Leere Augen

Gestern war ich zu Besuch in einem Pensionistenheim. Das Heim als solches ist schön: kleine Wohnungen mit Balkon, ein großer Garten, viele Gemeinschaftsräume, viele möglichen Aktivitäten, gute Betreuung, ABER …… Die Gänge sind breit, es stehen dort kleine Sitzgruppen, es sitzen auch Menschen dort, aber viele blicken völlig unfokussiert, starren in die Luft. Es könnte sein, dass sie einander einfach schon sehr lange kennen und sich keine neuen Unterhaltungsthemen anbieten.Glaube ich aber nicht, schließlich haben alte Menschen ein ganzes Leben zu erzählen und tun das meistens auch gerne.

In der großen Eingangshalle gibt es eine Bibliothek, dort sehe ich niemanden und mehrere Computerplätze, an einem sitzt eine fröhlich wirkende alte Dame und studiert Fischrezepte, die anderen sind unbenutzt. Auch im Café sind alle Tische besetzt, aber auch hier gibt es viele Menschen, die zwar die physische Nähe anderer suchen, aber nicht kommunizieren wollen oder können.

In dem Heim lebt auch ein Kater, ein hübscher, schwarzer, freundlicher Kater. Seltsamerweise ist er nicht dick. Bei der üblichen Haltung von Katzen gegenüber Nahrung, hätte ich erwartet, dass er sich gerne von allen immer wieder einen kleinen Imbiss abholt und entsprechend unschlank wäre. Die stromlinienförmige Figur des Katers halte ich daher auch für ein Indiz für wenig Kommunikation in diesem Haus.

Ich habe auch die betreute Gruppe gesehen. Das System funktioniert ähnlich wie in einem Kindergarten, nur ist das Klima ein anderes. Lebensfreude ist mir nicht begegnet, obwohl die dort anwesenden alten Damen Beschäftigungsangebote hatten und die Räumlichkeiten sehr gemütlich und anregend ausgestattet sind. Meine allerhöchste Hochachtung gilt jedenfalls den dort arbeitenden Menschen. Alle waren sie freundlich, fröhlich und bemüht.

Deprimierend. Das Thema Alter, Krankheit, mögliche Demenz, mangelnde Eingebundenheit ins Leben. Klug ist es wohl, sich rechtzeitig selbst um gute Lösungen umzusehen; falls es die gibt und falls man selbst physisch und psychisch in der Lage ist, sie zu nutzen.

19 Gedanken zu “Leere Augen

      1. Dennoch ist es so, dass besonders alten Leuten gerne schneller Psychopharmaka verabreicht werden, wenn sie unruhig schlafen oder bei sonstigen Wehwehchen. Dass könnte auch einen leeren Blick verursachen. Allerdings scheinst du das Heim ja gut zu kennen, als seriös. Hm. Traurig. Vielleicht war es auch die falsche Uhrzeit? Nach dem Mittagessen und alle waren müde?
        Kannst ja nochmal hingehen und sehen, ob es anders ist.
        Liebe Grüße
        „Benita“

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            1. So wird es in vielen Fällen auch sein. Vielleicht sieht es aber von außen auch ganz anders aus als aus Sicht der Menschen selbst. Vielleicht sind sie ganz zufrieden damit einfach so dazusitzen. Und es war auch eine Momentaufnahme. Vielleicht sieht es an anderen Wochentagen oder zu anderen Tageszeiten ganz anders aus.

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              1. Genauso hat das meine Mutter auch gesehen. Sie war ja einige Jahre im Heim. Sie hat sich immer wohl gefühlt, obwohl sie sich wenig mit anderen unterhalten hat. Das lag sicher an ihrer enormen Schwerhörigkeit. Aber sie hat nicht einmal irgendwie gejammert, dass sie lieber in ihrer Wohnung geblieben wäre oder so ähnlich. Bei einem gewissen Spiel hat sie immer mitgemacht, da konnte sie alles sehen und musste nicht hören. Insgesamt sind sehr alte Leute glaube ich doch viel ruhiger als jüngere Leute

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                1. Ja, das ist das beruhigende daran, vielleicht sieht alles von außen viel schlimmer aus als es für die Betroffenen ist. Man kann ja in niemanden hineinsehen und vielleicht verändern sich auch die Bedürfnisse mit zunehmendem Alter.

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  1. Da bin ich aber froh! Es gibt, wie du sicher weißt, durchaus entsetzliche Zustände, was auch daran liegt, dass, wenn man als Kind unwillkommen war und garstig behandelt wurde, man plötzlich alten Eltern ein schönes Leben ermöglichen soll. Wer hat Lust dazu?

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  2. Ich bin dann doch (nicht) überrascht, wie schnell die allgemein bekannten Urteile und Meinungen über Pflegeheimzustände sich einen Weg bahnen.
    Interessant was du schreibst: „Pensionistenheim“ mit Wohnungen. Ist das dann so ein Mischdingens mit betreutem Wohnen und Gemeinschaftsräumen oder tatsächlich eher Pflege? Oder eben beides?
    Ich finde das schwierig, irgendwann, und so läuft unsere Gesellschaft, wird es vielleicht nicht mehr viele Varianten geben, und man muss da einrücken. Man wird mit Menschen zusammenleben müssen, die man sich nicht ausgesucht hat, Gemeinschaftsaktionen mitmachen dürfen, an denen man noch nie Freude hatte. Da steckt viel Bemühen dahinter, aber man kann es sicher nicht allen recht machen. Wenn man nicht mehr groß rum kommt und nur noch auf Besuch hofft, was gibt es da Spannendes zu erzählen? Unsereiner erlebt selbstbestimmt jeden Tag neue Dinge. Das ist irgendwann mal vorbei. Das eigene Leben in Form vom eigenen Haushalt wird entrümpelt und kommt auf die Deponie. Andere entscheiden, was bleibt. Für die letzten Monate.
    Darüber hinaus geht es manchem Demenzkranken in einer entsprechenden Einrichtung besser als bei Angehörigen, wo alle gestresst sind und das Eingesperrtsein doch noch intensiver sein kann.
    Nun ja, alles hat eine Vor- und Nachteile und natürlich auch seinen Preis. Ein Ideal gibt es hier nicht. Die Diskussionen sind vielfältig.
    Grüße vom älter werden.

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    1. Es ist ein Heim mit kleinen Wohnungen für 1 oder 2 Personen. Man kann dort wohnen wie in einem Hotel mit Vollpension, Wäscheservice und Unterhaltungs- und Trainingsprogramm. Dann gibt es eine Art betreutes Wohnen, da kommt ein gewisses Ausmaß an Unterstützung im Alltag dazu, je nachdem, was jemand braucht. Und dann gibt es noch eine Pflegestation. Eigentlich ein recht gutes Modell, man kann so lange wie irgend möglich einigermaßen selbstbestimmt bleiben. Trotzdem …….
      Das Älter- bzw Altwerden winkt zurück …… bemüht fröhlich 😦

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  3. als ich damals fuer ein halbes Jahr in Frankfurt war, bin ich 2 mal die Woche dort in einem Alterseheim gewesen. Da gab es Tage, als kaum jemand bereit war, mit mir etwas zu machen, und andere, da waren die selben voll mit dabei. Egal ob es eine Gruppe von Demenz Kranken war, oder andere. Nicht jeder Tag ist gleich

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