.

Ich war achtzehn, hatte Matura gemacht, es war Sommer und ich war gerade in Indien angekommen. Tja, ein kleines Missgeschick war mir passiert in der Aufregung über den Abschied von meinem damaligen Freund, der eindeutig nicht die Größe hatte sich für mich über die Reise zu freuen obwohl er nicht mitfahren konnte. Also kurz gesagt, ich hatte das im letzten Moment eingewechselte Geld zuhause vergessen. In den achtzehn Jahren meines Lebens war mir eingehämmert worden, dass ich bei Problemen im Ausland, welcher Art auch immer, sofort zu der jeweils verfügbaren österreichischen Vertretungsbehörde eilen sollte, die dann zunächst meinen Vater, einen hohen Beamten, anrufen und dann alles weitere erledigen würde. Man kann seinen Kindern schlechtere Ratschläge geben und so beschloss ich also die österreichische Botschaft in Delhi anzuvisieren.

Nur wie. Im Rückblick betrachtet war ich ziemlich mutig, aber auch reichlich naiv und bin auf das nächste Taxi zugestartet. Der Fahrer war ein älterer Sikh in einem prächtigen Turban, der sogar auf Anhieb wusste, wo die österreichische Botschaft zu finden war. Er kurvte gekonnt durch den auch damals schon höllischen Verkehr. Als wir vor der Tür der Botschaft standen, wurde mir aber so richtig bewusst, was für ein Problem sich da vor mir auftat. Ich musste schließlich dem Taxifahrer sagen, dass ich ihn leider, leider nicht bezahlen konnte.

Bis heute erinnere ich mich gerne an diesen freundlichen Mann und das, was er zu mir sagte. Bis heute versuche ich auch immer wieder diese Lebensweisheit umzusetzen. Seine Antwort auf die Information, dass ich leider kein Geld hätte um ihn zu bezahlen, war, dass er einen Sohn habe, der in Europa lebt und dass er glücklich und dankbar wäre, wenn auch diesem Sohn in einer Notlage jemand helfen würde. Deswegen wäre es ihm eine Freude mich hierher gefahren zu haben.

Die kurze Begegnung mit diesem Menschen gehört zu den prägendsten Erfahrungen in meinem Leben.

22 Gedanken zu “Alte und doch aktuelle Geschichte

  1. Myriade, mir kommen beim Lesen selten die Tränen – auch jetzt sitzen sie noch hinter den Lidern, aber sie warten auf das Loskullern können.
    Wenn es doch viel, viel mehr Menschen diesesr Art gäbe – und er war bestimmt nicht reich oder auch nur wohlhabend.

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    1. Ja, er war wohl einer der Menschen, die ihre Überzeugungen auch leben. Sollten wir alle sein, tja, man tut, was man kann… Für europäische Begriffe war er wohl kaum wohlhabend, ob für indische kann ich nicht beurteilen. Ich habe dieses Erlebnis, das ja viele Jahrzehnte zurückliegt, auch nie vergessen

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      1. Das mit dem „Überzeugungen leben“ kann aber auch sehr nach hinten losgehen. Wie viele Leute haben denn wirklich noch „edle Überzeugungen, die auch menschenfreundlich sind, nicht nur familienfreundlich.“ In der Familie können fast alle gut und großzügig sein.

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  2. Glücklich der Mensch, der solche positiv prägenden Erlebnisse hat. Es macht ihn selbst zu einem freundlichen Menschen. Unglücklich der, der entsprechende negativ prägende Erlebnisse hat. Es macht ihn zu einem Misanthropen. Drum ist es so wichtig aufzupassen, wie man jungen Menschen begegnet.

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  3. Es ist schön, wenn sich eine solche gute Tat so nachhaltig einprägt und somit gewiß auch später durch Dein eigenes Handeln anderen gegenüber fortgesetzt wurde/wird.

    Ich hatte als Kind auch ein prägendes Erlebnis zum Thema Großzügigkeit. Ich verkaufte Krimskrams auf dem Trödelmarkt und ein netter junger Mann interessierte sich für einen Modeschmuckring und fragte mich nach dem Preis. Ich verlangte 50 Pfennige und er gab mir eine ganze Mark. Als ich das Wechselgeld herausgeben wollte, sagte er, ich solle es behalten, der Ring gefiele ihm so gut und er sei es ihm wert. Dabei schaute er mich mit seinem strahlenden Lächeln und warmherzigen Augen sehr freundlich-heiter an, und ich strahlte zurück und bedankte mich überschwenglich.
    Diese Geste habe ich nie vergessen! Und später als Erwachsene habe ich immer wieder ähnlich gehandelt, wenn ich auf dem Flohmarkt etwas bei einem Kind kauf(t)e. Und ich geize auch nie mit Trinkgeld!!

    Wenn man darauf vertraut, daß genug da ist und wir auf einer tiefen Ebene alle miteinander verbunden sind, ist das Teilen leicht und herzerfreulich! 🙂

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    1. Oh ja, sehr oft macht Teilen glücklich, manchmal auch nicht ….. Aber prägende positive Erlebnisse begleiten einen durchs Leben. Und dabei sind das oftmals solche Kleinigkeiten wie deine 50 Pfennige. Es ist doch schön, dass es Situationen gibt, in denen man mit wenig viel erreichen kann, als Ausgleich zu denen, in denen man mit viel wenig bis gar nichts erreicht …..

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