Ich war zu einem Seminar in Rust zitiert. Nun ist Rust ein sehr idyllischer Ort am Neusiedlersee mit einem sehr schönen Seminarhotel und daher freute ich mich auch auf den Ort, nicht auf das Seminar. In meinem Alter hält man selbst Fortbildungen oder hält sich von ihnen fern. Ausnahmen gibt es allerdings immer und die haben im Normalfall mit dem Ort zu tun , an dem solche Veranstaltungen abgehalten werden.
Ich stand – gefühlt – mitten in der Nacht auf und gondelte mit einem Bus durch das schöne Burgenland. Straßendörfer, Storchennester auf den Hausdächern, unzählige Heurige und Weinkeller, ungarisches Radio. An vielen Stellen Schneereste. Offenbar war es hier um die entscheidenden Zentigrade kälter als in Wien, wo es nicht geschneit hat. Es herrschte dichter Nebel, was einerseits sehr idyllische Ausblicke bot, für die Verkehrssicherheit aber doch nicht so optimal war.
Der Fahrer diskutierte mit einem mitfahrenden Kollegen, wie man Frauen behandeln müsse damit sie „brav blieben“. Ich wusste nicht recht, ob ich darüber lachen oder weinen sollte und entschloß mich dazu, aus dem Fenster zu schauen. Wir kamen pünktlich an und die Wellen der Langeweile schlugen über mir zusammen. Konnte ich zu dem Referenten sagen: „lieber A, was du da so stolz als deine neueste Erfindung vorstellst – und obendrein in ausufernder Langatmigkeit – haben wir schon vor 20 Jahren gemacht.“ Lohnt sich das ? Nein, eindeutig nicht. Ich verlängere lieber die Pause und schaue mich ein bisschen um.
Das Essen war bodenständig und ziemlich gut: Gansl mit Rotkraut und Serviettenknödel; so bin ich unerwartet noch zu einem Martinigansl gekommen. Der Nachmittag ist auch vergangen, schleppend aber doch. Inzwischen waren die Zimmer fertig. Sehr amüsant, hier wurde während der Hochblüte der Glaswandbadezimmermode renoviert. Die Wand zwischen Zimmer und Bad wurde ausgeschnitten und mit einer Glaswand versehen mit dem Ergebnis, dass man, wenn man duscht durch das Zimmer durchsehen kann, über den Balkon und direkt auf den See. Das Bett steht vielleicht einen Meter neben der Badewanne mit einer Glaswand zwischen beiden. Nachdem diese Mode aber offenbar hauptsächlich den Architekten gefallen hat, wurde eine Jalousie eingebaut, die man elektrisch über einen Schalter im Bad rauf- und runterfahren kann.Das Abendessen vergeht mit angenehmem Geplauder über die neuesten Neuigkeiten und wiederum sehr gutem Essen, dann ist mein Bedarf an Geselligkeit für diesen Tag gedeckt und ich mache mich auf zu einem Abendspaziergang zum See. Es war allerdings so neblig, dass der See nicht zu sehen war. Es gab ein paar Wege, die ich verdächtigt habe eventuell ans Ufer zu führen, aber ich habe mich nicht getraut, ihnen zu folgen, weil ich nicht gesehen hätte, wenn sie direkt ins Wasser geführt hätten.
Die Stimmung ist schaurig. Niemand ist zu sehen, aber aus dem Nebel sind Stimmen zu hören. Das beunruhigende daran ist, dass die Richtung aus der die Stimmen kommen nicht eindeutig zu bestimmen ist.
Hätte ich nur einen Blick auf die Homepage geworfen, hätte ich gewusst, dass das Hotel ein Schwimmbad hat und Badegewand mitgenommen Schade, aber selber schuld.
Sogar bei Tag sieht Schilf im Nebel etwas beunruhigend aus.
Es ist so still, wie es in der Stadt nie ist und ich schlafe bei gekipptem Fenster, kalte, saubere Luft ohne Feinstaub.
Schöne Stimmungsbeschreibung. Fast wie der Anfang eines „Tatorts“.
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Die Stimmung hätte wunderbar zu „Würger im Nebel“ , „Der See der Toten“ “ Todesecho“ oder Ähnliches gepaßt 🙂
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Sehr schön beschrieben. Das Zimmer sieht aus, wie auf der Intensivstation.
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HIHI, Ja tatsächlich, zum Glück habe ich die Nacht gut überstanden.
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Wahrscheinlich hat jemand hinter der Scheibe über Dich gewacht.
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So eine Art Schutzengel mit medizinischer Ausbildung 🙂
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Schließe mich an: Sehr schön eingefangene Stimmung, gespenstisch und melancholisch. Und immerhin mit Gansl 🙂
Liebe Grüße!
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Ja, ja, es war von allem was dabei und auch Nebelgansln schmecken 🙂
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sehr interessant
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