BERGE.txt

Zu den ersten Dingen, die ich überhaupt über ihn erfuhr, gehörte seine Leidenschaft für die Berge. Nicht nur für seine heimatlichen Berge sondern für sämtliche Erhebungen in sämtlichen Landschaften. Ich habe zu Bergen kein Verhältnis. Das macht mich zu einer untypischen Österreicherin. Nachdem ich aber auch zu Lipizzanern kein Verhältnis habe, Walzer tanzen mich nicht in Ekstase versetzt und trinken und Schi fahren auch nicht zu meinen Leidenschaften zählen, kommt es jetzt auf die Berge auch nicht mehr an. Er aber liebt die Berge.

Bergsteigen ist ja wohl ein Sport wie andere auch, dachte ich. Dabei geht´s um Kondition, um Körpergefühl, um Erreichen und Überschreiten der eigenen Grenzen. Dazu kommt der Kick. Der Kontakt mit den Bergen bleibt gefährlich, auch mit noch so perfekter Ausrüstung. Die Endorphine fließen. Der genau richtige Tritt auf den einzig sicheren Punkt. Das Erreichen des Ziels, der Triumph, das Ganz-Oben-Stehen, an den Wolken, nichts um sich herum spüren außer Weite. Die feste Überzeugung auch noch genug Kraft und Konzentration zu haben um wieder hinunterzukommen. Das euphorische Gefühl der Körperbeherrschung bis in den letzten Muskel. So stelle ich mir das vor.

Dazu kommt auch noch das Interesse an Flora und Fauna, an Geologie, an der jeweiligen Region und ihren Menschen. Das nimmt er alles mit, er ist ein universell interessierter und gebildeter Mensch. Aber ob irgendetwas davon der tatsächliche Kern seiner Bergbegeisterung ist ?

Berge und sonstige Erhebungen können auch dazu dienen, auf die Fallen und Schlingen der Welt aus sicherer Entfernung hinunterzuschauen. Hinunter auf emotionale Verstrickungen, auf schwierige Beziehungen zu anderen und sich selbst. Räumliche Entfernung, der Blick von oben können entwirren, klären, Durchblick und Kontrolle ermöglichen oder vorgaukeln.

Nachdem mir das klar geworden war, hatte ich etwas wichtiges verstanden.

Mein Beitrag zum txt-Projekt

 

7 Gedanken zu “BERGE.txt

  1. Vielleicht sagt es mehr über einen Menschen, bzw. seine Verfasstheit aus, als man zunächst glauben mag, ob er den Bergen oder dem Meer den Vorzug gibt.
    In meinem Leben hat sich dies komplett gewandelt. Früher das Meer, heute die Berge.
    Ein schöner Text, den ich gerne gelesen habe.

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    1. Den Gedanken finde ich sehr interessant und verfolgenswert. Es gibt dazu ja dann auch noch andere Landschaften, denen man den Vorzug geben kann: Wald oder Steppe, Moor oder Heide ……

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  2. ein sehr schöner text! ich habe berge allerdings immer schon geliebt, genauso wie das meiste andere was du da aufgezählt hast mit ausnahme von lipizzanern, deren grandesse erschließt sich mir jetzt auch nicht so, was vielleicht daran liegt, dass ich keine dressierten tiere mag.
    berge geben einem oft ein gefühl von geborgenheit, wenn sie den horizont von der weite trennen. wenn man oben steht fühlt man sich erhaben und grenzenlos. sie sind gefühlt ewig. sie sind ruhig. sie machen alles andere so nichtig und klein, um reinhard mey zu zitieren 🙂

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    1. berge geben einem oft ein gefühl von geborgenheit, wenn sie den horizont von der weite trennen.

      Mir nicht, ich fühle mich eher eingeengt wenn um mich herum lauter Berge sind. Dagegen so eine schöne Ebene mit unendlich hohem Himmel …. *schmacht*
      Das erhabene, grenzenlose, ruhige ist für mich der Ozean.
      Na zum Glück hat jede/r seine Oasen !

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      1. ja das ist lustig, berge lösen immer das eine oder das andere aus. diese debatte habe ich mit meinem papa auch schon öfter geführt. beim ozean stimme ich dir zu, weite ebenen machen mich unruhig.

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